Gewerbemietverträge – Miete reduzieren wenn der Umsatz sinkt

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Ja, sagt der Bundesgerichtshof (BGH), dass ist möglich, wenn bestimmte Voraussetzungen vorliegen.

In seinem Urteil vom 12. Januar 2022 (Az.: XII ZR 8/21) hat der BGH sich mit dieser Frage befasst, ob Gewerbemieter während eines angeordneten Lockdowns zur vollständigen Zahlung der Miete verpflichtet sind.

Zum Fall:

Die Mieterin, eine Firma für Textil-Discount, die bundesweit Filialen betreibt, hatte vom Vermieter Räumlichkeiten zum Betrieb eines Einzelhandelsgeschäfts gemietet

Aufgrund des sich verbreitenden SARS-CoV-2-Virus erließ die Behörde am 18. und am 20.03.2020 zwei Allgemeinverfügungen, aufgrund derer die Mieterin ihr Handelsgeschäft im Mietobjekt vom 19.3. bis 19.4.2020 gänzlich schließen musste. Infolgedessen zahlte die Mieterin für diesen Monat keine Miete. Dies begründete sie damit, dass ihr Nettoumsatz stark gesunken sei. Daraufhin verklagte die Vermieterin die Mieterin auf Zahlung.

Verfahren vor dem Landgericht 

Der Fall landete zunächst vor dem Landgericht. Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung der gänzlichen Miete in Höhe von 7.854,00 € für den Monat April verurteilt (Landgericht Chemnitz, Urt. v. 26.08.2020 - 4 O 639/20).

Hierzu führt das Landgericht aus, dass kein Recht auf Mietminderung nach § 536 BGB bestehe. Auch sei die Gebrauchsüberlassung nicht nach § 275 BGB unmöglich geworden. Die behördlichen Maßnahmen fallen in den Risikobereich des Mieters, die Nutzung des Objektes sei weiter möglich. Der Mieter müsse bezahlen.

Hiermit war die Mieterin nun aber ganz und gar nicht einverstanden, da sie -berechtigterweise- argumentierte, dass der Umsatzrückgang nicht von ihr verschuldet worden sei und zog vor die nächste Instanz.

Verfahren vor dem Oberlandesgericht 

Zuständig war in diesem Fall das Oberlandesgericht Dresden. Hier sahen die Richter*innen den Fall schon etwas anders und urteilten, dass die Mieterin lediglich die Hälfte der Monatsmiete zu zahlen hätte. (OLG Dresden, Urt. v. 24.02.2021 - 5 U 1782/20).

Auch mit diesem Urteil waren nun weder die Mieterin noch der Vermieter einverstanden und beantragten eine Revision des Urteils vor dem Bundesgerichtshof.

Verfahren vor dem Bundesgerichtshof

Auf die Revision der Klägerin, die nach wie vor die volle Miete verlangte, und der Beklagten, die ihren Klagabweisungsantrag weiterverfolgte, hat der BGH das Urteil des Oberlandesgerichtes aufgehoben und die Sache an das Gericht zurückgewiesen.

Wesentliche Entscheidungsgründe:

Grundsätzlich hat der BGH bestätigt, sollten sich aufgrund von gesetzgeberischen Maßnahmen während eines laufenden Mietverhältnisses Beeinträchtigungen des vertragsmäßigen Gebrauchs eines gewerblichen Mietobjekts ergeben, kann dies einen Mangel i.S.v. § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB begründen. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die durch die gesetzgeberische Maßnahme bewirkte Gebrauchsbeschränkung unmittelbar mit der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage des Mietobjekts in Zusammenhang steht.

Dann kommt der BGH aber erst einmal zu dem Schluss, dass die hier vorliegende Schließung des Geschäftes nicht die Voraussetzungen erfüllt, um von einem Mangel der Mietsache zu sprechen, die den Mieter ohne Probleme zu einer Minderung die Miete berechtigt hätte. Der BGH sagt, die Untersagung hatte seinen alleinigen Grund in der Tatsache, dass Publikumsverkehr unterbunden werden sollte, da dieser die Gefahr einer verstärkten Verbreitung des SARS-CoV-2-Virus begünstigt, der aus Gründen des Infektionsschutzes untersagt werden sollte. Deshalb ist die Betriebsschließung kein Mangel der Mietsache.

