Krankheitsbedingte Kündigung - Diskriminierung wegen Behinderung? Unwirksam?

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Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufgepasst: Vorsicht bei Kündigungen, wenn ein Arbeitnehmer länger als sechs Monate arbeitsunfähig ist, denn: ein solcher Arbeitnehmer könnte als behinderter (nicht unbedingt schwerbehinderter) Arbeitnehmer einzustufen sein mit der Folge, dass eine Kündigung besonderen Anforderungen unterliegt.

Definition Behinderung

Menschen mit Behinderung sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben und welche es zur Folge haben, dass sie länger als sechs Monate an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft gehindert sind (siehe auch § 2 Abs. 1 SGB IX).

Dies bedeutet – sehr vereinfacht ausgedrückt -  dass Menschen, die länger als sechs Monate unter physischen, geistigen oder psychischen Beeinträchtigungen leiden und deshalb nicht arbeiten können/arbeitsunfähig sind, als behindert im Sinne des SGB IX angesehen werden können.

Mittelbare Diskriminierung und Entschädigungsansprüche

Wird das Arbeitsverhältnis eines solchen Arbeitnehmers vom Arbeitgeber vordergründig krankheitsbedingt (also personenbedingt) gekündigt, kann dies als eine mittelbare Diskriminierung wegen der Behinderung angesehen werden. Diesen Grundsatz lehnt das Bundesarbeitsgericht zwar noch ab (vgl. BAG 28. April 2011, 8 AZR 515/10). Interessant bzw. “gefährlich“ sind jedoch zwei Entscheidungen des EUGH (Noble Plastiques Iberia, C 397/18 vom 11. September 2019 sowie Carlos Enrique Riuz Conejero, C 2700/16 vom 18. Januar 2018) sowie die UN-Behindertenrechtskonvention und auch Art 5 der RL 2000/78 EG, welche Einfluss auf die Rechtsprechung / die Wirksamkeit einer solchen Kündigung haben.

Angemessene Vorkehrungen

Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, dass eine Kündigung eines behinderten Arbeitnehmers mittelbar diskriminierend und daher gem. § 134 BGB unwirksam sein kann (und sogar Entschädigungsansprüche nach § 15 Abs. 2 AGG auslösen kann). Dies insbesondere dann, wenn Arbeitgeber vor Ausspruch der Kündigung keine angemessenen Vorkehrungen versucht haben zu ergreifen, um eine Beschäftigung des behinderten Arbeitnehmers zu ermöglichen und eine Kündigung zu vermeiden. Angemessene Vorkehrungen sind materielle, aber auch organisatorische Maßnahmen oder auch eine Verkürzung der Arbeitszeit gegen eine entsprechende Kürzung des Arbeitsentgeltes. Arbeitgeber sollten daher z.B. prüfen, ob sie die Arbeitsumgebung oder Arbeitsorganisation ändern können um einen Behinderten (nicht schwerbehinderten!) Arbeitnehmer weiterbeschäftigen zu können. Weiterhin ist die Versetzung des Arbeitnehmers auf eine freie Stelle zu prüfen (welche der Qualifikation und Eignung des Arbeitnehmers entspricht).

Für Arbeitgeber
 Im Ergebnis ist Arbeitgebern somit zu empfehlen, wachsam zu sein und sich von einem Fachanwalt für Arbeitsrecht vor Ausspruch einer Kündigung beraten zu lassen; denn ein Arbeitnehmer, der länger arbeitsunfähig ist, kann als behindert einzustufen sein mit der Folge, dass für die Wirksamkeit der Kündigung Besonderheiten gelten.  Auch wenn die Arbeitsunfähigkeitszeiten eines solchen Arbeitnehmers vielleicht eine wirksame krankheits-/personenbedingte Kündigung an sich rechtfertigen könnte, kann gleichzeitig der Bereich einer mittelbaren Diskriminierung eines Behinderten eröffnet sein mit der Folge der Unwirksamkeit der Kündigung gem. § 134 BGB.  Die weitere Konsequenz könnten Entschädigungsansprüche nach dem AGG sein.

Für Arbeitnehmer

Arbeitnehmern ist anzuraten, sich nach Erhalt einer krankheits-/personenbedingte Kündigung von einem Fachanwalt für Arbeitsrecht beraten zu lassen. Insbesondere bei einer über 6 Monate andauernden Arbeitsunfähigkeit ist zu prüfen, ob die Kündigung nicht wegen einer mittelbaren Diskriminierung unwirksam ist, eine Kündigungsschutzklage zu erheben ist und Entschädigungsansprüche geltend gemacht werden können.

Die „Feinheiten“ der Rechtsprechung darzustellen wäre für diesen Artikel zu weitführend. Die   Einzelfallumstände sind entscheidend und individuell zu prüfen. Für schwerbehinderte Arbeitnehmer gelten andere Besonderheiten.

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