Fachanwalt für Arbeitsrecht: Fristlose Kündigung aufgrund sexuellen Übergriffs gerechtfertigt

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So entschied das Landesarbeitsgericht Köln aufgrund einer umfassenden Beweisaufnahme, die nach Ansicht des Gerichts die Vorwürfe der betroffenen Mitarbeiterin bestätigte.

Ausgangsfall

Der Kläger war 16 Jahre lang als Arbeitnehmer bei der Beklagten, die ein Holzverarbeitungsunternehmen betreibt, angestellt. Bei diesem war ebenfalls die Zeugin beschäftigt, welche gegen den Kläger den Vorwurf eines sexuellen Übergriffs erhob. Aufgrund dieses Vorfalls, sprach die Beklagte als Arbeitgeberin eine fristlose Kündigung aus. Gegen diese wehrte sich der Kläger sowohl in der ersten, als auch in der zweiten Instanz - vergeblich.

Vorfall der sexuellen Belästigung aufgrund der Beweisaufnahme bestätigt

Bereits das Arbeitsgericht Siegburg hatte eine umfassende Beweisaufnahme durchgeführt, welche die Schilderungen der Zeugin bestätigten. Sie gab an, dass der Kläger zunächst ihr und anschließend sich selbst mit einer Hand in den Schritt gefasst habe und äußerte „Oh, da tut sich ja was“.

Eine sexuelle Belästigung ist anzunehmen, soweit ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu sowohl sexuell bestimmte körperliche Berührungen, als auch Bemerkungen gehören, bezweckt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird.

Die Zeugin machte glaubhaft, dass der Kläger bereits im Vorfeld regelmäßig ihre Nähe gesucht und dabei den persönlichen Abstand nicht eingehalten habe. Sie habe ihn dabei unmissverständlich aufgefordert, diese Annäherungsversuche zu unterlassen. Auch den hier erheblichen Vorwurf schilderte sie schlüssig und widerspruchsfrei. Die Handlung des Klägers habe Ekel, Scham und Angstgefühle hervorgerufen und seit der Tat habe sie mit Magenschmerzen zu kämpfen.

Die Zeugin erstattete anschließend Strafanzeige, woraufhin der bislang nicht vorbestrafte Kläger wegen sexueller Belästigung verurteilt wurde. Die strafrechtliche Bewertung hat für den Prozess des Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber nur mittelbare Auswirkungen und ist für die kündigungsrechtliche Beurteilung nicht maßgebend. Entscheidend ist allein der Verstoß gegen Pflichten aus dem Arbeitsvertrag.

Sexuelle Belästigungshandlung als wichtiger Grund einer Kündigung

Nach Ansicht des Gerichts sei in dem Übergriff des Klägers eine erhebliche Pflichtverletzung zu erkennen, die eine außerordentliche Kündigung rechtfertige. Für die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung muss ein wichtiger Grund gegeben sein, der zusätzlich die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmenden unzumutbar macht. In der sexuellen Belästigung einer Mitarbeiterin liege ohne Zweifel ein wichtiger Grund.

Unerwünschtheit der Handlung muss nicht verdeutlicht werden

Für die ablehnende Einstellung zu den Berührungen und dem Verhalten des Beklagten komme es zudem auch nicht auf eine aktive Verdeutlichung an. Es habe ausgereicht, dass die Unerwünschtheit der Handlung für den Kläger objektiv erkennbar war. Da sich der Vorfalls im Arbeitsumfeld ereignete, sei allein dieser Umstand ausreichend um die objektive Unerwünschtheit zu begründen.

Berechtigung zur Kündigung richtet sich nach Umfang und Intensität

Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumutbar ist, ist im Rahmen einer Gesamtabwägung zu beurteilen. Wesentlich zu berücksichtigen sind regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Länge des Arbeitsverhältnisses.

Angesichts der Schwere der festgestellten Pflichtverletzung eines sexuellen Übergriffs, der sogar einen Straftatbestand verwirklicht, sei die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile der Beklagten nicht zuzumuten gewesen.  

Kläger bestreitet jegliche Vorwürfe

Bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung bestritt der Kläger die geschilderten Vorfälle und rügte die Würdigung der Beweisaufnahme. Die Aussagen der Zeuginnen seien widersprüchlich gewesen und auch die Übermittlung der Information an den Arbeitgeber sei erst nach drei Monaten erfolgt, was gegen die Aussage der Zeugin spreche. Nach Ansicht des Berufungsgerichts seien keine Anhaltspunkte für eine etwaige uneidliche Falschaussage der Zeugin zu erkennen und an der Richtigkeit der Bekundungen bestehe kein Zweifel. Auch das Abwarten einer gewissen Verarbeitungszeit spreche der Aussage den Wahrheitsgehalt nicht ab.  

Hinnahme des Verhaltens ausgeschlossen

Der Kläger habe aufgrund des Umstandes, dass er die Zeugin in ihrem absolut geschützten Intimbereich berührte nicht ernsthaft damit rechnen können, die Beklagte werde sein Verhalten tolerieren. Zudem ist die Beklagte als Arbeitgeberin dazu verpflichtet, ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen vor sexuellen Belästigungen wirksam zu schützen. Wie das Berufungsgericht zutreffend und abschließend ausführt, musste der Kläger „zur Verhinderung einer möglichen Wiederholung und zum effektiven Schutz der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen fristlos gekündigt werden.“

LAG Köln, Urteil vom 19.06.2020 – 4 Sa 644/19



Rechtsanwalt Stephan Kersten

Fachanwalt für Arbeitsrecht

Foto(s): LINDEMANN Rechtsanwälte

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