IDO darf nicht mehr abmahnen: Was wird aus gerichtlichen Verfahren, einer Unterlassungserklärung und Vertragsstrafen?

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Ich unterstütze seit geraumer Zeit eine Vielzahl von Betroffenen, die sich gegen Ansprüche des IDO Interessenverband für das Rechts- und Finanzconsulting deutscher Online-Unternehmen e.V. (IDO) zur Wehr setzen. Da der Verein (Stand: 01.12.2021) nicht in die Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände eingetragen ist, stellen sich viele Betroffene nunmehr die Frage, welche Rechtsfolgen dies für ihr Verfahren hat. Nachfolgend erläutere ich den Hintergrund der Problematik für die verschiedenen Fälle:

Warum stellt sich die Frage überhaupt?

Zum 01.12.2021 ist eine Änderung des Wettbewerbsrechts (UWG) in Kraft getreten. Die Gesetzesänderung ist der zweite Teil des „Gesetzes zur Stärkung des fairen Wettbewerbs“, welches im Dezember 2020 in Kraft getreten ist. Der Gesetzgeber wollte unter anderem gegen rechtsmissbräuchliche Massenabmahnungen vorgehen. Hierbei hatte der Gesetzgeber auch sogenannte Abmahnvereine im Blick:

Seit dem 01.12.2021 dürfen sogenannte rechtsfähige Verbände zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen (im Volksmund Abmahnvereine genannt) nur noch dann abmahnen, wenn die Vereine in die Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände eingetragen sind. Zuständig für die Eintragung ist das Bundesamt für Justiz. Wenn ein Verband nicht in die Liste eingetragen ist, hat er ab dem 01.12.2021 keine Aktivlegitimation mehr. Dies bedeutet, dass er keine Berechtigung mehr hat, wettbewerbsrechtliche Abmahnungen auszusprechen.

Stand 01.12.2021: Der IDO ist nicht in die Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände eingetragen

Der IDO ist mir und meinen Kollegen hier in der Kanzlei aus unserer Beratungspraxis als Massenabmahner bekannt. Wir haben in hunderten von Fällen Internethändler beraten oder vertreten, die vom IDO abgemahnt wurden, verklagt wurden oder bei denen eine Vertragsstrafe geltend gemacht wurde. In mehreren hier vorliegenden Verfahren sind die Gerichte unserer Auffassung gefolgt, dass der IDO rechtsmissbräuchlich handelt. Nach unserem Eindruck hatte der Gesetzgeber bei der Regelung, unter welchen Voraussetzungen ein Abmahnverein in die Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände eingetragen wird, insbesondere den IDO im Blick:

In § 8 b Abs. 2 Nr. 3 UWG ist geregelt, dass die Eintragung eines Wirtschaftsverbandes in die beim Bundesamt für Justiz geführte Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände nur erfolgt, wenn unter anderem aufgrund seiner bisherigen Tätigkeit sowie seiner personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung gesichert erscheint, dass er seine Ansprüche nicht vorwiegend geltend machen wird, um für sich Einnahmen aus Abmahnungen oder Vertragsstrafen zu erzielen. Wir kennen keinen anderen Abmahnverein, der so häufig Vertragsstrafen geltend macht. Nach unserem Eindruck ist das Eintreiben von Vertragsstrafen, nachdem eine Unterlassungserklärung abgegeben wurde, ein fester Bestandteil der Finanzierung des IDO.

In § 8 b Abs. 2 Nr. 4 UWG ist des Weiteren geregelt, dass die Eintragung eines Wirtschaftsverbandes in die beim Bundesamt für Justiz geführte Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände nur erfolgt, wenn den Mitgliedern des Wirtschaftsverbandes keine Zuwendungen aus dem Verbandsvermögen gewährt werden und Personen, die für den Verband tätig sind, nicht durch unangemessen hohe Vergütungen oder andere Zuwendungen begünstigt werden. Wiederum ist es der IDO, bei dem gerichtsbekannt ist, dass Mitarbeiter in Vergangenheit sehr hohe Stundensätze kassierten, obwohl nach unserer Auffassung keine entsprechende Qualifikation bestand.

Es verwundert somit nicht, dass der IDO nicht in die Liste eingetragen wurde.

Damit hat der IDO aktuell keine Aktivlegitimation mehr. Dies bedeutet, dass der IDO nicht mehr berechtigt ist, abzumahnen oder Unterlassungsansprüche durchzusetzen.

Viele Betroffene stellen sich nunmehr die Frage, welche Rechtsfolgen es für ihr Verfahren hat, wenn der IDO nicht mehr aktivlegitimiert ist.

1. Abmahnung, bei der noch nicht geklagt wurde

Ich betreue eine ganze Reihe von Verfahren, in denen der IDO eine Abmahnung ausgesprochen hat, aber noch kein gerichtliches Verfahren eingeleitet hat.

Wenn der IDO vor dem 01.12.2021 abgemahnt hat und keine Unterlassungserklärung abgegeben wurde, hat der IDO noch die Möglichkeit, innerhalb der Verjährungsfrist die Unterlassungsansprüche gerichtlich geltend zu machen.

