Fotografieren einer bekleideten Person im Vorraum der Toilette ist nicht strafbar - LG Stuttgart vom 13.02.2023

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Jeder Mensch hat das natürliche Bedürfnis, nicht überall ungefragt fotografiert zu werden.

Das unberechtigte Fotografieren anderer Personen kann strafbar sein. § 201a StGB regelt die Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs und von Persönlichkeitsrechten durch Bildaufnahmen. Demzufolge ist eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder eine Geldstrafe möglich, wer von einer anderen Person, die sich in einer Wohnung oder einem gegen Einblick besonders geschützten Raum befindet, unbefugt eine Bildaufnahme herstellt oder überträgt und dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt.

Das Amtsgericht Stuttgart hat auf den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Erlaß eines Strafbefehls festgestellt, dass ein Vorraum einer Toilette kein „gegen Einblick besonders geschützter Raum“ i.S.v. § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB sei. Hiergegen erhob die Staatsanwaltschaft Stuttgart Beschwerde.

Das Landgericht Stuttgart hat mit  Beschluss vom 13.02.2023 (Az: 5 Qs 8/23) die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Stuttgart wegen Nichteröffnung des Verfahrens durch das Amtsgericht Stuttgart bestätigt. Der Angeschuldigte ist nach den Feststellungen  der Staatsanwaltschaft unberechtigt in die Damentoilette im Einkaufszentrum M. in B. gegangen und hatte dort eine 15-jährige Jugendliche  ohne Erlaubnis mit seinem Handy fotografiert, nachdem diese sich im Vorraum der Damentoilette gerade die Hände gewaschen hatte.

Das Fotografieren einer vollständig bekleideten Frau im Vorraum einer öffentlichen Damentoilette verletzt nach den gerichtlichen Beschlüssen den höchstpersönlichen Lebensbereich der Abgebildeten nicht und ist deshalb nicht nach § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar.

Der Autor Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht Christian Steffgen ist seit 30 Jahren im Strafrecht spezialisiert.

Nach der Begründung des § 201a StGB (Bundestagsdrucksache 15/2466, S. 5) kann sich der Begriff des höchstpersönlichen Lebensbereichs an der zivilrechtlichen Rechtsprechung zum Begriff der Intimsphäre orientieren. Die Intimsphäre umfasst den Kernbereich der höchstpersönlichen Lebensgestaltung und ist somit der letzte unantastbare Bereich menschlicher Freiheit (BVerfGE 32, 373, Rn. 22f). Hierunter fallen beispielsweise im Gegensatz zum Vorraum Aufnahmen aus dem Toilettenraum.


Foto(s): Fotolia_36914210_S.jpg

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