Die Sache mit der „Ausschlussfrist“ – was Sie dazu wissen müssen

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Ausschlussfristen bewirken, dass Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis nur innerhalb eines kurzen Zeitrahmens geltend gemacht werden können. Werden sie nicht rechtzeitig geltend gemacht, verfallen sie ersatzlos. Das ist schwerwiegend, insbesondere wenn der Arbeitgeber – das kommt leider in der Praxis gar nicht so selten vor – einfach nicht zahlt und der Arbeitnehmer immer weiter vertröstet wird, der Arbeitnehmer aber nicht anspruchssichernd tätig wird.

Anspruchssichernd – was ist damit gemeint?

1. Blick in den Arbeitsvertrag – das „Kleingedruckte“

Ansprüche sichert man sich, indem man sie in der richtigen Form gegenüber dem Arbeitgeber geltend macht, also bei Geldansprüchen auf deren Bezahlung drängt.

Der Arbeitnehmer muss dazu häufig selbst aktiv werden, er sollte nicht einfach abwarten.

Aber was gilt im Einzelfall? Das ist nicht überall gleich. Manche Arbeitsverhältnisse unterliegen überhaupt keinen Ausschlussfristen. Dann gibt es nur eine Verjährungsfrist, die immer gilt. Diese beträgt für Geldansprüche drei Jahre. Mit anderen Worten: nach drei Jahren ist meist Schluss. Da hilft dann auch kein Gerichtsprozess weiter.

Oft genügt schon ein Blick in den Arbeitsvertrag, um zu ermitteln, welches Zeitlimit für Ansprüche im vorliegenden Vertragsverhältnis zugrunde gelegt wird.

Angst vor Vertrags-Chinesisch?

Suchen Sie zuerst nach Schlüsselwörtern wie „Verfall“, „Ausschlussfristen“, oder Geltendmachung von Ansprüchen. Wenn Sie diese Ausdrücke nicht finden, kann es natürlich sein, dass der Arbeitgeber eine Verfallklausel irgendwo versteckt hat und vielleicht hofft, dass Sie etwas übersehen. Das ist natürlich eigentlich nicht in Ordnung. Der Arbeitgeber darf solch schwerwiegende Rechtsfolgen wie einen Verfall von Ansprüchen nicht einfach in Ziffer 15 auf Seite 12 in irgendeiner anderen Regelung verstecken, insbesondere, wenn dort eigentlich etwas ganz anderes geregelt ist. Juristen sprechen dann von einer Verletzung des „Transparenzgebots“. Trotzdem sollte man von vorne bis hinten einmal nachlesen, ob nicht doch etwas geregelt ist, damit man für den Fall der Fälle gerüstet ist. Denn ob aus der mangelnden Transparenz die komplette Unwirksamkeit der Verfallsregelung folgt, muss rechtlich natürlich erst einmal geprüft werden. Am sichersten ist es natürlich, wenn man das Spiel erst einmal „mitspielt“ und den Anspruch geltend macht.

2. Im Arbeitsvertrag steht nichts – bin ich dann sicher?

Leider nein, denn nun gibt es noch die Möglichkeit, dass sich eine Ausschlussfrist aus einem anwendbaren Tarifvertrag oder einer betrieblichen Einheitsregelung ergibt.

3. Tarifliche Ausschlussfristen

Tarifverträge sehen häufig Ausschlussfristen vor. Manche sind sogar sehr kurz, bspw. zwei Monate. Denkbar sind aber sogar noch kürzere Ausschlussfristen.

Wie kann ich wissen, was im Tarifvertrag steht, wenn ich ihn gar nicht habe?

Wenn der Arbeitgeber auf die Anwendbarkeit bestimmter Tarifverträge im Arbeitsvertrag hingewiesen hat, muss sich der Arbeitnehmer selbst informieren. Er kann sich nicht darauf berufen, dass er den Tarifvertrag nicht kennt oder dass der Arbeitgeber ihm den Tarifvertrag hätte zeigen müssen. Am besten ist natürlich, man fragt einen Rechtsanwalt. Gewerkschaftsmitglieder können auch ihre Gewerkschaft um Auskunft bitten.

