Kündigung Betriebsrat: Private Telefonate als Dienstgespräche deklariert

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„Deklariert der Arbeitnehmer Privatgespräche von seinem Dienstapparat fälschlicherweise als vom Arbeitgeber zu zahlende Dienstgespräche, so liegt darin eine erhebliche Vertragspflichtverletzung, die die Loyalität und Ehrlichkeit des Arbeitnehmers berührt. Inwieweit eine solche Handlung das Vertrauen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zerstört und ob dem Arbeitgeber dadurch die Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, hängt von den Umständen ab. Die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung setzt allerdings voraus, dass der Arbeitgeber mit einer betrieblichen Regelung unmissverständlich zum Ausdruck bringt, dass Privatgespräche zu kennzeichnen und ihre Kosten vom Arbeitnehmer zu tragen sind.“ So der redaktionelle Leitsatz von Beck-online.de in Bezug auf das Urteil des LAG Hamm, Urteil vom 28. 11. 2008 - 10 Sa 1921/07 (ArbG Bielefeld Urteil 12. 9. 2007 3 Ca 1653/07).

Was ist passiert?

LAG Hamm: „Dem Kl. stand ein Dienstwagen mit 7500 privaten Freikilometern zur Verfügung. Seit 1993 war der Kl. Mitglied des im Betrieb der Bekl. gewählten Betriebsrats, der aus neun Personen besteht. Dort verstand er sich als Interessenvertreter der Außendienstmitarbeiter. In dem seit der Wahlperiode ab 28. 3. 2006 neu gewählten Betriebsrats war der Kl. zunächst lediglich Ersatzmitglied. Am 25. 10. 2006 rückte er als Betriebsratsmitglied für das ausgeschiedene Betriebsratsmitglied P in den Betriebsrat nach, wobei er zuvor als Ersatzmitglied lediglich an der Betriebsratssitzung vom 13. 10. 2006 teilgenommen hatte…Im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses mit der Ehefrau des Kl., die nach dem Eindruck der Bekl. vom Kl. äußerst aktiv unterstützt wurde, und in dem Mitarbeiter der Bekl., teilweise auch ehemalige Mitarbeiter, als Zeugen benannt wurden, kam der Bekl. der Verdacht, dass der Kl. unter Umständen während seiner Dienstzeit mit seinem Diensttelefon zu ihren Lasten Privatgespräche geführt haben könnte. Die Bekl. überprüfte daraufhin alle dienstlichen Mobilfunkrechnungen des Kl. im Zeitraum von September 2005 bis April 2007. Diese Überprüfung erfolgte am 6. 6. 2007 und ergab nach Auffassung der Bekl., dass ein Großteil der als dienstlich deklarierten Telefonate privater Natur war. Unter den vom Kl. dienstlich geführten Telefonaten, die nach Auffassung der Bekl. Privatgespräche gewesen sein sollen, fanden sich zahlreiche Telefonate, die der Kl. mit seinem Sohn S, einem ausgebildeten Apotheker, auf dessen Handy und mit seiner Ehefrau zu Hause unter der Festnetznummer oder auf deren Handy geführt hat. Ferner stellte die Bekl. zahlreiche Telefonate fest, die der Kl., Mitglied der IG BCE, mit der IG BCE in H., mit seinem jetzigen Prozessbevollmächtigten, Herrn Rechtsanwalt J bzw. mit Frau Rechtsanwältin E geführt hat. Als Privatgespräche klassifizierte die Bekl. außerdem Telefonate des Kl. zu seinen Betriebsratskollegen G und K, beide Ersatzmitglieder im Betriebsrat, wobei Frau K langzeiterkrankt war.“ Quelle: Beck-online.de

Fristlose Kündigung zum Nachteil des Betriebsratsmitgliedes laut LAG Hamm gerechtfertigt

„Die außerordentliche Kündigung vom 12. 6. 2007 ist wirksam. Sie hat das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien mit Zugang des Kündigungsschreibens vom 12. 6. 2007 wirksam beendet…In der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte ist anerkannt, dass unerlaubte private Telefongespräche, die über die betriebliche Fernsprechanlage auf Kosten des Arbeitgebers geführt werden, grundsätzlich zur fristlosen Kündigung berechtigen können. Führt der Arbeitnehmer gemäß betrieblicher Regelung private Telefongespräche von seinem Dienstapparat, deklariert er diese aber fälschlicherweise als vom Arbeitgeber zu zahlende Dienstgespräche, so liegt darin eine erhebliche Vertragspflichtverletzung, die den Vertrauensbereich, die Loyalität und Ehrlichkeit des Arbeitnehmers berührt. In welchem Maße eine solche Handlung das Vertrauen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zerstört, ob dem Arbeitgeber dadurch insbesondere eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar wird, oder ob eine Abmahnung der Vertragsstörung hinreichend Rechnung tragen kann, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Voraussetzung für die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung ist allerdings in derartigen Fällen, dass der Arbeitgeber mit einer klaren betrieblichen Regelung unmissverständlich zum Ausdruck bringt, dass Privatgespräche zu kennzeichnen und ihre Kosten vom Arbeitnehmer zu tragen sind.“ Quelle: Beck-online.de

