Endlich Lohn für (Mehr-)Arbeit bzw. Überstunden

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Der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 14.05.2019 entschieden, dass Arbeitgeber die regelmäßige Arbeitszeit der Beschäftigten systematisch erfassen müssen (EuGH 14.05.2019 – C-55/18).

Unabhängig davon, dass die deutsche Bundesregierung bereits angekündigt hat, bis Ende des Jahres das Urteil auch gesetzlich umsetzen zu wollen, beansprucht das Urteil bereits jetzt voll umfassend Geltung, und zwar nicht nur Mitgliedsstaaten gegenüber, sondern auch unter Privaten, d. h. im gesamten Bereich des Arbeitsrechts (vgl. Schlussanträge Pitruzella vom 31.01.2019). Damit sind aber auch die Gerichte bereits jetzt an das Urteil gebunden und müssen entsprechend verfahren. Danach dürfte die bisherige Praxis, wonach davon ausgegangen worden ist, dass der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast für die Leistung von Mehrarbeit/Überstunden hat, so nicht mehr aufrechterhalten werden kann. Da nach dem Urteil des EuGHs der Arbeitgeber die Arbeitszeiten komplett zu erfassen hat und hierzu auch ein entsprechendes System zu unterhalten verpflichtet ist, muss die Darlegungs- und Beweislast in einem entsprechenden gerichtlichen Verfahren den Rechten und Pflichten folgend beim Arbeitgeber liegen. Von diesem kann unschwer dargetan und ggf. bewiesen werden – so er seiner rechtlichen Pflicht genügt – ob der Arbeitnehmer entsprechend Mehrarbeit geleistet und zu welchen Zeiten er gearbeitet hat.

Hierbei wird im Rahmen eines zu fordernden schlüssigen Klagevorbringens der Arbeitnehmer sicherlich in einer ersten Stufe darzutun haben, ob und in welchem Umfang er Mehrarbeit geleistet hat und den Anspruch unter inhaltlicher Schilderung (Substantiierung) seines Vorbringens entsprechend zu formulieren haben. Soweit nach der Rechtsprechung des BAG aber bislang erforderlich war, dass der Arbeitnehmer in der ersten Stufe der Geltendmachung von Ansprüchen auf Zahlung von Mehrarbeit bzw. Überstunden vorzutragen hat, an welchen Tagen er von wann bis wann Arbeit geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers zur Arbeit bereitgehalten hat (vgl. BAG vom 21.12.2016, 5 AZR 362/16), wird sich dies in letzter Konsequenz in Anbetracht des Urteils des EuGH nicht mehr aufrechterhalten lassen.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass damit ein grundlegendes Problem im Rahmen der Darlegungs- und Beweislast im arbeitsgerichtlichen Verfahren bzw. Prozess für den Arbeitnehmer nicht mehr besteht, der regelmäßig in solchen Verfahren den entsprechenden Einwendungen des Gerichts hilflos gegenüberstand, da er in der Regel eben nicht genau die Arbeitszeiten und einzelnen Anordnungen kalendarisch und stündlich festgehalten hat. In Anbetracht dieser ohnehin bestehenden Pflicht auf Arbeitgeberseite wird sich daher im Hinblick auf die Frage der Vergütung und Bezahlung von Mehrarbeit bzw. Überstunden Grundsätzliches zugunsten des Arbeitnehmers ändern.

Bezugnehmend auf die arbeitgeberseitige Verpflichtung hat der Arbeitnehmer in Konsequenz der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs nämlich im Zweifel einen umfassenden Auskunftsanspruch gegen den Arbeitgeber, sodass dieser dann entweder über entsprechende Auskünfte arbeiten und seine Mehrarbeit dartun kann oder aber die Nichterfüllung des Auskunftsanspruchs zu Lasten des Arbeitgebers zu werten sein wird.

Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass dies natürlich auch im Hinblick auf entsprechende Zuschläge für Nachtarbeit und Sonn- und Feiertagsarbeit erhebliche Auswirkungen haben dürfte, da der Arbeitgeber ja eben gehalten ist, die Arbeitszeiten des Arbeitnehmers zu erfassen.

Die Rechte des Arbeitnehmers werden mithin durch das Urteil des EuGHs im Hinblick auf eine gerechte Vergütung für geleistete (Mehr-)Arbeit erheblich gestärkt.

Erich Hünlein, Rechtsanwalt

Fachanwalt für Arbeitsrecht


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