Klagerücknahme im Musterverfahren gegen VW: Was sind die Folgen?
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Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) hat seine Musterfeststellungsklage von Autokäufern im Abgasskandal gegen VW zurückgenommen. Dies erfolgte, nachdem sich ca. 235.000 Kunden mit VW per außergerichtlichen Vergleich auf Entschädigungszahlungen geeinigt haben. Die Rücknahme der Klage durch den vzbv war in einer Rahmenvereinbarung mit VW vorgesehen. Für Anmelder, die den Vergleich nicht angenommen haben, bzw. dies nicht konnten, geht das Verfahren damit ohne eine Leitentscheidung aus.
Folgen der Klagerücknahme
Angemeldete Käufer, die das Vergleichsangebot von VW nicht angenommen haben oder dies nicht konnten, stehen infolge der Klagerücknahme nunmehr ohne Verfahren da. Ein Musterfeststellungsurteil wird nicht ergehen. Damit entfällt ein wichtiger Vorteil der Musterfeststellungsklage. Das Gericht fällt keine Entscheidung, welche für angemeldete Käufer und VW verbindlich gewesen wäre. Käufer ohne Vergleich werden also ohne eine Leitentscheidung – einem Musterfeststellungsurteil - wieder auf das ursprüngliche Prozessrisiko ohne Musterfeststellungsverfahren zurückgeworfen.
Trostpflaster: Leitentscheidung des BGH steht an
Dies mag im Abgasskandal von VW aktuell weniger problematisch sein, da hierzu eine Entscheidung des BGH ansteht (Az. VI ZR 252/19). Ein Urteil des BGH wird aller Voraussicht ebenso bundesweit von den Gerichten beachtet werden. Ohne eine solche Leitentscheidung des BGH wäre aber das eigentliche Ziel des ersten Musterfeststellungsverfahrens verfehlt gewesen.
Was können Käufer ohne Vergleich tun?
Für angemeldete Käufer, die den Vergleich nicht angenommen haben oder dies nicht konnten, ist die Rechtslage wie folgt: Mit der Anmeldung von Ansprüchen auf Schadenersatz gegen VW wegen des Abgasskandals (Motor EA 189) ist eine Verjährung dieser Ansprüche vermieden worden. Es empfiehlt sich, nunmehr innerhalb eines halben Jahres (bis zum Ende Oktober 2020) eine eigene Klage gegen VW zu prüfen und diese bis dahin zu erheben. Entscheidungsgrundlage sollte das Urteil des BGH (Az. VI ZR 252/19) sein. Nach Ablauf des halben Jahres drohen die Ansprüche zu verjähren.
Lehren aus dem ersten Musterfeststellungsverfahren
Wer als Kläger die Musterfeststellungsklage aus Anlass von vielen außergerichtlichen Vergleichen zurücknimmt, lässt die Anmelder im Regen stehen, die – ggf. zu Recht – nicht vergleichsbereit gewesen sind. Damit verhindert der Kläger ein wesentliches Ziel des Musterfeststellungsverfahrens: eine Leitentscheidung, der die Prozessrisiken für die Anmelder wesentlich verringert. Auch wenn das Vorgehen des vzbv im Abgasskandal seine Vorzüge gehabt haben mag und eine Leitentscheidung des BGH ohnehin ansteht: dieses Vorgehen sollte keine Blaupause für künftige Verfahren sein. Denn dann droht das Musterfeststellungsverfahren zu einem ferngesteuerten Schlichtungsverfahren zu verkommen, welches hinter seiner beabsichtigten Breitenwirkung, einer verbindlichen Streitentscheidung für alle Beteiligten, deutlich zurückbleibt.
Für den Fall von Fragen steht Ihnen Rechtsanwalt Philipp Neumann (Kanzlei 2vier2 in Frankfurt am Main) unter der aufgeführten Telefonnummer bzw. per Mail zur Verfügung. Rechtsanwalt Philipp Neumann ist Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht und seit über 13 Jahren in der Prozessführung tätig. Er vertritt zudem seit 2016 Kläger gegen die Autohersteller Audi, Daimler, Porsche und Volkswagen im Abgasskandal.
Der Beitrag gibt den Sachstand zum 04.05.2020 wieder. Spätere Entwicklungen und damit einhergehende Änderungen der Rechtsprechung oder Rechtslage bleiben folglich unberücksichtigt und können zu einer anderen Einschätzung führen, wie hier dargelegt.
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