Finden Sie jetzt Ihren Anwalt zu diesem Thema in der Nähe!

Hartz IV - Bedarfsgemeinschaft oder nicht?

  • 3 Minuten Lesezeit
Esther Wellhöfer anwalt.de-Redaktion

Diese Frage ist für viele Langzeitarbeitslose von existenzieller Bedeutung. Denn die Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft müssen sich in Hinblick auf das Arbeitslosengeld II (ALG II) das Einkommen anderer Mitglieder ihrer Bedarfsgemeinschaft anrechnen lassen. In einem aktuellen Beschluss hat das Hessische Landessozialgericht (LSG) weitere Kriterien für die Beweisbarkeit der Bedarfsgemeinschaft aufgestellt. Im Folgenden gibt die anwalt.de-Redaktion einen Überblick und beleuchtet die Hintergründe des aktuellen Falls.

 
Bedarfsgemeinschaft und Hilfebedürftigkeit 

Das Institut der Bedarfsgemeinschaft wurde mit der Hartz IV-Reform eingeführt. Nur wer hilfebedürftig ist, hat einen Leistungsanspruch auf ALG II. Nach dem Gesetz liegt Hilfebedürftigkeit nur vor, wenn der Langzeitarbeitslose seinen Lebensunterhalt und den der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht bzw. nicht hinreichend aus seinem Einkommen oder Vermögen decken kann. Immer wenn mehrere Personen in einem Haushalt leben, kann eine Bedarfsgemeinschaft in Frage kommen.

 
Was ist die Bedarfsgemeinschaft?  

Eine Bedarfsgemeinschaft erfasst zunächst Personen, die sich gegenseitig unterhaltsverpflichtet sind, also beispielsweise nicht dauerhaft getrennt lebende Eheleute, Eltern, Elternteile und ihre minderjährigen, ledigen Kinder.

Um auch eine uneheliche Lebensgemeinschaft, die grundsätzlich nicht zum gegenseitigen Unterhalt verpflichtet ist, als Bedarfsgemeinschaft zu qualifizieren, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein: Erstens muss eine Wohngemeinschaft bestehen, die Personen also zusammenleben. Zweitens muss zwischen ihnen eine Wirtschaftsgemeinschaft vorliegen, d.h. sie müssen sich Einnahmen und Ausgaben teilen. Als Drittes wird vorausgesetzt, dass die Personen in einer Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft miteinander verbunden sind, also füreinander auch mit dem Einkommen oder Vermögen einstehen und ihren Lebensunterhalt sichern wollen. Und schließlich muss diese Gemeinschaft auf Dauer angelegt sein und mindestens etwa ein Jahr bestehen.  

Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, liegt keine uneheliche Lebensgemeinschaft im Sinne des Sozialrechts vor. Dann darf die Agentur für Arbeit die Personen nicht in eine Bedarfsgemeinschaft einstufen.

 
Haushaltsgemeinschaft muss Antragsteller beweisen 

Zwischen Verwandten, Verschwägerten und Partnern bei denen keine der oben genannten Voraussetzungen erfüllt sind, kann eine Haushaltsgemeinschaft bestehen. Vorsicht: Die Arbeitsagentur geht automatisch von einer gegenseitigen finanziellen Unterstützung aus. Besteht aber tatsächlich keine Unterstützung und werden beispielsweise gemeinsame Einkäufe abgerechnet, so muss der Antragsteller nachweisen, dass keine Haushaltsgemeinschaft mit finanzieller Unterstützung vorliegt. In einem solchen Fall muss der Betroffene der Einordnung widersprechen. Andernfalls droht eine Leistungskürzung. Der Nachweis ist schwer zu führen und wird nur gelingen, wenn keinerlei gefestigte Bindungen bestehen, wie etwa ein gemeinsames Konto.

 
Ausgangsfall des aktuellen Beschlusses 

Um die rechtliche Bewertung eines gemeinsamen Kontos dreht sich auch der aktuelle Beschluss des LSG Hessen. Die Darmstädter Richter sahen das Vorliegen eines gemeinsamen Kontos nicht als ausreichendes Indiz für das Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft an. Hintergrund: Ein Langzeitarbeitsloser, der sich im Insolvenzverfahren befand, übertrug seiner Vermieterin mit einer Kontovollmacht die Verwaltung seiner Finanzen, weil er nach seiner Meinung nicht mit Geld umgehen könne. Er konnte mit der Bankkarte lediglich Kontoauszüge ausdrucken, die Vermieterin teilte ihm sein Einkommen zu. Die Agentur für Arbeit nahm zwischen Vermieterin und Mieter eine Bedarfsgemeinschaft an und lehnte die Leistung unter Anrechnung des Einkommens der Vermieterin ab. Der Mann klagte dagegen und hatte Erfolg. Die Sozialrichter gaben ihm Recht. Die Wohnsituation zwischen Mieter und Vermieter sei nicht mit einer Bedarfsgemeinschaft vergleichbar. Und auch die Tatsache, dass die Vermieterin ausschließlich allein über das Konto verfügen kann, spreche gegen eine Bedarfsgemeinschaft. Der Beschluss ist unanfechtbar. (Az.: L 7 AS 282/07 ER)

Weitere Informationen, z.B. wann und wie Sie einen Widerspruch einlegen, geben Ihnen auch umfassend und vertrauensvoll unsere Experten im persönlichen Gespräch, telefonisch oder in der Onlineberatung.

Mehr zum Thema ALG II können Sie unseren anderen Rechtstipps über Hartz IV entnehmen:

Viele Rechtsfragen zu Hartz IV noch unklar

Hartz IV-Teil 1: Bescheide aufmerksam prüfen

Hartz IV-Teil 2: Widerspruch bei fehlerhaften Bescheiden

(WEL)


Artikel teilen: