Societas Europaea: Was Sie über die Europäische Gesellschaft wissen müssen
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Das Kürzel „SE" steht für die lateinische Bezeichnung „societas europaea", die erste übernationale Gesellschaftsform im europäischen Gemeinschaftsgebiet. Weil die SE in vielen Punkten der Aktiengesellschaft gleicht, bezeichnet man sie in Deutschland oft auch als „Europa-AG".
Hintergrund für die SE war das Bemühen der europäischen Länder, eine gemeinsame Gesellschaftsform zu entwickeln, die grenzüberschreitend in allen Ländern der EU niedergelassen sein kann und eine einheitliche Struktur und Funktionsweise hat. Sie sollte vor allem unabhängiger von den jeweils unterschiedlichen nationalen Rechtsordnungen sein.
Die Verhandlungen zum Statut der SE waren langwierig und mit Hürden gesät. Sie dauerten fast 30 Jahre bis zur Verabschiedung der entsprechenden EG-Verordnung Nr. 2157/2001. Hauptproblem war dabei die Frage zur Mitbestimmung der Arbeitnehmer.
Wie entsteht eine Societas europaea?
Grundsätzlich lassen sich fünf Möglichkeiten zur Entstehung einer Europa-AG nennen:
Eine Möglichkeit ist die Verschmelzung von bestehenden Gesellschaften zu einer SE, wobei diese aus mindestens zwei Mitgliedsstaaten stammen müssen.
Daneben kommt die Gründung einer Holding-SE von Aktiengesellschaften oder GmbHs in Betracht, die in mindestens zwei Mitgliedsstaaten ihren Sitz haben oder seit mindestens zwei Jahren in einem anderen Mitgliedsstaat eine Tochtergesellschaft oder Zweigstelle haben.
Eine nationale Aktiengesellschaft kann durch Umwandlung zur Europa-AG werden, wenn sie seit mindestens zwei Jahren eine Tochtergesellschaft in einem anderen Mitgliedsstaat hat.
Die Gründung einer gemeinsamen Tochtergesellschaft in Form der SE ist möglich, wenn die Muttergesellschaften ihren Sitz in verschiedenen Mitgliedsstaaten oder seit mindestens zwei Jahren eine Tochtergesellschaft oder Zweigniederlassung in einem anderen Mitgliedsstaat haben.
Schließlich kann eine bereits bestehenden Europa-AG eine Tochter-Europa-AG ausgründen.
Struktur der SE und rechtliche Grundlagen
Der deutschen Aktiengesellschaft vergleichbar, ist die SE eine Kapitalgesellschaft, deren Kapital in Aktien aufgeteilt ist. Das gezeichnete Kapital muss mindesten 120.000 Euro betragen. Hauptorgan der SE ist gleichsam die Hauptversammlung, die sich aus den Aktionären der SE zusammensetzt. Daneben kann sie sich hinsichtlich der Führung der Gesellschaft zwischen einem sogenannten monistischen und dem dualistischen System entscheiden. Das dualistische entspricht dem deutschen System aus Vorstand und Aufsichtsrat. Das monistische gleicht dem angloamerikanischen Prinzip des „Board"-Systems und kennt nur einen einheitlichen Verwaltungsrat, der sich aus exekutiven und nicht-exekutiven Direktoren zusammensetzt (insgesamt mindestens 3 Direktoren).
Rechtsgrundlage für die Entstehung der Europa-AG ist die EG-Verordnung Nr. 2157/2001, die durch das bundesdeutsche Ausführungsgesetz (SEAG) in nationales Recht umgesetzt wurde. Seit dem 08.10.2004 steht damit die Europa-AG als Rechtsform in allen EU-Mitgliedsstaaten zur Verfügung.
Besonderheiten der Europa-AG
Die Europa-AG kann, anders als die nationale AG, nicht durch eine natürliche Person (etwa die Ein-Mann-AG) sondern nur durch juristische Personen gegründet werden. Für GmbHs gilt als Einschränkung, dass sie nicht direkt in eine Europa-AG umgewandelt werden können; sie müssen den aufwändigen Weg über die vorherige Umwandlung in eine normale AG gehen.