4. Betriebliche Einheitsregelungen

Manche Unternehmen verwenden auch Allgemeine Arbeitsbedingungen, die sie in betriebsratsfähigen Betrieben mit dem Betriebsrat abgestimmt haben. Diese können Bestandteil des Arbeitsvertrags geworden sein. Auch aus solchen Arbeitsbedingungen können sich Ausschlussfristen ergeben.

5. Wie kurz ist erlaubt?

Wieviel Zeit muss dem Arbeitnehmer mindestens bleiben, um einen Anspruch geltend zu machen? Das ist abhängig davon, wo die Ausschlussfrist geregelt ist. In Tarifverträgen können auch sehr kurze Ausschlussfristen geregelt sein. In vom Arbeitgeber vorformulierten Arbeitsverträgen (das sind die meisten) darf der Arbeitgeber keine kürzere als eine dreimonatige Frist vorsehen. Dies ist ständige Rechtsprechung.

6. Was muss ich jetzt tun?

Die Wahrung der Ausschlussfrist ist meist an die Schriftform gekoppelt. Diese ist gewahrt, wenn der Arbeitnehmer den Anspruch in einem ausgedruckten und im Original unterschriebenen und an den Arbeitgeber verschickten Schreiben unter genauer Angabe des Anspruchsgrundes und unter Bezifferung des Geldanspruchs geltend macht. Dabei genügt es, wenn hinreichend zum Ausdruck gebracht wird, dass der Arbeitnehmer die Bezahlung fordert. Das Wort „Geltendmachung“ oder „Ausschlussfrist“ muss nicht ausdrücklich erwähnt sein.

Umgekehrt reicht es bspw. nicht, wenn der Arbeitnehmer in einer E-Mail an den Arbeitgeber schreibt:

„Für den Monat Juni fehlen mir noch die Überstunden.“

Eine E-Mail wahrt nämlich – siehe oben – gerade nicht die Schriftform. Außerdem muss klar sein, auf was sich der Arbeitgeber einstellen muss. Dies kann er nur, wenn a.) eine Erfüllung des Anspruchs verlangt wird und b.) klar wird, ob Bezahlung oder – wie hier auch denkbar – Freizeitausgleich begehrt wird, und außerdem c.) bei Geldforderungen der Betrag feststeht, den der Arbeitnehmer verlangt. Das bedeutet, dass der Arbeitnehmer die Überstundenvergütung ggf. ausrechnen muss. Wenn er sich zu seinen Gunsten verrechnet hat, ist dies unschädlich, denn es gehört nicht zur Wirksamkeit der Geltendmachung, dass rechtlich zutreffende Ausführungen gemacht werden. Deshalb muss auch keine „Anspruchsgrundlage“ genannt werden wie z. B.: „Die Verpflichtung zur Zahlung der Überstunden ergibt sich aus § 611 BGB.“ oder dergleichen.

Wer sich nicht sicher ist, wie er eine schriftliche Geltendmachung formulieren sollte, wendet sich besser an einen Rechtsanwalt.

7. Schriftliche Geltendmachung oder klagen?

Manche – sogar sehr viele – Ausschlussfristen sehen nicht nur die schriftliche Geltendmachung vor, sondern verlangen auch noch weitergehend, dass innerhalb einer weiteren Frist Klage erhoben wird, wenn sich die Gegenseite nicht meldet oder den Anspruch abgelehnt hat („zweistufige Ausschlussfrist“). Wer dann nur die „erste Stufe“ einhält, also „nur“ schriftlich geltend gemacht, aber nicht auch in der zweiten Stufe rechtzeitig geklagt hat, geht ebenso leer aus, wie wenn schon die erste Stufe nicht eingehalten wurde. So etwas ist zulässig. Die Gerichte halten zweistufige Ausschlussklauseln nicht per se für unwirksam.

Spätestens also, wenn der Arbeitgeber auf die Geltendmachung nicht ausreichend reagiert hat, sollte rechtzeitig ein Rechtsanwalt hinzugezogen werden.

Dr. Bert Howald

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Arbeitsrecht

Anwaltskanzlei Gaßmann & Seidel, Stuttgart


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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