Filesharing: Haften Eltern für ihre Kinder?

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Abmahnende Kanzlei zitieren derzeit bevorzugt drei Urteile des Bundesgerichtshofs aus dem Monat Juni 2015 (Tauschbörse I – III). Dabei werden Leitsätze und Textpassagen zitiert, die häufig aus dem Zusammenhang gerissen sind oder schlichtweg den zugrunde liegenden Sachverhalt nicht erkennen lassen. Es entsteht der Eindruck, abgemahnte Anschlussinhaber hätten nunmehr nach den vorgenannten Urteilen keinerlei Chance mehr, sich gegen eine Filesharing-Abmahnung zur Wehr zu setzen. Dies ist jedoch bei genauer Betrachtung der Urteile und Sachverhalte unzutreffend.

Mit Urteil vom 11.06.2015 (Az. I ZR 7/14-Tauschbörse II) hat der BGH beispielsweise erneut Stellung dazu genommen, wann Eltern für Filesharing ihrer minderjährigen Kinder haften. Auf den Internetpräsenzen abmahnender Kanzleien lesen sich die Kommentierungen zu dem Urteil nun, als würden Eltern für die Rechtsverletzung ihrer minderjährigen Kinder generell aus Aufsichtspflichtverletzung haften, weil die Anschlussinhaberin in dem konkret vor dem BGH verhandelten Verfahren tatsächlich unterlag. Vorenthalten wird dem Leser allerdings, dass der BGH zugunsten von Eltern eine anlasslose Überwachungspflicht von minderjährigen Kindern erneut ausdrücklich verneint und die Anschlussinhaberin hier lediglich haftete, weil sie eine ausreichende Belehrung der minderjährigen Tochter in den Vorinstanzen nicht nachweisen konnte.

Ausgangssituation des Urteils war zunächst, dass die damals vierzehnjährige Tochter der Anschlussinhaberin im Rahmen einer polizeilichen Vernehmung die Rechtsverletzung zugegeben hatte. Sie hatte gegenüber Polizeibeamten eingeräumt, Filesharing betrieben zu haben und geäußert, dass sie keinerlei Kenntnis von der Rechtswidrigkeit gehabt hatte. Sie hatte weiter erklärt, dass ihr Bruder ihr den Umgang mit Computern gezeigt hätte. Im Rahmen der Zeugenvernahme vor Gericht hatte sie schließlich bekundet, dass ihre Mutter generell Regeln zu „ordentlichem Verhalten“ aufgestellt hätte. Sie teilte jedoch weiter mit, dass sie sich nicht mehr daran erinnern könnte, ob sie sich vor der Internetnutzung überhaupt jemals mit ihrer Mutter über das Internet unterhalten hatte.

Das Berufungsgericht bejahte die Aufsichtspflichtverletzung aufgrund dieser Aussage. Es begründete die Aufsichtspflichtverletzung damit, dass bereits nach Aussage der Tochter nicht von einer hinreichenden Belehrung der Mutter auszugehen gewesen sei. Das Gericht sah es aus diesem Grund nicht als erwiesen an, dass die Tochter über die Rechtswidrigkeit der Teilnahme an einer Tauschbörse ausreichend belehrt worden war.

Im Rahmen der Revision führt der Bundesgerichthof nunmehr wörtlich zur Aufsichtspflicht von Eltern aus:

„Eltern sind verpflichtet, die Internetnutzung ihres minderjährigen Kindes zu beaufsichtigen, um eine Schädigung Dritter durch eine Urheberrechte verletzende Teilnahme des Kindes an Tauschbörsen zu verhindern. Allerdings genügen Eltern ihrer Aufsichtspflicht über ein normal entwickeltes Kind, das ihre grundlegenden Gebote und Verbote befolgt, regelmäßig bereits dadurch, dass sie das Kind über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Internettauschbörsen belehren und ihm eine Teilnahme daran verbieten. Eine Verpflichtung der Eltern, die Nutzung des Internets durch das Kind zu überwachen, den Computer des Kindes zu überprüfen, oder dem Kind den Zugang zum Internet (teilweise) zu versperren, besteht grundsätzlich nicht. Zu derartigen Maßnahmen sind Eltern erst verpflichtet, wenn sie konkrete Anhaltspunkte dafür haben, dass das Kind dem Verbot zuwiderhandelt (BGH, Urteil vom 15. November 2012 –ZR I 74/12, GRUR 2013, 511 Rn. 24 = WRP 2013, 799- Morpheus).“

Fazit:

Eltern müssen ihre Kinder vor der Internetnutzung lediglich darüber belehren, dass die Nutzung von Tauschbörsen oder die Teilnahme an Tauschbörsen rechtswidrig ist. Eine anlasslose Überwachungspflicht, also die Pflicht, den Computer des minderjährigen Kindes zu überprüfen, Schutzsoftware zu installieren, den Zugang zum Internet zu sperren oder die Nutzung des Internets zu überwachen, besteht nach Auffassung des Bundesgerichtshofs gerade nicht.

Quelle:

BGH, Urteil vom 11.06.2015 (Az. I ZR 7/14)

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