Fahrtenbuchanordnung nach Geschwindigkeitsüberschreitung

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Lässt sich der Fahrer eines Fahrzeugs nach einer vorgeworfenen Geschwindigkeitsüberschreitung nicht feststellen, wird in der Regel das Führen eines Fahrtenbuchs durch die Behörde angeordnet.

Bestreitet der Halter die Fahrereigenschaft in der Hauptverhandlung im Bußgeldverfahren, wird zunächst - sofern ein brauchbares Lichtbild vorliegt und die Einlassung nicht offensichtlich zutreffend ist - ein anthroposophisches Gutachten angeordnet. Erbringt dieses nicht den Beweis der Fahrereigenschaft, ist diese in aller Regel auch mit anderen Beweismitteln nicht zu führen.

Das Bundesverwaltungsgericht hat nun am 02.02.23 eine neue Entscheidung zum Thema Fahrtenbuch veröffentlicht  (BVerwG 3 C 14.21 - Urteil vom 02. Februar 2023):

Danach kann sich der Adressat einer Fahrtenbuchanordnung nicht mit der Begründung gegen die Verwertbarkeit der Geschwindigkeitsmessung mit einem standardisierten Messverfahren berufen, dass ihm teilweise der Zugang zu Rohmessdaten verwehrt war, wenn er nicht seinerseits alles ihm Zumutbare unternommen hat, um diesen Zugang zu erhalten. 

In Bußgeldverfahren, auch Verkehrsordnungswidrigkeitenverfahren genannt, tritt die Problematik des Zugangs zu Rohmessdaten häufig auf. Ohne Kenntnis dieser Daten ist es oft nicht möglich, detaillierte Einwendungen gegen die Richtigkeit der Messung zu erheben. 

Der Antrag auf Herausgabe von Rohmessdaten wird gerne (zunächst) abgelehnt.

Hier hatte der Kläger nicht alles ihm Zumutbare getan, um an die gewünschten Daten zu gelangen. Die Bußgeldstelle hat ihm u. a. die seinen PKW betreffenden Rohmessdaten zur Verfügung gestellt, nicht aber - wie beantragt - zusätzlich die Rohmessdaten der gesamten Messreihe, also nicht auch die Daten zu anderen
Verkehrsteilnehmern und die Statistikdatei. Rechtliche Schritte, um den behaupteten umfassenden Zugangsanspruch gegenüber der Bußgeldstelle durchzusetzen, hat er nicht unternommen.

Im Streitfall war gegen den Kläger die Anordnung ergangen, ein Fahrtenbuch zu führen.  Ein Fahrzeug, dessen Halter er war, war mit einem mobilen Lasermessgerät des Typs VITRONIC Poliscan FM 1 gemessen worden. Ihm wurde vorgeworfen,  die  zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h
um 41 km/h (nach Toleranzabzug) überschritten  zu haben. Der Fahrer des Fahrzeugs konnte nicht festgestellt werden. Daraufhin gab der Beklagte dem Kläger unter Anordnung des Sofort- vollzugs auf, für die Dauer von sechs Monaten ein Fahrtenbuch zu führen. Der Kläger kam der Anordnung nach.

Die Vorinstanz, das Oberverwaltungs-gericht des Saarlandes, hatte festgestellt, dass das Messgerät die Rohmessdaten gespeichert hatte. Der Kläger hat daraufhin geltend gemacht, diese Daten würden ihm von der Bußgeldstelle nicht vollständig zur Verfügung gestellt, obwohl das für eine effektive Rechtsverfolgung erforderlich sei. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. 

Behörden und Gerichte dürften auch bei der Entscheidung über eine
Fahrtenbuchanordnung die Ergebnisse standardisierter Messverfahren zugrunde legen, solange der Betroffene keine substanziierten Einwände gegen die Richtigkeit der Messung erhebe. Um dem
Betroffenen die Möglichkeit zu geben, deren Richtigkeit zu überprüfen, gebiete das Recht auf ein faires Verfahren, ihm Zugang zu Rohmessdaten zu gewähren. 

Nach der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts müsse der Betroffene diesen Zugang aber rechtzeitig beantragt haben. Das sei hier nicht geschehen. Der Kläger habe seinen Antrag auf Zugang bei der Bußgeldstelle erst gestellt, als die Geltungsdauer der Fahrtenbuch-anordnung bereits abgelaufen gewesen sei.


Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Nach § 31a der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) setze eine Fahrtenbuchanordnung u.a. eine
Zuwiderhandlung gegen Verkehrs- vorschriften voraus. 

Mit seinem Einwand, die Geschwindigkeitsmessung sei nicht verwertbar, da ihm nicht auch die Rohmessdaten Dritter zur Überprüfung der Messung zur Verfügung gestellt worden seien, hatte der Kläger keinen Erfolg. Allerdings stand die Annahme des
Berufungsgerichts, der Betroffene müsse den Zugang zu solchen Daten vor Ablauf der Geltungsdauer der Fahrtenbuchanordnung beantragt haben, nicht im Einklang mit Bundesrecht. Eine solche zeitliche
Grenze lässt sich den maßgeblichen bundesrechtlichen Regelungen nicht entnehmen. 

Doch stellte sich das Berufungsurteil aus anderen Gründen als richtig dar. Konkrete Anhaltspunkte für einen Messfehler hatte der Kläger nicht - wie erforderlich - aufgezeigt. Ist bei einer Geschwindigkeitsmessung ein standardisiertes Messverfahren zum Einsatz gekommen, folgt aus dem Recht
auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 i.V.m Art. 20 Abs. 3 GG) zwar im Grundsatz ein Anspruch auch des von einer Fahrtenbuchanordnung Betroffenen auf Zugang zu bei der Bußgeldstelle vorhandenen Daten. Es obliegt jedoch ihm, alle zumutbaren Schritte zu unternehmen, um seinen
Zugangsanspruch geltend zu machen und durchzusetzen. Nur wenn er das getan hat, kann es ein Gebot des fairen Verfahrens sein, ihm nicht die Möglichkeit zu nehmen, auf der Grundlage der begehrten
Informationen konkrete Anhaltspunkte für einen Messfehler vorzutragen.

Foto(s): pexels.com/niceyguys

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