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Keine Fahrtenbuchauflage ohne ausreichende Ermittlungen

  • 3 Minuten Lesezeit
Gabriele Weintz anwalt.de-Redaktion

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Als Autofahrer muss man sich an die Verkehrsregeln halten. Tut man das nicht, fährt man etwa zu schnell und wird geblitzt, so bekommt man bald Post von der zuständigen Verkehrsüberwachungsbehörde. Aber auch die Behörden müssen sich an bestimmte Regeln halten, beispielsweise um den richtigen Fahrer eines betroffenen Fahrzeugs zu finden. Tun sie dies nicht, so kann eine verhängte Fahrtenbuchauflage unzulässig sein, wie ein aktueller Fall vor dem Verwaltungsgericht (VG) München zeigt.

Pkw zweimal geblitzt

Im Juli 2014 wurde im Landkreis Peine/Niedersachsen ein Pkw geblitzt. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften von 130 km/h wurde um 48 km/h überschritten. Im August 2014 wurde der Pkw erneut geblitzt. Diesmal innerhalb einer geschlossenen Ortschaft bei einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h mit 23 km/h zu viel. In beiden Fällen erkannte man auf den Frontfotos, dass eine junge Frau im Alter zwischen 20 und 30 Jahren den Wagen fuhr.

Anhörung des Fahrzeughalters

Sowohl für den Verkehrsverstoß vom Juli 2014 als auch für den vom August 2014 wurde der Fahrzeughalter als Zeuge angehört und erhielt je ein Frontfoto, ein Anhörungsblatt und eine Zeugenbelehrung. Auf beide Schreiben reagierte der Halter erst nach einem Erinnerungsschreiben der Behörden. Er teilte daraufhin in beiden Fällen mit, dass er sein Fahrzeug zum fraglichen Zeitpunkt seinem 1991 geborenen Sohn, wohnhaft unter derselben Adresse, überlassen hatte. In der Folge wurde der Sohn angeschrieben, dieser reagierte jedoch gar nicht.

Verjährung eingetreten

Die meisten im Straßenverkehr begangenen Ordnungswidrigkeiten wie Geschwindigkeitsverstöße verjähren in der kurzen Frist von nur drei Monaten nach dem Tattag. Bis zu diesem Stichtag muss der verantwortliche Fahrzeugführer ermittelt worden sein, sonst tritt Verjährung ein. In beiden vorliegenden Fällen konnte von den Behörden nicht geklärt werden, welche Frau das Fahrzeug gefahren hat. Aus diesem Grund trat die Verjährung für den ersten Verstoß im Oktober 2014 und für den zweiten Verstoß im November 2014 ein.

Fahrtenbuchauflage gefordert

Nachdem beide Ordnungswidrigkeiten nicht geahndet werden konnten, bat der Zweckverband Kommunale Verkehrssicherheit Oberland (ZV KVS Oberland) das Landratsamt Starnberg um die Auferlegung eines Fahrtenbuchs beim Fahrzeughalter. Bei der diesbezüglichen Anhörung des Mannes im Dezember 2014 ergab sich, dass das damalige Tatfahrzeug außer Betrieb gesetzt worden war. Nachdem das Fahrzeug im Februar 2015 wieder zugelassen worden war, wurde die Fahrtenbuchauflage für diesen Pkw mit Bescheid vom Februar 2015 auferlegt.

Klage gegen Fahrtenbuchauflage erfolgreich

Gegen die Auferlegung der Führung eines Fahrtenbuchs klagte der Mann schließlich vor dem VG München. Er begründete seine Klage damit, dass das Fehlen von Ermittlungen zum tatsächlichen Fahrer und die Erkrankung einer Sachbearbeiterin nicht ihm als Halter angelastet werden könne.

Die Richter gaben dem Mann in ihrem Beschluss recht. Nach § 31a Abs. 1 S. 1 Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) ist geregelt, dass eine Unmöglichkeit der Feststellung des Fahrzeugführers dann vorliegt, wenn die Behörde nach den Umständen des Einzelfalls nicht in der Lage war, den Täter zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen hat.

Im vorliegenden Fall können die Ermittlungen zu den beiden Geschwindigkeitsverstößen nicht als ausreichend bezeichnet werden.

  • Der Fahrzeughalter hat in beiden Fällen erklärt, dass er das Auto im fraglichen Zeitraum seinem Sohn überlassen hat. Dieser wurde zwar angeschrieben, äußerte sich jedoch nicht.
  • Das später eingeschaltete Einwohnermeldeamt erklärte lediglich, dass der Sohn an der gleichen Adresse wie der Halter des Pkw gemeldet sei und als alleinstehend geführt wird.
  • Zur Identifizierung der Fahrerin des Tatfahrzeugs hätten innerhalb der Verjährungsfrist weitere Ermittlungen erfolgen müssen, beispielsweise Hausbesuche, Überprüfung der Namensschilder am Briefkasten und Klingelanlage oder Befragungen der Nachbarn.

All diese Ermittlungsmaßnahmen waren für die Behörden angemessen und zumutbar, sind jedoch komplett unterblieben: Sie waren also nicht unmöglich i. S. d. § 31a Abs. 1 S. 1 StVZO. Aus diesen Gründen musste der Halter allerdings von einer Fahrtenbuchauflage verschont bleiben.

Fazit: Die meisten im Straßenverkehr begangenen Ordnungswidrigkeiten, insbesondere Geschwindigkeits-, Rotlicht- und Abstandsverstöße, verjähren innerhalb der kurzen Frist von nur drei Monaten. Aus diesem Grund haben die Behörden ein großes Interesse, die Sachlage schnellstmöglich aufzuklären – aber dafür müssen sie auch einiges tun.

(VG München, Beschluss v. 18.05.2015, Az.: M 23 S 15.919)

(WEI)

Foto(s): ©fotolia.de

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