Deutschlands Blitzer Nr. 1 (B 27, Gem. Walddorfhäslach)? Gute Verteidigungschancen!

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Es sind zwei Blitzer der Superlative, die bei Walddorfhäslach zwischen Reutlingen und Stuttgart an der mit ca. 70.000 Fahrzeugen pro Tag meistbefahrenen Bundesstraße Deutschlands (B 27) aufgebaut wurden und seither ununterbrochen in beide Richtungen blitzen.

Versteckt hinter einem Brückenpfeiler bemerken Verkehrsteilnehmer sie regelmäßig erst, wenn es schon zu spät ist. Als dort noch eine Baustelle mit 60er-Begrenzung war, erschien der rote Blitz zum Teil dreitausendmal am Tag (!). Nun wird bei zulässigen 80 km/h immer noch etwa alle acht Minuten ein Fahrzeug geblitzt

In den Anhörungsbögen oder Bußgeldbescheiden des Landratsamts Reutlingen heißt es dann regelmäßig wie folgt: 

Ihnen wird zur Last gelegt, am ... um ... Uhr in 72141 Walddorfhäslach, B 27, KM 0,0 FR Tübingen, Höhe Bullenbank, als Führer des ..., amtliches Kennzeichen ... folgende Ordnungswidrigkeit begangen zu haben: 

Sie überschritten die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um ... km/h. 

Zulässige Höchstgeschwindigkeit: 80 km/h.

Festgestellte Geschwindigkeit (nach Toleranzabzug): ... km/h.

...

Beweismittel: Messung mit Lasergerät und Foto, Messung mit TraffiStar S350

Zeuge: Herr …, Landratsamt Reutlingen

Zu Spitzenzeiten brachten die Geräte bis zu einhunderttausend Euro ein – pro Tag, wohlgemerkt. Kein Wunder also, dass die stationären Mess-Tower landläufig als „Gelddruckmaschinen“ bezeichnet werden und am Stammtisch von einer „Abzockerstelle“ die Rede ist.

Während sich das Landratsamt aufgrund der schieren Masse an Verfahren bereits fremder Hilfe bei der Auswertung der Messungen bedienen musste, führen die großen Fallzahlen nach hiesigen Informationen zu immer mehr Problemen beim zuständigen Amtsgericht Reutlingen. 

„Outsourcing“ ist dort schließlich nicht möglich und die zur Verfügung stehenden Richter können die Fälle, zu denen freilich noch zahlreiche andere Messstellen beitragen, nur noch schwerlich bewältigen. 

Unter anderem daraus resultieren aus unserer Sicht überdurchschnittlich gute Erfolgschancen für Betroffene: Berücksichtigt man, dass über das gesamte Bußgeldverfahren hinweg Verjährungsfristen von zunächst drei-, nach Erlass und Zustellung des Bußgeldbescheides sechsmonatiger Dauer einzuhalten sind, lehrt die Erfahrung, dass bei aktiver Verteidigung derartige Verfahren häufig nicht in der gebotenen Kürze der Zeit vorangetrieben werden können. Die Folge: Einstellung der Verfahren wegen Verfolgungsverjährung

Hinzu kommen noch zahlreiche technische und formelle Aspekte: 

Das Laser-Messgerät vom Typ TraffiStar S 350 darf nur in einer bestimmten Höhe aufgebaut und eingerichtet werden. Zum Teil wird dabei missachtet, dass der Betonsockel, auf dem das Gerät errichtet wird, seinerseits oberhalb der Fahrbahndecke liegt. Derzeit ist noch unklar, ob die Höhenangaben an der Messstelle eingehalten wurden. 

Zu erwähnen ist noch, dass die Mess-Tower mehrere Fahrspuren gleichzeitig detektieren. Zum Teil war dabei von uns festzustellen, dass im Erfassungsbereich die Leitplanke zu erblicken ist. 

Nachdem sich aus der Gebrauchsanweisung des Herstellers ergibt, dass Hindernisse im Erfassungsbereich vermieden werden sollten, halten wir dies gemeinsam mit eng mit uns zusammenarbeitenden Sachverständigen für einen eklatanten Fehler. 

Nach einer Anforderung der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt als technischer Zulassungsbehörde muss die Messstrecke bei einem solchen Gerät außerdem mindestens 10 m betragen. Tatsächlich haben wir aber schon mehrfach festgestellt, dass die Messstrecken bei diesem Gerätetyp bei deutlich weniger als 10 m liegen, also zu kurz sind

Abweichungen der beschriebenen Art führen aus unserer Sicht dazu, dass die eingesetzten Geräte nicht als standardisierte Messverfahren angesehen werden können. Dies hat dann dazu zu führen, dass ohne die sonst üblichen Darlegungs- und Beweiserleichterungen der Vollbeweis dafür zu erbringen ist, dass der vorgeworfene Geschwindigkeitswert tatsächlich auch „erfahren“ wurde. 

Nachdem in der Regel aber die dafür erforderlichen Roh-Messdaten nicht mehr vorhanden sind, weil sie beim Abspeichern der Falldaten aus unerfindlichen Gründen nicht abgespeichert, sondern vernichtet werden, dürfte dieser Nachweis kaum möglich sein. 

Häufig sind bei dem hier zum Einsatz gekommenen stationären Messgerät auch die nach dem Mess- und Eichgesetz zu fordernden Nachweise über durchgeführte Wartungen, Reparaturen oder sonstige Eingriffe am Messgerät nicht ausreichend vorhanden. 

Neben diesen angesprochenen Aspekten gehen wir natürlich bei der Prüfung jedes Falls auch weiteren rechtlichen Fragestellungen nach und legen ein Hauptaugenmerk auch auf die Frage, ob der/die Betroffene denn überhaupt als Fahrer(in) identifizierbar ist, was nicht stets der Fall ist. 

Eine etwaige Rechtsschutzversicherung trägt die Kosten für die Verteidigung, die bei dieser Messstelle in jedem punkterelevanten Fall (d. h. ab Überschreitungen der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 21 km/h) anzuraten ist. 

Dr. Sven Hufnagel

Fachanwalt für Verkehrsrecht

Dr. Sven Hufnagel ist auf die Vertretung in Ordnungswidrigkeitenverfahren im Straßenverkehr spezialisiert und hat bei mehreren tausend geführten Bußgeldverfahren auch schon zahlreiche Messungen mit dem oben angesprochenen Messverfahren überprüft.

In den Jahren 2015, 2016, 2017 und 2018 wurde er durchgehend in der „Focus-Anwaltsliste“ als „Top-Anwalt für Verkehrsrecht“ aufgeführt. Mehr erfahren Sie auf der Kanzleihomepage und unter www.anwalt-strafrecht.com.


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