Klauseln im Arbeitsvertrag Teil 2 – Die Abgeltung von Überstunden mit dem gezahlten Gehalt

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Klauseln im Arbeitsvertrag Teil 2 – Die Abgeltung von Überstunden mit dem gezahlten Gehalt

Mit Blick in den Arbeitsvertrag kann ein jeder vermutlich sagen, was zu Arbeitszeit, Gehalt und Urlaub geregelt ist. Soweit so gut, oder eben auch nicht. Was darüber hinaus im Vertrag steht, wird oftmals abgenickt, weil es halt „da so drin steht“. Aber ist das denn wirklich relevant? In losen Abständen soll auf ein paar Standardklauseln eingegangen werden, die meist „halt irgendwie da drin stehen“, im Zweifel aber tatsächlich bedeutsam werden können – sowohl für den Arbeitnehmer als auch für den Arbeitgeber.


Teil 2 – Die Abgeltung von Überstunden mit dem Gehalt

Ein Klassiker: der Arbeitnehmer schuftet sich über die reguläre Arbeitszeit hinaus vermeintlich den Buckel krumm, den Arbeitgeber freut‘s. Er weiß, all die Überstunden sind netter Bonus des Arbeitnehmers, denn all die Überstunden sind ja schließlich mit dem Gehalt abgedeckt. So jedenfalls steht es schließlich im Arbeitsvertrag. Aber ist dem so?

Überstunden sind immer wieder ein leidliches Thema zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Das gilt in erster Linie insoweit, als dass naturgemäß Arbeitnehmer und Arbeitgeber ein eher entgegengesetztes Verständnis von Sinn und Zweck etwaiger zusätzlicher Arbeitsstunden haben. Auf der einen Seite steht das Interesse des Arbeitnehmers, sich möglicherweise über den regulär vertraglich vereinbarten Lohn ein zusätzliches Entgelt zu schaffen, auf der anderen Seite hingegen das Interesse des Arbeitgebers, möglichst viel wirtschaftlichen Mehrwert für den gezahlten Arbeitnehmerlohn zu erhalten. Beide Positionen sind durchaus nachvollziehbar. Daher besteht auch grundsätzlich die Möglichkeit, bereits im Arbeitsvertrag die Regelung für die Leistung von Überstunden zu fixieren, wobei auch eine pauschale Abgeltung etwaig geleisteter Überstunden möglich ist.

Nachfolgend geht es um die Frage, inwieweit eine Regelung in einem Arbeitsvertrag möglich ist, dass mit dem gezahlten Gehalt angefallene Überstunden abgegolten, sprich „bereits mitbezahlt“ sind. Eine ganz andere Frage ist natürlich, inwieweit Übersunden überhaupt zulässig sind und/ oder inwieweit diese angeordnet werden können. Das soll jedoch hier nicht thematisiert werden, sondern nachfolgend wird unterstellt, dass die Leistung von Überstunden in den Beispielkonstellationen problemlos zulässig ist. Ebenso soll die Option einer Regelungen in Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen unberücksichtigt bleiben.


Eine Vertragsklausel in einem Arbeitsvertrag, welche die Abgeltung von Überstunden mit dem gezahlten Gehalt regelt, ist erst einmal grundsätzlich möglich. Dabei geht auch das BAG davon aus, dass eine vorherige Regelung über die Vergütung von Überstunden durchaus im Interesse beider Vertragsparteien sein kann. Für eine solche vertragliche Regelung zur Abgeltung von Überstunden sind aber keine willkürlichen Formulierungen möglich, schon gar nicht bei einer pauschalen Abgeltung von Überstunden. Auch eine Vertragsklausel hinsichtlich der Überstunden muss sich im Zweifel an den Vorgaben des AGB-Recht messen lassen und darf darüber hinaus nicht gegen sonstige gesetzliche Bestimmungen verstoßen. Im Grunde dreht sich dabei zunächst alles um die Frage, ob eine solche Klausel für den Arbeitnehmer transparent genug ist, sprich, ob der Arbeitnehmer erkennen kann, auf was er sich da einlässt.


Können sämtliche anfallende Überstunden pauschal abgegolten werden?

Bei einer durchweg pauschalen Abgeltungsklausel für sämtliche anfallende Überstunden im Sinne von „Mit dem Gehalt sind alle anfallenden Überstunden abgegolten“ ist eine solche Transparenz nicht gegeben. Das ist nachvollziehbar, denn es ist schon nicht wirklich klar, in welchem Umfang überhaupt Überstunden anfallen. Folglich ist auch nicht klar, in welchem „Gegenwert“ denn der Arbeitnehmer der pauschalen Abgeltung zustimmt. Eine Abschätzung dahingehend, was auf den Arbeitnehmer im Falle von Überstunden zukommt, ist für ihn damit gerade nicht möglich. Wenn also eine pauschale Abgeltung von Überstunden geregelt werden soll, dann muss klar sein, in welchem Umfang denn Überstunden überhaupt anfallen. Anderenfalls ist eine solche Klausel intransparent und dadurch unwirksam, so ausdrücklich BAG 5 AZR 765/10.


Welche Anforderungen sind denn an die konkrete Bestimmung der Überstundenanzahl zu stellen?

Muss nun jedoch klar geregelt sein, in welchem Umfang Überstunden mit dem zu zahlenden Gehalt abgegolten sind, dann stellt sich im Weiteren die Frage: welche Anforderungen sind denn an die konkrete Bestimmung der Überstundenanzahl zu stellen? Letztlich könnte ein gewitzter Arbeitgeber der Auffassung sein, einfach eine hohe Zahl von Überstunden festzusetzen, frei nach dem Motto: „Wenn schon nicht pauschal alle Überstunden mit dem regelmäßigen Gehalt abgegolten werden können, dann doch wenigstens eine konkrete hohe Zahl von Überstunden. Am besten also in eine solche Abgeltungsklausel gleich 4 Überstunden pro Tag aufnehmen, dann ist jedem Arbeitnehmer von vornherein auch klar, worum es geht“.

So geht’s natürlich auch nicht. Beachtung finden auch andere Regelungen, dabei insbesondere das Arbeitszeitgesetz (ArbzG). Dieses besagt etwa, dass die regelmäßige Arbeitszeit 8 Stunden werktäglich nicht überschreiten darf. Allenfalls in Ausnahmefällen ist eine Ausdehnung auf 10 Stunden pro Arbeitstag möglich. Das allerdings funktioniert wiederum nur, wenn auf einen Zeitraum von 6 Kalendermonaten zumindest ein Durchschnitt von 8 Arbeitsstunden werktäglich nicht überschritten wird, vgl. § 3 ArbzG.

Daraus ergibt sich folgende allgemeine Konsequenz: eine rechtskonforme Abgeltungsklausel muss erkennen lassen, in welchem Umfang Überstunden zu leisten sind. Dabei darf jedoch zusammen mit den sowieso schon täglich zu verrichtenden Arbeitsstunden keine Überschreitung der zulässigen Arbeitszeit nach dem ArbzG gegeben sein.

Beispiel: Werktage sind in aller Regel die Tage Montag bis Samstag. Daraus ergibt sich eine theoretisch mögliche Maximalstundenanzahl von 48 Wochenarbeitsstunden. Diese 48 Wochenstunden dürfen nicht bzw. nur in Ausnahmefällen überschritten werden. Arbeitnehmer A hat eine regelmäßige Arbeitswoche zu 5 Arbeitstagen, dabei zu jeweils 8 Arbeitsstunden täglich, sprich 40 Wochenarbeitsstunden. Sofern nun in seinem Arbeitsvertrag die Abgeltung von Überstunden vereinbart ist, darf zusammen mit diesen Überstunden in aller Regel nicht die theoretisch mögliche 48-Stundenwoche überschritten werden. Das muss aus der Abgeltungsklausel auch hervorgehen.

Allenfalls in Ausnahmefällen wäre auch eine darüber hinaus gehende Arbeitsleistung zulässig. Eine Abgeltungsklausel für geleistete Überstunden wäre damit nur dann wirksam, wenn sie in irgendeiner Form den Arbeitnehmer klar darauf hinweist, dass eine Abgeltung der geleisteten Überstunden mit dem gezahlten Gehalt nur in dem Umfang stattfindet, „soweit nicht mehr als 8 Überstunden pro Arbeitswoche geleistet werden“. Alternativ könnte auch ein Prozentsatz in der Klausel enthalten sein, sofern dem Arbeitnehmer hinreichend verständlich ist, worauf sich dieser bezieht. Dann könnte beispielsweise eine Abgeltung von Überstunden mit dem Gehalt erfolgen, „sofern die geleisteten Überstunden 15% der nach § XY des Arbeitsvertrags zu erbringenden wöchentlichen Arbeitsstunden nicht überschreiten“.

Ob ein Ausnutzen der vollen denkbaren Spanne unter Beachtung des ArbzG allerdings für den Arbeitgeber sinnvoll ist, sei dahingestellt. Man findet durchaus Klauseln, welche eine prozentuale Abgeltung in Höhe von bis zu 25% der regulär zu leistenden Arbeitsstunden vorsehen. Allerdings, bei einer 5 Tagewoche zu je 8 Arbeitsstunden täglich würde sich bei rechnerisch denkbaren 8 Überstunden pro Woche nicht weniger als der Gegenwert einer 6-Tagewoche ergeben. Zumindest am Rande hat das BAG 5 AZR 331/11 im Zusammenhang mit einer konkret bezifferten Überstundenabgeltung das Thema „Lohnwucher“ angerissen, dort jedoch dann mangels weiterer Hinweise nicht näher vertieft.  Ob tatsächlich ein Missverhältnis von zu erbringender Arbeitsleistung durch Überstunden und dem gegenüberstehenden Lohn zu sehen ist, dürfte stets im Einzelfall zu prüfen sein, dies vor allem auch dann, wenn weitere mögliche Indizien herangezogen werden können und eine deutliche Zahl von Überstunden nicht die Ausnahme, sondern die Regel im Betrieb sind.

