Entlassung eines Soldaten Verstoß gegen Kameradschafts-Wohlverhaltenspflicht ?

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Das Schlesweig-Holsteinische Verwaltungsgericht hob am 01.08.2020 eine fristlose Entlassung eines Soldaten auf Zeit aus der Bundeswehr auf ( Urteil vom 01.08.2019, G.Z.: 12 A 80/17 ). . Der fristlosen Kündigung lag folgender Vorfall zugrunde:

Am 09.12.  2016 kam es ausserhalb des Dienstes während einer Heimfahrt mit dem Zug zu einem zwischen den Beteiligten bezüglich des genauen Ablaufs streitigen Vorfalles mit der Zeugin, einer Kameradin des Klägers. Am 13.12.2016 meldete die Zeugin den Vorfall und wurde dazu vernommen. Auf der Zugfahrt habe der Kläger sich neben sie gesetzt und dann damit begonnen, die Innenseite ihrer Oberschenkel zu streicheln. Er habe zu ihr gesagt, er brauche unbedingt eine Freundin, damit er sich in der Kaserne keinen runterholen müsse. Sie habe sich davon bedrängt gefühlt und sei ganz an das Fenster gerutscht. Nachdem er den Zug verlassen hatte, hatte sie ihm geschrieben, was das solle. Er habe nur erwidert;" Sorry, war vielleicht nicht so gut". Am selben Tage wurde auch der Kläger vernommen. Er ließ sich wie folgt ein: Die Beziehung zu der Zeugin habe sich im Laufe der Zeit freundschaftlich entwickelt. Man habe sich zur Begrüßung bzw. Verabschiedung umarmt. Die Zeugin habe sich auch einmal auf seinen Schoß gesetzt, um sich auszuheulen. Sie habe nach dem Duschen einmal ihre verbrannten Beine gezeigt und ihn diese fühlen lassen. Dabei habe sie nie erwähnt, dass der körperliche Kontakt in irgendeiner Form unangenehm sei. Am 09.12.2016 habe er sich im Zug neben sie gesetzt und ihr in Gedanken versunken, mehr aus Gewohnheit heraus über das Bein gefasst. Es könne schon sein, dass er etwas wie:" Ich brauche eine Freundin, damit ich es mir nicht selbst machen muß" gesagt habe. Einen zweiten Annäherungsversuch habe er nicht bewusst gestartet, und habe auch nichts von einer Äusserung mitbekommen, in der sie sagte, er solle es unterlassen. Nachdem er ausgestiegen sei, habe sie ihm eine Nachricht geschrieben, dass sie sein Verhalten als belästigend empfunden habe und ob er nicht wisse, dass sie einen Freund habe. Er habe geantwortet, es tue ihm leid und habe sich entschuldigt. 

In der Folge wurden weitere Zeugen zum Verhältnis des Klägers und der Zeugin vernommen. Mehrere Zeugen bestätigten freizügiges Verhalten der Zeugin im Hinblick auf Ihre Bekleidung und ihr Verhältnis zum Kläger, was falsche Signale gesendet haben könnte. Die Situationen des Ausheulens und der verbrannten Oberschenkel wurden bestätigt. Darüber hinaus wurde bezeugt, dass der Kläger den Kontakt zur Zeugin gesucht habe. Sein Verhalten habe zum Teil bemutternd gewirkt. Für den Vorfall im Zug gab es keine Zeugen. Der Vorgang wurde am 20.12.2016 an die Staatsanwaltschaft abgegeben und später nach § 170 II StPO eingestellt. 

Der Disziplinarvorgesetzte des Klägers beantragte am 09.01.2017 die fristlose Entlassung des Klägers gemäß § 55 V SG auf Grundlage der Aussage der Zeugin. Mit Stellungnahme vom 11.01.2017 schloss soch auch der nächsthöhere Disziplinarvorgesetzte dieser Stellungnahme an. 

In der Eröffnungs- und Anhörungsniederschrift vom 09.01.2017 erklärte sich der Kläger mit der geplanten Personalmassnahme nicht einverstanden. Mit Stellungnahme vom 10.01.2017 sprach sich auch die Vertrauensperson gegen die Entlassung aus.

Die Beklagte erließ jedoch am 02.03.2017 eine Entlassungsverfügung. Die Entlassungsverfügung begründete die Beklagte damit, dass das Verhalten des Klägers einen groben Verstoß gegen die Kameradschaftspflicht gemäß § 12 Satz 1 und Satz 2 SGG dar. Durch sein Verhalten habe der Kläger die Zeugin zu einem Sexualobjekt erniedrigt und damit massiv in ihre persönliche Ehre eingegriffen. Auch ein einmaliger Verstoß gegen die Dienstpflichten sei geeignet, andere Soldaten zur Nachahmung zu verleiten und damit einer allgemeinen Disziplinlosigkeit Vorschub zu leisten. ,

Hiergegen erhob der Kläger erfolgreich Klage beim Verwaltungsgericht. 

Das Verwaltungsgericht hob die Entlassungsverfügung auf. Insbesondere bestünde keine begründete  Wiederholungsgefahr. Insoweit müsse berücksichtigt werden, dass der Kläger bislang disziplinarrechtlich nicht aufgefallen wäre und in Zeugenaussagen und von seiner Vertrauensperson als zurückhaltender Mensch bezeichnet worden wäre. Es würde sich um einen einmaligen Vorfall handeln, für den er sich entschuldigt hätte. Zwar wäre eine Nachahmungsgefahr nicht auszuschließen. Jedoch hätte dieser Gefahr durch eine geeignete und angemessene Disziplinarmassnahme als milderes Mittel begegnet werden können, so dass ein Schaden für die militärische Ordnung im Ergebnis nicht zu befürchten gewesen wäre. 

Dieser Fall zeigt, dass Sie nicht sofort aufgeben sollten, wenn Sie eine Entlassungsverfügung erhalten. 

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Manuela Schwennen

Rechtsanwältin

 






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