Jetzt wäre die Sache eigentlich für den Mieter schlecht zu Ende gegangen. Aber der BGH erkannte, dass hier eine grundsätzliche Entscheidung notwendig war und kam aufgrund des Wegfalls der Geschäftsgrundlage zu einem Ergebnis, dass für viele Gewerbetreibende aber auch für die Vermieter eine vernünftige wirtschaftliche Basis sein kann.

Wegfall der Geschäftsgrundlage

Mit diesem rechtlichen Fundament baute der BGH ein Rechtsgebäude, das es ermöglicht im Fall einer Geschäftsschließung wegen einer hoheitlichen Maßnahme, eine Anpassung der Miete wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB zu fordern und durchzusetzen.

Dafür, dass bei einer angeordneten Betriebsschließung die tatsächliche Voraussetzung des § 313 Abs. 1 Satz 1 BGB erfüllt ist, spricht auch die zum 31.12.2020 in Kraft getretene Vorschrift des Art. 240 § 7 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB.)

Danach wird vermutet, dass sich ein Umstand im Sinne des § 313 Abs. 1 BGB, der zur Grundlage des Mietvertrags geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat, wenn vermietete Grundstücke oder vermietete Räume, die keine Wohnräume sind, infolge staatlicher Maßnahmen für den Betrieb des Mieters nicht oder nur mit erheblicher Einschränkung verwendbar sind.

Keine Hundertprozentige Rechtssicherheit

Aber Vorsicht, Obacht ist geboten! Allein anzunehmen, dass hier ein Wegfall der Geschäftsgrundlage vorliegt, berechtigt jedoch noch nicht zu einer Vertragsanpassung, so der BHG.

Weitere Voraussetzungen

Vielmehr verlangt die Vorschrift als zwingende Voraussetzung, dass dem betroffenen Vertragspartner unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Beruht die enttäuschte Gewinnerwartung des Mieters, wie im vorliegenden Fall, „auf einer hoheitlichen Maßnahme“, geht dies über das gewöhnliche Verwendungsrisiko des Mieters hinaus. Denn die entstandenen wirtschaftlichen Nachteile beruhen  nicht auf einer unternehmerischen Entscheidung.

Umfassende Zumutbarkeitsabwägung

Ob dem Mieter ein Festhalten an dem unveränderten Vertrag unzumutbar ist, bedarf einer umfassenden Abwägung, bei der sämtliche Umstände von dem Mieter vorzutragen und von dem zuständigen Gericht genau abzuwägen und zu prüfen sind. Das Gericht hat also eine Interessenabwägung vorzunehmen, nicht nur das Interesse des Mieters muss entsprechend gewichtet werden auch das Interesse des Vermieters ist angemessen zu gewichten. Eine pauschale Betrachtungsweise ist unzulässig.

Es muss geschaut werden, welche Maßnahmen der Mieter ergriffen hat oder ergreifen konnte, um die drohenden Verluste während der Geschäftsschließung zu vermindern. Dabei sind auch die finanziellen Vorteile zu berücksichtigen, die der Mieter aus staatlichen Leistungen zum Ausgleich der pandemiebedingten Nachteile erlangt hat, ebenso wie Leistungen einer einstandspflichtigen Betriebsversicherung.

Mit diesen „Hausaufgaben“ hat der Bundesgerichtshof den Fall an das Oberlandesgericht zurückgegeben, das nun zu prüfen hat, welche konkreten wirtschaftlichen Auswirkungen die Geschäftsschließung in dem streitgegenständlichen Zeitraum für die Mieterin hatte und ob diese Nachteile so hoch waren, das eine Anpassung des Mietvertrags auf der Basis des Wegfalls der Geschäftsgrundlage notwendig ist.



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