Die „Coaching-Falle“ Teil 10 - Gericht stellt die Sittenwidrigkeit eines Coaching-Vertrags fest

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Die Frage der Rechtmäßigkeit von Coaching-Verträgen wird zunehmend ein Fall für die Gerichte, weil vermehrt Coaching von unseriösen Unternehmen angeboten wird, die vor allem den eigenen Vorteil im Sinn haben. Die Methoden sind immer wieder dieselben – professionelles Marketing, erheblicher Druck zum Abschluss des Vertrages und große Versprechungen, die sich dann jedoch im Vertragstext nicht wiederfinden. Wie sie solche unseriösen Coaches erkennen, hatten wir Ihnen bereits hier erklärt.


Die Versprechen der Coaches

In der Realität lösen sich die vollmundigen Versprechen der Coaches dann jedoch leider oft in Luft auf. Das angeblich professionelle, individuelle und hochwertige Coaching, für das geworben wird, besteht dann oft im Wesentlichen nur aus einem Videokurs zweifelhafter Qualität, aus der versprochenen 1:1-Betreuung werden Online-Gruppencoachings und WhatsApp- oder Telegramgruppen. Im schlimmsten Fall wird sogar schnell klar, dass das vermeintlich „todsichere“ Vertriebsmodell eigentlich nur darin besteht, weitere Kunden für Coachings und andere Produkte der Coaching-Agentur zu gewinnen – also ein Pyramidensystem.


Das Urteil des Landgerichts

Dem hat das Landgericht Stade (LG Stade, Urteil vom 18.08.2022, Az. 3 O 5/22) einen ersten Riegel vorgeschoben und geurteilt, dass derartige Verträge sittenwidrig sind. Im dort entschiedenen Fall ging es um ein Coaching zum Preis von 31.416,00 Euro. Die Kundin hat den Vertrag gekündigt und wurde dann durch den Coach auf Zahlung verklagt.


Hierzu urteilte das Landgericht:


 „Die vereinbarte Gegenleistung übersteigt den Wert der Leistungen des Klägers um ungefähr das 10-fache. Die konkreten Leistungen des Klägers beinhalten sieben wöchentliche Live Calls, 1 : 1 Calls auf Abruf und Whatsapp Support sowie Zugang zu einem Mitgliederbereich. Der konkrete Inhalt der angebotenen Calls oder Inhalt des Whatsapp-Supports und des Mitgliederbereichs verbleibt vage“.


Und weiter:


Aufgrund des besonders auffälligen Missverhältnis, kann auf die bewusste oder grob fahrlässige Ausnutzung eines die Beklagte in ihrer Entscheidungsfreiheit beeinträchtigenden Umstandes geschlossen werden“.


Mit anderen Worten – der Vertrag ist sittenwidrig. Doch was bedeutet Sittenwidrigkeit konkret?


Auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung

Gemäß § 138 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) gilt ein gegenseitiger Vertrag als sittenwidrig, wenn zwischen der Leistung und der Gegenleistung ein auffälliges Missverhältnis besteht und weitere Umstände vorliegen, die den Vertrag insgesamt als sittenwidrig erscheinen lassen. In diesem Fall wurde ein besonders grobes Missverhältnis festgestellt, da der Wert der Gegenleistung das Angebot des Klägers um das Zehnfache überstieg.


Vage und ungenaue Beschreibung der Leistungen

Der Coach bot verschiedene Leistungen im Bereich des Online-Coachings und der Online-Unternehmensberatung an. Jedoch waren die konkreten Inhalte dieser Leistungen vage und ungenau beschrieben. Präzise Angaben zu den wöchentlichen Live Calls, den 1:1 Calls auf Abruf, dem Whatsapp Support und dem Mitgliederbereich fehlten.

Das Gericht musste daher auf vergleichbare Dienstleistungen im Bereich der Online-Beratung und Wissensvermittlung zurückgreifen, um den objektiven Wert der Leistungen des Coaches einzuschätzen. Dabei wurden Preise im Bereich von 500 € bis 3000 € brutto pro Jahr als üblich betrachtet - statt der verlangten 31.416,00 Euro. Dies weil der Coach keinen staatlich anerkannten Abschluss vermitteln konnte und selbst auch keine einschlägigen Qualifikationen hatte. 


Bewusste Ausnutzung und überrumpelnder Vertragsabschluss

Das Gericht kam zu dem Schluss, dass das grobe Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung auf die bewusste Ausnutzung eines Umstands hindeutet, der die Beklagte in ihrer Entscheidungsfreiheit beeinträchtigt hat. Insbesondere der telefonische Vertragsabschluss deutete darauf hin, dass der Coach die Kundin bewusst überrumpelt hat.


Klage abgewiesen mangels wirksamen Vertrags

Infolgedessen hat das Gericht die Klage des Coaches auf Zahlung abgewiesen und festgestellt, dass kein wirksamer Vertrag zwischen den Parteien besteht. Dieses Urteil eröffnet gute Aussichten für andere Kunden solcher Coachings, gegen ähnlich unseriöse Verträge vorzugehen. Die gilt nach einem weiteren Gerichtsurteil übrigens auch für Unternehmer, die nach der Rechtsprechung ebenfalls ein Widerrufsrecht haben können. Es bleibt zu hoffen, dass solche Urteile dazu beitragen, die Transparenz und Fairness in der Branche des Online-Coachings und der Online-Unternehmensberatung zu verbessern.


Weitere Rechtsprechung in Coaching-Fällen

- Das Oberlandesgericht Celle hat entschieden, dass Unternehmer ebenfalls ein Widerrufsrecht haben, wenn das Fernunterrichtsschutzgesetz Anwendung findet (OLG Celle, Urteil vom 01.03.2023, Az. 3 U 85/22). 

- Das Landgericht Leipzig, das Landgericht Hamburg und das Landgericht Hannover haben das Fernunterrichtsschutzgesetz für anwendbar erklärt und gegen die Coachingunternehmen entschieden 

- Das Landgericht Stuttgart hat mit rechtskräftigem Urteil einen Coaching-Vertrag des Bestseller Verlags von Dirk Kreuter für sittenwidrig erklärt

- Kürzlich ist die CopeCart GmbH in einem Prozess vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth zur Rückzahlung von 21.420,00 € verurteilt worden, weil der geschlossene Vertrag nichtig war - nähere Informationen dazu finden Sie hier.

- Das Landgericht Ulm urteilte ebenfalls gegen CopeCart und hat einen Vertrag für Coachings von Max Weiß für nichtig erklärt


Neben der sehr überwiegend positiven Rechtsprechung für Coaching-Kunden ist jedoch zu beachten, dass jeder Fall individuell zu betrachten ist und daher genau geprüft werden muss.


Professionelle Beratung bei Coaching-Verträgen

Als Kanzlei mit Spezialisierung im Vertragsrecht und großer Erfahrung mit zahlreichen Coaching-Fällen beraten wir Sie gern dazu, ob Ihr Coaching-Vertrag seriös ist und hält, was versprochen wurde – oder ob Sie vielleicht doch einem unseriösen Anbieter aufgesessen sind. 

Kontaktieren Sie uns gern, um Ihre Situation zu besprechen.


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