Bei einer Abmahnung vor dem 01.12.2021 bestand zum Zeitpunkt der Abmahnung noch die Aktivlegitimation. Zum Zeitpunkt des gerichtlichen Verfahrens ab dem 01.12.2021 fehlt die Aktivlegitimation jedoch.

Folge: Die Klage ist nach meiner Auffassung unbegründet.

2. Laufende gerichtliche Unterlassungsverfahren

Ich führe hier in der Kanzlei auch gerichtliche Verfahren, in denen der IDO Unterlassungsansprüche geltend macht.

Zum Teil beschäftigen sich bereits die Berufungsgerichte (Oberlandesgerichte) mit den Fällen. Ein Rechtsstreit befindet sich sogar schon vor dem Bundesgerichtshof.

Wenn das Verfahren erst nach dem 01.09.2021 rechtshängig geworden ist, stellt sich die Frage, ob der Rechtsstreit für erledigt erklärt werden kann. Solange die Eintragung noch erreicht werden kann, werden sich die Gerichte mit der Annahme einer Erledigung vermutlich schwertun. Wenn rechtskräftig entschieden wäre, dass der IDO nicht in die Liste eingetragen wird, müssten die Gerichte sodann prüfen, wer den Rechtsstreit gewonnen hätte, wenn die Erledigung nicht eingetreten wäre. Oder aber die Gerichte entscheiden, dass der IDO die Kosten des Rechtsstreites zu tragen hat, weil er es nicht geschafft hat, in die Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände eingetragen zu werden (eine Auffassung, die in der juristischen Literatur vertreten wird).

3. Laufende gerichtliche Vertragsstrafenverfahren

Ich führe hier in der Kanzlei auch eine Vielzahl gerichtlicher Verfahren, in denen der IDO Vertragsstrafenansprüche geltend macht.

In den laufenden gerichtlichen Vertragsstrafenverfahren kommt es nach meiner Auffassung darauf an, wann die Verfahren rechtshängig geworden sind. Da sich die Frage der Anspruchsberechtigung in den Vertragsstrafenverfahren im Zusammenhang mit dem Streit über eine arglistige Täuschung zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Abmahnung und im Zusammenhang mit dem Streit über die Rechtsmissbräuchlichkeit des Vorgehens des IDO stellt, wird die Frage in den laufenden gerichtlichen Vertragsstrafenverfahren nach meiner Einschätzung nur eine untergeordnete Rolle spielen.

4. Was ist mit in der Vergangenheit abgegebenen Unterlassungserklärungen?

Viele Abgemahnte haben, häufig ohne anwaltliche Beratung, gegenüber dem IDO eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben. Gerade in diesen Fällen überprüft der IDO nach unserem Eindruck häufig abgegebene Unterlassungserklärungen, auch noch Jahre später. Folge ist dann, dass der IDO eine Vertragsstrafe von mehreren tausend Euro geltend macht.

Wenn der IDO nicht mehr abmahnen darf, fehlt natürlich eine Einnahmequelle.

Wir vermuten daher, dass der IDO sich in nächster Zeit auf die Geltendmachung von Vertragsstrafen konzentrieren wird und in der Vergangenheit abgegebene Unterlassungserklärungen noch intensiver überprüfen wird, als dies schon bisher der Fall ist.

Zu mir und meiner Tätigkeit:

Ich berate als Fachanwalt für IT-Recht bei Internetrecht-Rostock.de ständig Betroffene zu Vertragsstrafenforderungen des IDO und verfüge daher über Erfahrung aus einer Vielzahl von Verfahren.

Ich berate Sie bundesweit auch kurzfristig telefonisch.

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  • Rufen Sie mich einfach an.
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  • Oder lassen Sie mir über die Funktion „Nachricht senden“ eine Mitteilung zukommen.

Andreas Kempcke

Rechtsanwalt 

Fachanwalt für IT-Recht

Weitere Informationen zum Vorgehen des IDO habe ich in den folgenden Beiträgen für Sie zusammengestellt:

https://www.internetrecht-rostock.de/abmahnung-IDO-Interessenverband-fuer-das-Rechts-und-Finanzconsulting-deutscher-Online-Unternehmen.htm

https://www.anwalt.de/rechtstipps/ido-e-v-fordert-neuerdings-vertragsstrafe-zuzueglich-mehrwertsteuer-194968.html

https://www.anwalt.de/rechtstipps/ido-e-v-ueberprueft-unterlassungserklaerungen-aus-2015-2016-193869.html

https://www.anwalt.de/rechtstipps/vertragsstrafe-wie-sie-sich-gegen-den-ido-ev-wehren-koennen_186286.html

https://www.anwalt.de/rechtstipps/sie-haben-eine-klage-des-ido-e-v-wegen-einer-vertragsstrafe-erhalten-ich-berate-sie_164883.html

https://www.anwalt.de/rechtstipps/update-abmahnungen-und-vertragsstrafenforderungen-des-ido-ev_182091.html


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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