Krankem Kind Medikamente für Erwachsene injiziert - Versuchter Mord oder Fahrlässigkeit?

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Bedingter Tötungsvorsatz


„Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft“, § 212 StGB (Strafgesetzbuch). Wer dagegen „durch Fahrlässigkeit den Tod eines Menschen verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft“, § 222 StGB. 


Die Abgrenzung von bedingtem Vorsatz und bewusster Fahrlässigkeit stellt regelmäßig ein Problem in Klausuren und in der Praxis dar. Wer den Eintritt des Todes als mögliche Folge seines Handelns erkennt (Wissenselement) und billigend in Kauf nimmt (Willenselement) handelt mit bedingtem Tötungsvorsatz. 


Bei eine hohen und anschaulichen Lebensgefährlichkeit der Tatausführung, ohne dass der Täter tatsachenbasiert auf einen glücklichen Ausgang vertrauen kann, liegt nach Auffassung des Bundesgerichtshofes die Annahme eines bedingten Tötungsvorsatzes nahe. So zum Beispiel beim Stoßen eines Menschen ins Gleisbett einer einfahrenden U-Bahn.


Kind Medikamente injiziert


Doch in den vielen Fällen finden sich nicht so klare Anzeichen. Wann sonst ein bedingter Tötungsvorsatz anzunehmen ist und was bei der Prüfung zu berücksichtigen ist, stellte der Bundesgerichtshof (5 StR 28/22) in seinem Beschluss vom 10. Mai 2022 klar. Bei der Angeklagten handelte es sich um die Mutter der Geschädigten, die zur Zeit der Tat in einem Kinderkrankenhaus lag. 


Die Angeklagte, die als Krankenschwester tätig ist, verabreichte ihrer vierjährigen Tochter mehrere Medikamente, unter anderem das nur für Erwachsene zugelassene Schlafmittel Zopiclon, welches in Verbindung mit einem der anderen Medikamente in einer lebensgefährlichen Dosis verabreicht wurde. Das Kind baute die Substanzen jedoch auf natürlicher Weise ab, sodass keine akute Lebensgefahr bestand. Das Landgericht Hamburg verurteilte die Angeklagte wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung.


Entscheidung des Bundesgerichtshofes


Der Bundesgerichtshof führt jedoch aus, dass wenn die Annahme eines bedingten Tötungsvorsatzes nicht wegen einer hohen und anschaulichen Lebensgefährlichkeit der Tatausführung naheliegt, eine umfassende Gesamtwürdigung vorgenommen werden muss. Dabei müssen alle für und gegen einen Tötungsvorsatz sprechenden Umstände berücksichtigt und abgewogen werden. 


Dabei geht der Bundesgerichtshof unter anderem auf die Tätigkeit der Angeklagten als Krankenschwester ein, welche in Kenntnis darüber war, dass das Schlafmittel nur für Erwachsene zugelassen ist. Jedoch müsse auch berücksichtigt werden, dass sich die Angeklagte bis zur Tat immer fürsorglich um ihre Kinder kümmerte. Auch konnte die Angeklagte aufgrund der regelmäßig durchgeführten Urinproben, mit einer baldigen Entdeckung rechnen. Ein außertatbestandliches Motiv ist nicht ersichtlich. Aufgrund der fehlenden Gesamtwürdigung der Umstände hob der Bundesgerichtshof den Schuldspruch auf.


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