Wie im Ergebnis eine rechtskonforme, vor allem auch für beide Vertragsparteien vertretbare Abgeltungsklausel im Detail zu formulieren ist, bleibt einer konkreten Prüfung vorbehalten. Die hier genannten Ausführungen stellen lediglich zur ersten Übersicht den dahingehenden Rahmen dar, in welchem sich eine solche Klausel möglichst bewegen sollte.


Ich bin in der Ausbildung, gilt denn so eine Abgeltung von Überstunden auch für mich?

Nein, für Ausbildungsverträge nach dem BBiG gelten gesonderte Vorschriften. Hier sieht § 17 Abs. 7 BBiG vor, dass „eine über die vereinbarte regelmäßige tägliche Ausbildungszeit hinausgehende Beschäftigung besonders zu vergüten oder durch die Gewährung entsprechender Freizeit auszugleichen“ ist. Das heißt, im Falle einer Ausbildung im Sinne des BBiG gibt es eine gesetzliche Vorgabe für die Überstundenfrage. Von dieser gesetzlichen Vorgabe kann nicht zu Lasten des Auszubildenden abgewichen werden, siehe § 25 BBiG.


Was ist aber, wenn in einem Arbeitsvertrag eine unzulässige pauschale Abgeltungsklausel enthalten ist? 

Wenn in einem Arbeitsvertrag eine unzulässige pauschale Klausel zur Abgeltung von Überstunden enthalten ist, dann ist diese Klausel unwirksam. Der Arbeitnehmer kann dann durchaus auch eine Entlohnung für die von ihm geleisteten Überstunden verlangen. Das ergibt sich aus § 612 Abs. 1 BGB. Hiernach ist eine Arbeitsleistung und damit auch Überstunden zu vergüten, soweit zu erwarten ist, dass die erbrachte Leistung nur gegen Entlohnung erfolgt. Davon wird man im Falle von Überstunden, für welche keine oder nur eine unwirksame vertragliche Regelung vorliegt, zweifelsfrei ausgehen dürfen.


Gibt es denn Ausnahmen, welche eine umfassende Abgeltung von Überstunden am Ende doch ermöglichen?

Ja, es gibt Konstellationen, in denen auch eine allgemeine und pauschale Abgeltung von Überstunden mit dem Gehalt zulässig ist. So geht das BAG davon aus, dass für Gehälter, welche für höher gestellte Positionen gezahlt werden, auch ein deutlicher Umfang von Mehrarbeit hinzunehmen ist. Wer also in einer Führungsposition im Betrieb tätig ist und für diese Tätigkeit auch ein entsprechend hohes Gehalt bekommt, der muss auch in einem höheren Umfang seine Arbeitsleistung zur Verfügung stellen. Hier geht das BAG beispielsweise davon aus, dass eine Vergütung von geleisteten Überstunden dann eher nicht mehr in Betracht kommt, wenn das zu zahlende Gehalt jenseits der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung liegt, BAG 5 AZR 629/10.


Was ist, wenn in meinem Arbeitsvertrag gar keine Regelung zur Abgeltung von Überstunden vorhanden ist?

Wer nun in seinen Arbeitsvertrag schaut und keinerlei Regelung zur Abgeltung von Überstunden findet, für den ergeben sich aus der hier thematisierten Problematik erst einmal keine Schwierigkeiten. Eine Abgeltung mit dem gezahlten Gehalt ist jedenfalls bei Fehlen einer ausdrücklichen Regelung nicht möglich. Inwieweit eine Vergütung der Überstunden in diesem Falle grundsätzlich möglich ist, hängt dann von den sonstigen Voraussetzungen der Leistung von Überstunden ab. Zudem sollte in einem solchen Fall stets auch ergänzend in einen möglichen Tarifvertrag oder eine Betriebsvereinbarung geschaut werden, ob nicht auch dort bereits eine Regelung vorhanden ist.


Praxistipp:

Wenn Überstunden anfallen, dann sollten sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber genau im Kopf haben, was vertraglich vereinbart ist. Der Arbeitnehmer kann nur so abschätzen, welcher Überstundenrahmen hier tatsächlich vom Gehalt gedeckt ist und ob nicht gegebenenfalls eine Bezahlung für die zusätzliche Arbeit zu erfolgen hat. Arbeitgebern hingegen sollte klar sein, dass eine mögliche Abgeltung nur bei wirksamer Vertragsklausel effektiv denkbar ist. Anderenfalls muss eine Entlohnung für die geleistete Arbeit erfolgen, sofern keine anderweitige Regelung in Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen existiert.

Sollten Sie Rückfragen zu diesem oder einem anderen Sachverhalt rund um Ihren Arbeitsvertrag haben, können Sie mich gern kontaktieren. Sie erreichen mich über das Kontaktformular oder per Email.

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