Private Telefonate wurden als Dienstgespräche deklariert

LAG Hamm: „Der Kl. hat in der Vergangenheit in erheblichem Umfange, zunehmend insbesondere ab Herbst 2006, private Telefonate geführt und diese als Dienstgespräche deklariert mit der Folge, dass die Bekl. mit den entsprechenden Kosten belastet wurde. Damit hat der Kl. in erheblicher Weise gegen die Vereinbarung über die Nutzung des firmeneigenen Mobiltelefons vom 1. 9. 2005 verstoßen…Auf Grund des Vorbringens des Kl. konnte die Berufungskammer nicht davon ausgehen, dass diese unstreitig als dienstlich deklarierten Telefonate tatsächlich dienstlicher Natur gewesen sind. Der Kl. hat nicht in ausreichender Weise darzustellen vermocht, dass es sich bei diesen Telefonaten nicht um unerlaubte private Telefongespräche gehandelt hat…Der Kl. hat schon nicht ausreichend substanziiert nachgewiesen, dass es sich bei den zahlreichen mit seinem Sohn geführten Telefonate um dienstliche oder dienstlich veranlasste Gespräche gehandelt hat. Allein in dem Zeitraum vom 25. 1. 2006 bis zum 27. 4. 2007 hat der Kl. 49 Telefonate mit seinem Sohn geführt, ohne in ausreichender Weise darzustellen, welchen Inhalt diese Telefonate gehabt haben. Sein Vorbringen, sein Sohn habe ihn im Wesentlichen bei computertechnischen Belangen sowie bei zahlreichen pharmazeutischen Fragestellungen im Apotheken-Außendienst unterstützt, ist unsubstanziiert. Der Kl. hat nicht in ausreichendem Maße dargestellt, aus welchen Gründen er in pharmazeutischen Fragen die von der Bekl. zuständigen Mitarbeiter nicht in Anspruch genommen hat. Hinzu kommt, dass der Kl. seinen Sohn häufig während der Zeit seiner Arbeitsunfähigkeit (8. 3. 2006, 11.30 Uhr und 11.48 Uhr), darüber hinaus im Urlaub (8. 2. 2007, 10.30 Uhr, 4. 5. 2007 – 5. 5. 2007), an Samstagen und Sonntagen (6. 5. 2006, 3. 12. 2006 – 10. 12. 2006, 13. 1. 2007 – 14. 1. 2007, 7. 4. 2007) angerufen hat….Das Gleiche gilt für die häufigen Telefonate des Kl. mit seiner Ehefrau. Auch insoweit hat der Kl. den dienstlichen Anlass für die unstreitig mit seiner Ehefrau geführten Telefonate nicht in ausreichender Weise substanziiert dargestellt.“ Quelle: Beck-online.de

Keine vorherige Abmahnung erforderlich

LAG Hamm: „Eine vorherige Abmahnung ist unter Berücksichtigung dieses Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ausnahmsweise entbehrlich, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft trotz Abmahnung nicht erwartet werden kann oder es sich um eine solche schwere Pflichtverletzung handelt, deren Rechtswidrigkeit dem Arbeitnehmer ohne Weiteres erkennbar ist und bei der eine Hinnahme des Verhaltens durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen werden kann…Der Kl. musste auf Grund der Vereinbarung vom 1. 9. 1995 vielmehr davon ausgehen, dass er durch diese Vertragspflichtverletzung seinen Arbeitsplatz aufs Spiel setzt.“ Quelle: Beck-online.de

Rechtsanwalt Helmut Naujoks ist seit 25 Jahren ausschließlich als Anwalt für Arbeitgeber im Arbeitsrecht tätig. Haben Sie Fragen in Bezug auf die Kündigung von Mitarbeitern/innen? Rufen Sie noch heute Rechtsanwalt Helmut Naujoks an, Spezialist als Anwalt für Arbeitgeber im Arbeitsrecht. In einer kostenlosen und unverbindlichen telefonischen Ersteinschätzung beantwortet Rechtsanwalt Helmut Naujoks Ihre Fragen zum Kündigungsschutz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie zu den Rechten und Pflichten des Betriebsrats gemäß Betriebsverfassungsgesetz.


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