Die Hauptversammlung hat im wesentlichen dieselben Aufgaben wie die Hauptversammlung einer nationalen Aktiengesellschaft. Anders als diese tritt sie aber nicht nur einmal sondern zweimal im Jahr zusammen (Art. 45 VO) und kann darüber hinaus jederzeit von der Gesellschaftsleitung (Art. 54 VO) oder von Aktionären mit mindestens 5 % Kapitalbeteiligung einberufen werden (§ 50 SEAG).
Für den deutschen Rechtsraum neu ist auch die Möglichkeit, sich für das monistische Führungsprinzip mit nur einem Verwaltungsgremium aus Direktoren zu entscheiden.
Registriert wird die Europa-AG bei Gründung und Löschung im jeweiligen nationalen Register am Firmensitz (Deutschland: Handelsregister), die Eintragung wird zusätzlich im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht.
Sie muss ihrem Firmennamen den Zusatz „SE" voran- oder nachstellen.
Arbeitnehmer-Mitbestimmung in der SE
Nicht zuletzt sei vor allem auf die Mitbestimmungsrechte in einer Europa-AG hingewiesen. Sie waren das größte Hindernis auf dem Weg zur Einführung der Europa-AG. Mitgliedsstaaten mit weitreichenden Mitbestimmungsrechten für Arbeitnehmer wollten auch im Rahmen einer SE nicht auf diese verzichten. Schließlich wurde zur Sicherung der Mitbestimmungsrechte die Richtlinie 2001/86 als Ergänzung zur EG-Verordnung erlassen. Das deutsche Ausführungsgesetz regelt die Mitbestimmungsrechte in einer SE ausführlich in §§ 1-44 des Art. 2 SEAG, im Wesentlichen gilt dabei folgendes:
Gab es in keiner, bei Gründung einer SE beteiligten Gesellschaften Mitbestimmungsrechte, so muss auch die SE keine Mitbestimmungsrechte einführen.
Galten Mitbestimmungsrechte in nur einer der Gesellschaften, so sind diese Rechte auch innerhalb der SE zu berücksichtigen. In diesem Fall bedarf es einer Vereinbarung über die Beteiligung der Arbeitnehmer gemäß Art. 4 der Richtlinie 2001/86, die zudem Voraussetzung für die Eintragung ist. Falls nicht innerhalb einer Frist von sechs Monaten diese Vereinbarung zustande kommt, stellt die gesetzliche Regelung des Art. 7 der Richtlinie die Arbeitnehmerbestimmung sicher.
Vorteile einer SE
Echte Vorteile bietet die SE nur für grenzüberschreitend tätige Unternehmen. Dazu gehört die unkomplizierte Sitzverlegung in einen anderen Mitgliedsstaat, ohne dass sie aufgelöst und neu gegründet werden muss. Sitzverlegung kann bei der Wahl der günstigsten Rechtsordnung der Mitgliedsstaaten interessant sein.
Im Rahmen von Verschmelzungen bietet sie die derzeit einzige grenzüberschreitende Möglichkeit, bis in einigen Jahren die geplante Fusionsrichtlinie für Kapitalgesellschaften verabschiedet wird.
Daneben kann dank des neuen monistischen Systems ein Konzern grenzüberschreitend einheitlich und kostensparend verwaltet werden.
Mittels Zweigniederlassungen kann eine SE sich die veraltungsaufwändige und kostenintensive Gründung von Tochtergesellschaften in anderen Mitgliedsstaaten sparen.
Was dennoch zu bedenken ist
Eine nicht unwesentliche Hürde, gerade für kleine und mittelständische Unternehmen, die ursprünglich von der SE profitieren sollten, kann das hohe Grundkapital von 120.000 Euro sein; für GmbH zudem der kostenintensive Zwischenschritt über Gründung einer nationalen AG. Die noch „unbekannte" Gesellschaftsform SE mag im geschäftlichen Umfeld eventuell auch Skepsis auslösen und die Rückwandlung in eine AG ist erst nach zwei Jahren wieder möglich.
Wer hofft, durch die SE den strengen nationalen Rechtsvorschriften zu entkommen, wird ebenfalls enttäuscht, weil etwa die Arbeitnehmermitbestimmung nicht zu unterlaufen ist. Auch steuerlich bietet die SE ohne Sitzverlegung keinen Anreiz, da sie dem jeweils nationalen Steuerrecht unterfällt.
(MIC)
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