Haftungsrisiko: Betriebsratsbegünstigung, wenn Arbeitgeber generell Betriebsratsarbeit im Home-Office zulässt

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Großes Streitthema in den Unternehmen Deutschlands. Betriebsräte, die freigestellt sind, wollen grundsätzlich ihre Betriebsratsarbeit im Home-Office und eben nicht im Betrieb leisten. Das steht jedoch im Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung.  

Trotz Betriebsrätemodernisierungsgesetz (Gesetz zur Förderung der Betriebsratswahlen und der Betriebsratsarbeit in einer digitalen Arbeitswelt (Betriebsrätemodernisierungsgesetz – BetrModG) v. 14.6.2021, BGBl. 2021 I 32) gilt auch weiterhin gemäß ständiger Rechtsprechung folgendes:

Betriebsratsarbeit ist grundsätzlich im Betrieb zu leisten – und nicht im Home-Office

Dazu das Bundesarbeitsgericht, Beschl. v. 24.2.2016 – 7 ABR 20/14 (LAG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 30.1.2014 – 18 TaBV 1052/13):

„Nach § 38 I BetrVG ist ein Betriebsratsmitglied nur von seiner beruflichen Tätigkeit freigestellt, nicht aber von seiner Anwesenheitspflicht im Betrieb. An die Stelle der Arbeitspflicht tritt die Verpflichtung des Betriebsratsmitglieds, während seiner vertraglichen Arbeitszeit im Betrieb am Sitz des Betriebsrats, dem er angehört, anwesend zu sein und sich dort für anfallende Betriebsratsarbeit bereitzuhalten. Dies ist gesetzliche Rechtsfolge der Freistellung (BAG, NZA 2013, 1221 Rn. 20; NZA 2007, 1301 Rn. 14; BAGE 68, 224 = NZA 1992, 72 [zu B II 3 a]; BAG, NZA 1990, 313 [zu 3]).“

Freigestellte Betriebsratsmitglieder sind grundsätzlich verpflichtet während der vertraglichen Arbeitszeit im Betrieb ihre Betriebsratsarbeit zu leisten

Klarstellung des Bundesarbeitsgerichts mit Datum vom 24.2.2016 – 7 ABR 20/14:

„Ein nach § 38 I BetrVG von seiner beruflichen Tätigkeit freigestelltes Betriebsratsmitglied ist verpflichtet, während seiner vertraglichen Arbeitszeit im Betrieb anwesend zu sein und sich dort für anfallende Betriebsratsarbeit bereitzuhalten.

Verlässt das freigestellte Betriebsratsmitglied zur Wahrnehmung erforderlicher Betriebsratsaufgaben den Betrieb, ist es verpflichtet, sich beim Arbeitgeber unter Angabe der voraussichtlichen Dauer der Abwesenheit abzumelden und bei der Rückkehr in den Betrieb wieder zurückzumelden. Das Betriebsratsmitglied ist jedoch nicht verpflichtet, den Arbeitgeber beim Verlassen des Betriebs über den Ort der beabsichtigten Betriebsratstätigkeit zu informieren.“

Damit gilt: Ein freigestelltes Betriebsratsmitglied hat grundsätzlich seine Betriebsratsarbeit im Betrieb zu leisten. Zwar ist ausnahmsweise Betriebsratsarbeit außerhalb des Betriebes möglich, aber auch nur dann, wenn die Betriebsratsarbeit „erforderlich“ im Sinne der Vorschrift des § 37 Abs. 2 BGB ist. Hinzu kommt folgendes: Sofern das freigestellte Betriebsratsmitglied ausnahmsweise seine Betriebsratsarbeit außerhalt des Betriebes leistet, unterliegt auch das freigestellte Betriebsratsmitglied einer Ab- und Rückmeldepflicht gegenüber seinem Arbeitgeber.

Ab- und Rückmeldepflicht für freigestellte Betriebsratsmitglieder, wenn Betriebsratsarbeit außerhalb des Betriebes geleistet werden soll

Herausstellend: Bundesarbeitsgericht vom 24.2.2016 – 7 ABR 20/14:

„Das Gesetz geht dabei davon aus, dass bei einer bestimmten Betriebsgröße die in § 38 I BetrVG festgelegte Mindestzahl von Freistellungen erforderlich ist, damit die Betriebsratstätigkeit ordnungsgemäß durchgeführt werden kann (BAG, NZA 2013, 1221 Rn. 19). Dieser Zweck entbindet das Betriebsratsmitglied aber nicht von der vertraglichen Nebenpflicht nach § 241 II BGB sowie der Pflicht aus § 2 I BetrVG zur Ab- und Rückmeldung, wenn es außerhalb des Betriebs erforderlichen Betriebsratsaufgaben nachgeht. Denn insoweit können entgegen der Auffassung des LAG auch bei einem freigestellten Betriebsratsmitglied Interessen des Arbeitgebers berührt sein. Der Arbeitgeber hat ein berechtigtes Interesse daran zu erfahren, dass eines oder mehrere der freigestellten Betriebsratsmitglieder als Ansprechpartner für mitbestimmungspflichtige Angelegenheiten vorübergehend nicht im Betrieb zur Verfügung stehen und wie lange mit ihrer Abwesenheit voraussichtlich zu rechnen ist, um sich im Bedarfsfall an andere freigestellte, gegebenenfalls auch an nicht freigestellte Betriebsratsmitglieder wenden zu können.“

Leistungsort der Betriebsratsarbeit ist grundsätzlich der Betrieb, nicht das Home-Office

Ausnahmen von diesem Grundsatz sind möglich, aber eben nur dann, wenn die Betriebsratsarbeit, die außerhalb des Betriebes geleistet werden soll, „erforderlich“ im Sinne der Vorschrift des § 37 Abs. 2 BGB ist.

Strafrechtliches Haftungsrisiko für Arbeitgeber: Betriebsratsbegünstigung und Untreue

Wer sich als Arbeitgeber an diesen Grundsatz nicht hält, sollte seit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs mit Datum vom 10.Januar 2023, Aktenzeichen 6 StR 133/22, im Detail prüfen, ob er sich möglicherweise wegen Betriebsratsbegünstigung strafbar machen könnte. Die Schlagzeile der Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs „Freisprüche im Prozess um die Vergütung von Betriebsräten der Volkswagen AG aufgehoben“ vom 10.01.2023, Nr. 003/2023, hat für „Schockwellen“ in vielen Unternehmen Deutschlands gesorgt.

Es ist etwas eingetreten, womit grundsätzlich gesehen weder Arbeitgeber, Gewerkschaften noch Betriebsräte gerechnet haben. Betriebsratsbegünstigung kann zu einer Untreue des Arbeitgebers führen. Das sogar nunmehr Freiheitsstrafen in Betracht gezogen werden könnten, bedeutet für den Arbeitgeber, im Detail seine persönlichen strafrechtlichen Haftungsrisiken zu prüfen.

Allein vor diesem Hintergrund sind Arbeitgeber gut beraten, sorgfältig darauf zu achten, wie umfangreich freigestellte Betriebsratsmitglieder ihren Wunsch, Betriebsratsarbeit im Home-Office leisten zu wollen, in die Praxis umsetzen.

Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs beweist, dass sogar mehrjährige Freiheitsstrafen drohen könnten, wenn aus einer Betriebsratsbegünstigung der Vorwurf der Untreue entstehen könnte.

Vor diesem Hintergrund ist das bloße „Laufen lassen“ eines sichtbaren Missbrauchs ein sehr schlechter Ratgeber für Arbeitgeber. - Arbeitsrecht für Arbeitgeber - bedeutet im Besonderen auch persönliche Haftungsrisiken des Arbeitgebers zu vermeiden bzw. zu minimieren. Wenn also ein freigestelltes Betriebsratsmitglied sich über die gefestigte, ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hinwegsetzt, sollte der Arbeitgeber grundsätzlich alle rechtlichen Prüfungsmöglichkeiten analysieren. Sofern der Missbrauch durch das freigestellte Betriebsratsmitglied vorsätzlich ist, stellt sich zwangsläufig die Frage nach der Prüfung, ob eine Kündigung des Betriebsrats in Betracht gezogen werden muss. All das sind Einzelfallentscheidungen.

Empfehlenswert ist zunächst, das Gespräch mit dem freigestellten Betriebsratsmitglied zu suchen, um einvernehmliche Lösungsmöglichkeiten herauszuarbeiten.

Letztendlich muss sich der Arbeitgeber jedoch stets die neue Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes vom Urteil vom 10. Januar 2023 - 6 StR 133/22 vor Augen führen, um sich nicht selbst, beispielsweise wegen Betriebsratsbegünstigung oder sogar Untreue strafbar zu machen.

Rechtsanwalt Helmut Naujoks ist seit 25 Jahren als Anwalt für Arbeitgeber im Arbeitsrecht tätig. Bei Fragen zu diesem Thema können Sie mich jederzeit gerne zur Beratung kontaktieren.


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