Kommunale Straßenausbaubeiträge – ein rechtlicher Überblick

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Wirtschaftliche Bedeutung der Beiträge

Die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen durch die Kommunen ist eine Praxis, die bei Grundstückseigentümern oft auf erheblichen Widerstand stößt, da diese Abgaben in manchen Fällen existenzbedrohend sein können. Die finanzielle Belastung hängt stark vom Bundesland und der jeweiligen Gemeinde ab. Beispielsweise existieren in Bayern, Hamburg, Berlin und Baden-Württemberg keine Straßenausbaubeiträge mehr, während in anderen Bundesländern wie Hessen und Schleswig-Holstein die Kommunen entscheiden können, ob sie solche Beiträge erheben.

Aufkommen nach Bundesland

Im Jahr 2018 hatten rund 400 der 426 hessischen Kommunen eine Straßenausbaubeitragssatzung, von denen 42 Gemeinden wiederkehrende Beiträge erhoben. Je nach Bundesland und Kommune unterscheidet sich das Aufkommen erheblich, was zu einer Ungleichverteilung der finanziellen Belastung der Anlieger führt. Vor allem die steigenden Baukosten erhöhen den Druck auf die Anlieger, was zu Beitragsforderungen von bis zu mehreren Hunderttausend Euro führen kann.

Sanierungsbedarf

Viele Straßen in Deutschland weisen einen erheblichen Sanierungsbedarf auf, was die Erhebung von Beiträgen für viele Kommunen unumgänglich macht. Da die Finanzierung öffentlicher Verkehrsanlagen häufig nur mit Beteiligung der Anlieger zu bewältigen ist, werden die Kosten für den Ausbau, die Erneuerung oder die Verbesserung der Straßen auf die Grundstückseigentümer umgelegt. Diese Praxis führt oft zu Rechtsstreitigkeiten, insbesondere wenn die Anlieger den wirtschaftlichen Vorteil der Maßnahme infrage stellen.

Rechtsgrundlagen der Straßenausbaubeiträge

Die rechtliche Grundlage für die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen ist das jeweilige Kommunalabgabengesetz (KAG) des Bundeslandes, das durch kommunale Satzungen konkretisiert wird.

Kommunale Abgabengesetze und Straßengesetze der Länder

Die Landesgesetze wie das KAG Hessen schreiben den Kommunen nicht zwingend vor, Straßenausbaubeiträge zu erheben, sondern enthalten in der Regel Kann-Bestimmungen. In Hessen wurde im Jahr 2018 eine Novellierung des KAG beschlossen, die es den Kommunen erlaubt, zwischen einmaligen und wiederkehrenden Beiträgen zu wählen und die Dauer der Ratenzahlung für die Bürger zu verlängern.

Kommunale Satzungen

Kommunale Satzungen legen fest, wie die Straßenausbaubeiträge erhoben werden. Die Satzungen definieren unter anderem die beitragspflichtigen Maßnahmen, die Abrechnungsgebiete sowie die konkreten Berechnungsmodalitäten. Die Bildung von Abrechnungsgebieten ist dabei häufig streitbefangen, da eine fehlerhafte Abgrenzung zur Nichtigkeit der Satzung führen kann.

Voraussetzungen für das Anfordern der Beiträge

Die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen setzt verschiedene Voraussetzungen voraus:

  • Beitragspflichtige Maßnahme: Die Maßnahme muss über die laufende Instandhaltung hinausgehen und einen wirtschaftlichen Vorteil für die betroffenen Grundstücke mit sich bringen.
  • Rechtmäßiger Adressat: Beitragspflichtig ist der Grundstückseigentümer, nicht etwa ein Mieter.
  • Beitragsfähigkeit der Maßnahme: Nur beitragspflichtige Maßnahmen wie die Erneuerung, Verbesserung oder Erweiterung der Straße können zu einer Beitragsforderung führen.
  • Einhaltung der Festsetzungsfrist: Der Beitragsbescheid muss innerhalb der gesetzlichen Festsetzungsfrist erlassen werden. In Hessen beträgt diese Frist vier Jahre.

Typische Fehler und Angriffsmöglichkeiten

Die Checkliste für Straßenausbaubeiträge bietet zahlreiche Angriffspunkte zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit eines Beitragsbescheids:

  • Stimmigkeit des Adressaten: Überprüfen, ob der Bescheid an den richtigen Grundstückseigentümer gerichtet ist. Mieter sind nicht beitragspflichtig.
  • Fristwahrung: Wurde die Festsetzungsfrist von vier Jahren eingehalten? Nach Ablauf dieser Frist ist eine Beitragserhebung unzulässig.
  • Berücksichtigung aller Grundstücke: Sind alle Grundstücke in die Beitragsverteilung einbezogen, die von der Maßnahme profitieren? Dies betrifft auch Hinterliegergrundstücke, die eventuell einen indirekten Vorteil haben.
  • Nutzung des Grundstücks: Wird das Grundstück überhaupt durch die Straße erschlossen? Liegen Hindernisse vor, die eine tatsächliche Nutzung verhindern, ist der Beitrag nicht rechtens.
  • Richtige Klassifizierung der Straße: Die Klassifizierung der Straße bestimmt den Beitragssatz. Fehlerhafte Klassifizierungen führen zu überhöhten Forderungen.
  • Berücksichtigung der tatsächlichen Bebauung: Wenn die Bebauung eines Grundstücks nicht der in der Satzung festgelegten Nutzung entspricht, sollte dies überprüft werden, da falsche Berechnungen den Beitrag erhöhen können.
  • Einpreisung anderer Maßnahmen: Häufig werden Baumaßnahmen, die nicht der Erneuerung des Straßenkörpers dienen, die aber bei diesem Anlass miterledigt werden, in die Kalkulation aufgenommen, wie z.B. Kanal- und Abwasserarbeiten. Dies ist unzulässig.
  • Falsche Klassifizierung des Eigenanteils: Die Kommunalabgabengesetze der Länder sehen bestimmte Mindestanteile der Kommunen an den Kosten vor. In Hessen gibt es eine Staffelung von 25, 50 und 75 % Eigenanteil, je nach Klassifizierung der betroffenen Straße. Auch hier gibt es Interpretationsspielräume, die sich erheblich auf die Kostenlast der Anlieger auswirken können.
  • "Schlichte Erneuerung": Eine schlichte Erneuerung ist nicht umlagefähig. Eine solche liegt vor, wenn bei der Straße oder dem Gehweg noch kein Erneuerungsbedarf vorlag, also beispielsweise der Zustand noch gut war und die Lebensdauer nicht erreicht oder überschritten war. Dies passiert häufig, wenn aus Anlass von Kanalarbeiten auch die Fahrbahndecke mit erneuert wird. Dann tritt durch die Erneuerung keine objektive Verbesserung für die Anlieger ein, so dass die Kosten nicht umgelegt werden dürfen.
  • Schaffung von neuen Parkplätzen: Die Gemeinde baut im Zusammenhang mit der Erneuerung - oder Veränderung einer vorhandenen Ortsstraße neue Park­plätze und rechnet deren Herstellungskosten über Straßenaus­baubeiträge ab. Einwände der Beitragspflichtigen gegen die Kostenumlage können in mehrerlei Hinsicht kommen: Die Parkplätze seien nicht notwendig, weil die bisherigen Abstell­flächen auf der Fahrbahn ausgereicht hätten; durch die Bau­maßnahme hätte sich die Anzahl der seitherigen Parkplätze verringert; die Parkplätze seien zu weit entfernt; die Parkplätze seien nur aus städtebaulichen Gründen gebaut worden, um die innerstädtische Parkplatznot zu bekämpfen; die Parkplätze würden nur von Fremdparkern genutzt oder kämen der Ge­meinde zugute, die Parkgebühren kassiere. Diesen Fragen geht der Beitrag nach.

