Inkompatibilität von Ämtern des Betriebsratsvorsitzenden und des Datenschutzbeauftragten

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Bundesarbeitsgerichts-Urteil vom 06.06.2023, Aktenzeichen 9 AZR 383/19


Der Betriebsrat spielt eine entscheidende Rolle in der Arbeitnehmervertretung. Zur Wahrnehmung dieser Funktion stehen dem Betriebsrat laut Betriebsverfassungsgesetz verschiedene Beteiligungsrechte zur Seite. Die bekannteren dieser Rechte spielen im Bereich der Personalmaßnahmen wie Kündigungen eine Rolle, weniger bekannt ist die Mitwirkung des Betriebsrats bei „sozialen Angelegenheiten“ nach § 87 BetrVG. Demnach ist der Betriebsrat unter anderem bei der Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen mitbestimmungsberechtigt, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen. Hiermit sind nicht nur direkte Kontrollinstrumente gemeint, sondern zum Schutz der Persönlichkeitsrechte alle technischen Einrichtungen, bei denen Mitarbeitende „digitale Spuren“ hinterlassen, die ihnen persönlich zuzuordnen sind (Scan-/Kopiergeräte mit Code, elektronisches „ein- und ausstempeln“, dienstliches Mobiltelefon, berufsbezogene Software).


Auch die oder der Datenschutzbeauftragte kümmert sich um die personenbezogenen Daten, die im Unternehmen anfallen. Eine Abberufung aus dieser Funktion ist ebenso wie bei Betriebsratsmitgliedern durch Vorschriften erschwert und kann nur aus einem wichtigem Grund erfolgen, etwa bei Nichterfüllung der Aufgaben, Verstößen gegen die Verschwiegenheitspflichten oder Interessenkonflikten.


Wenn schon beide Ämter, das des Betriebsrats und das des Datenschutzbeauftragten, eine gleiche Schutzrichtung verfolgen, kann man sie dann zusammenlegen? Ja, fand ein Unternehmen. Nein, fand nun das Bundesarbeitsgericht (jedenfalls nicht, wenn es sich um den Betriebsratsvorsitzenden handelt).


Was war passiert? Betriebsratsvorsitzender und Datenschutzbeauftragten in einer Person


Das Urteil bezieht sich auf den Fall eines Betriebsratsvorsitzenden, der zusätzlich zum Datenschutzbeauftragten bestellt wurde. Der Landesdatenschutzbeauftragte äußerte  daraufhin Bedenken hinsichtlich eines möglichen Interessenkonflikts und erklärte, dass eine Ämterinkompatibilität vorliege. Diese Ansicht erklärt sich so:


Der Betriebsratsvorsitzende hat Zugang zu personenbezogenen Daten im Rahmen seiner Aufgaben und sodann die Betriebsratsbeschlüsse darüber, wie diese Daten verarbeitet werden, dem Arbeitgeber gegenüber zu vertreten. Der Datenschutzbeauftragte hingegen soll unabhängig die Einhaltung der Datenschutzbestimmungen in Gänze überwachen. Da bei einer Doppelrolle der Datenschutzbeauftragte die Entscheidungen des Betriebsrats - also seine eigenen - überwachen müsste, kann Befangenheit vorliegen. außerdem erhält der Datenschutzbeauftragte tiefere Einblicke in personenbezogene Daten als der Arbeitgeber dem Betriebsrat gegenüber offenlegen darf.


Das Unternehmen widerrief die Bestellung des Betriebsratsvorsitzenden als Datenschutzbeauftragten und das Gericht entschied, dass dieser Widerruf aus einem wichtigen Grund gerechtfertigt sei:


Das Urteil: Betriebsratsvorsitzender und Datenschutzbeauftragter in einer Person unvereinbar


Das Bundesarbeitsgericht betonte die Notwendigkeit, dass der Datenschutzbeauftragte unabhängig handeln können müsse, was durch die gleichzeitige Ausübung des Betriebsratsvorsitzes beeinträchtigt werde (Urteil vom 06.06.2023, Aktenzeichen 9 AZR 383/19). Zwar sei die Bestellung nicht von vorneherein nichtig gewesen, was der Arbeitgeber ursprünglich angenommen hatte, der Widerruf der Bestellung erfolgte allerdings aus einem wichtigen Grund iSv. § 4 f Abs. 3 Satz 4 BDSG aF.. Habe der zum Datenschutzbeauftragten berufene Arbeitnehmer bei der Erfüllung seiner weiteren Aufgaben gestaltenden Einfluss auf die Datenverarbeitung in der verantwortlichen Stelle, sei seine Unabhängigkeit nicht gewährleistet. Die gesetzlichen Aufgaben eines Betriebsratsvorsitzenden beinhalte die Mitwirkung bei der Festlegung von Zwecken und Mitteln der Verarbeitung personenbezogener Daten und die Vertretung der gefassten Betriebsratsbeschlüsse nach außen. Der Interessenkonflikt zwischen den Ämtern des Datenschutzbeauftragten und des Betriebsratsvorsitzenden in einer Person sei daher unauflösbar und in der Regel ein Grund für den Widerruf der Funktion des Datenschutzbeauftragten.


Fazit


Diese Entscheidung hat potenziell weitreichende Auswirkungen, da Arbeitgeber mit mehr als 20 Beschäftigten dazu verpflichtet sind, einen Datenschutzbeauftragten zu bestellen. Nicht selten werden hierzu Betriebsratsmitglieder berufen. Ob auch für einfache Betriebsratsmitglieder die beschriebene Ämterinkompatibilität besteht, hat das Bundesarbeitsgericht offengelassen. Die dem Urteil zugrundeliegende Doppelrolle besteht aber auch in diesem Fällen, so dass Arbeitgebern eine Berufung von Betriebsräten in das Amt des Datenschutzbeauftragten bis zu einer weiteren Klärung nicht empfohlen werden kann.


Fragen zu Datenschutz oder Betriebsratsangelegenheiten stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.


Weitere Hinweise zum Thema und zum Urteil können Sie in der Langversion unseres Blogbeitrags hier nachlesen.




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