„Entgeltbenachteiligung wegen des Geschlechts“, BAG Entscheidung vom 16.02.2023, AZR 450/21

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Am 16.02.2023 hat der 8. Senat des Bundesarbeitsgerichts sich im Zuge seiner Entscheidung mit der Vermutungsreglung des § 22 AGG auseinandergesetzt.


In dem entschiedenen Fall stritten eine Arbeitnehmerin und ihr Arbeitgeber darüber, ob der Arbeitnehmerin wegen eines Verstoßes gegen das Verbot der geschlechtsbezogenen Diskriminierung und einem Verstoß gegen das Entgeltgleichheitsgebot (§ 7 EntgTranspG) ein höheres monatliches Grundentgelt, sowie eine Entschädigung zusteht.


Das BAG musste sich insofern ausführlich mit der Vermutungsregelung des § 22 AGG befassen. Gemäß § 22 AGG trägt im Streitfall, sobald die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen, die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.


Nach dem BAG begründet allein schon der Umstand, dass der Klägerin ein geringeres Grundentgelt als dem männlichen Kollegen gezahlt wurde die Vermutung aus § 22 AGG, dass eine unmittelbare Entgeltbenachteiligung im Sinne von § 3 Abs. 2 S. 1 EntgTranspG sowie Art. 2 Abs. 1 lit. a der RL 2006/54/EG „wegen des Geschlechts“ vorliegt. Das BAG erläuterte in seinem Urteil wie sich der Indizienbeweis im Verfahren auswirkt. Sollte nämlich im Streitfall die eine Partei Indizien beweisen, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat. Im vorliegendem Fall lag eine unterschiedliche Bezahlung der Arbeitnehmerin von einem Arbeitnehmer vor, welcher die gleiche Arbeit wie die Arbeitnehmerin verrichtet hat. Der Vortrag der Entgeltungleichbehandlung trotz gleicher oder gleichwertiger Arbeit lässt das BAG als Vermutung iSv. § 22 AGG zu. Dies allein begründet, dass eine Entgeltungleichbehandlung „wegen des Geschlechts“ vorliegt und eine zu widerlegende Vermutung besteht ist. Für den Anspruchsgegner bedeutet dies, dass er nun beweisen muss, warum keine geschlechterbezogene Diskriminierung vorliegt. Das BAG begründet dies mit den unionsrechtlichen Vorgaben, welche eine Diskriminierung wegen unterschiedlichem Geschlechts bereits nach ersten Anschein erkennen lassen.


Der Arbeitgeber trug vor, dass die unterschiedliche Entlohnung Ausdruck der im Rahmen des Arbeitsvertrages ausgeübten Vertragsfreiheit war. Diese Begründung ließ das BAG nicht gelten. Der Vortrag der Vertragsfreit ist für sich allein betrachtet nicht geeignet, die Vermutung einer geschlechterbezogenen Entgeltbenachteiligung nach § 22 AGG zu widerlegen.


Das BAG hat in seinem Urteil kein neues Recht gesetzt, sondern sich folgerichtig auf die Richtlinie der europäischen Union (Richtlinie 2006/54/EG) gestützt. Durch die Beweislastumkehr wird den Benachteiligten eine verlässlichere Möglichkeit geschaffen sich gegen Ungleichbehandlungen nach § 1 AGG zu wehren. Dies schafft nicht nur Chancen für die Arbeitnehmer, sondern kann bei Arbeitgebern zu einer berechtigten Abschreckung einer Ungleichbehandlung führen. Arbeitgeber sollten bei der Festlegung von Entgelten transparente Begründungen vorlegen können. Pauschale Begründungen, wie eben die der Vertragsfreiheit, reichen zur Rechtfertigung von Unterschieden im Rahmen des Entgelts nicht aus.


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