Exemplarische Gerichtsurteile

  1. Verwaltungsgericht Koblenz, Urteil vom 04.03.2020, Az. 4 K 899/19.KO): Das Verwaltungsgericht Koblenz erklärte eine kommunale Satzung für unwirksam, da die Bildung eines einheitlichen Abrechnungsgebiets für die gesamte Gemeinde, bestehend aus Wohn- und Gewerbegebieten, gegen das Gebot der Belastungsgleichheit verstieß. Aufgrund des höheren Aufwands im Gewerbegebiet war eine Umverteilung der Beiträge zu Lasten der Wohngebiete gegeben, was das Gericht als unzulässig ansah.
  2. Verwaltungsgericht Schleswig, Urteil vom 17.01.2019: Das Gericht erklärte eine Satzung für unwirksam, da die Bildung eines Abrechnungsgebiets, das Ortsstraßen und Wirtschaftswege umfasste, eine unzureichende Differenzierung darstellte und somit eine ungleichmäßige Belastung der Anlieger zur Folge hatte.
  3. Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 10.12.2014, Az. 6 A 10852/14.OVG): Das OVG Rheinland-Pfalz entschied, dass Gewerbegebiete aufgrund des höheren Ausbauaufwands in der Regel nicht zusammen mit Wohngebieten zu einer Abrechnungseinheit zusammengefasst werden dürfen. Der höhere Aufwand in Gewerbegebieten würde zu einer ungerechtfertigten Umverteilung der Beitragshöhe führen, wodurch die Belastungsgleichheit verletzt wäre.
  4. Verwaltungsgerichtshof Kassel, Urteil vom 04.04.1995, Az 5 TH 1264/93: Der Antragsteller hatte gegen die Beitragsbescheide geklagt, die ihn zur Zahlung von Straßenbeiträgen für mehrere Grundstücke verpflichteten. Das Gericht entschied, dass die Heranziehung teilweise rechtswidrig war, da nur ein Teil der abgerechneten Straßenbaumaßnahme beitragsfähig war. Insbesondere wurde die Erneuerung des Gehwegs als nicht beitragsfähig angesehen, da keine wesentliche Verbesserung der Verkehrssicherheit nachgewiesen werden konnte. Die Ergänzung der Gehweganlage um ein fehlendes Teilstück und die Errichtung einer Stützmauer wurden jedoch als beitragsfähig anerkannt. Das Gericht setzte die sofortige Vollziehung der Beitragsbescheide teilweise aus und ordnete eine Neuberechnung der Beiträge an.
  5. Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 7. Mai 2015, Az 5 A 2124/13: 
    Die Stadt Flörsheim hatte im Rahmen der Sanierung von Kanal- und Wasserleitungen Arbeiten an der Thomas-Mann-Straße durchgeführt und einen Straßenbeitrag festgesetzt. Die Klägerin, Eigentümerin eines angrenzenden Grundstücks, focht diesen Bescheid teilweise an. Sie argumentierte, dass die Straße weder erneuerungsbedürftig gewesen sei noch eine Funktionsverbesserung erfahren habe, die die Beitragserhebung rechtfertigen könnte.
    Das Gericht stellte fest, dass die Straße trotz ihres Alters von etwa 40 Jahren keinen Zustand aufwies, der eine grundlegende Erneuerung notwendig gemacht hätte. Auf den vorgelegten Fotografien war die Straße ohne sichtbare Schäden erkennbar, und auch das vorliegende Gutachten ließ keine ausreichenden Beweise für eine mangelnde Frostschutzschicht erkennen. Zudem hatte die Straße während ihrer bisherigen Nutzung keinerlei Frostschäden gezeigt, was nach Auffassung des Gerichts den Anschein eines ausreichenden Frostschutzes begründet. Auch eine maßgebliche Verbesserung des Straßenaufbaus konnte nicht nachgewiesen werden, da keine eindeutigen Mängel an der ursprünglichen Konstruktion dokumentiert wurden. Da ein beitragsfähiger Tatbestand weder im Sinne einer schlichten Erneuerung noch im Sinne einer Verbesserung festgestellt werden konnte, erklärte der Verwaltungsgerichtshof die Beitragserhebung für unrechtmäßig. Damit wurde die Berufung der Stadt Flörsheim zurückgewiesen. Die Stadt wurde zur Übernahme der Verfahrenskosten verpflichtet, und die Revision gegen das Urteil wurde nicht zugelassen.

Beispiel: Straßenausbaubeiträge in Hessen

In Hessen sind die Straßenausbaubeiträge seit 2013 keine Pflicht mehr, sondern unterliegen einer Kann-Bestimmung des Kommunalabgabengesetzes (§ 11 KAG Hessen). Dennoch waren viele finanzschwache Gemeinden durch die Kommunalaufsicht gezwungen, Beiträge zu erheben, um ihren Haushalt auszugleichen. Dies führte zu Protesten seitens der Bürger und sogar zu strafrechtlichen Ermittlungen gegen Kommunalpolitiker, wie im Fall Pfungstadt. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof stellte klar, dass die Bildung von Abrechnungsgebieten genau bestimmt sein muss und auf die tatsächlichen örtlichen Gegebenheiten abzustellen ist. 

Die rechtliche Situation in Hessen zeigt deutlich die Schwierigkeiten bei der Erhebung von Straßenausbaubeiträgen auf. In Hessen schreibt das Kommunalabgabengesetz (KAG) seit 2013 eine Kann-Bestimmung vor, die es den Gemeinden erlaubt, aber nicht zwingend vorschreibt, Straßenausbaubeiträge zu erheben. Diese Regelung wurde als Kompromiss eingeführt, nachdem viele Gemeinden die Abschaffung der Pflicht zur Erhebung gefordert hatten.

Pflicht zur Erhebung bei Haushaltsdefizit

Bis 2018 bestand in Hessen eine indirekte Pflicht zur Erhebung von Straßenausbaubeiträgen, wenn Gemeinden ihren Haushalt nicht aus eigener Kraft ausgleichen konnten. Die Kommunalaufsicht konnte dann verlangen, dass die Gemeinde ihre Einnahmemöglichkeiten ausschöpft, um Defizite zu kompensieren. Im Jahr 2018 wurden die Regelungen weiter gelockert, indem die Verpflichtung zur Erhebung von Straßenausbaubeiträgen auch für finanzschwache Gemeinden entfiel, wenn sie anderweitige Haushaltsmittel zur Verfügung stellen konnten.

Foto(s): cs


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