Kündigung wegen antisemitischer Aussagen! (Aktuelles Urteil, Arbeitgeber: Deutsche Welle)

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Ein Beitrag von Fachanwalt für Arbeitsrecht Alexander Bredereck und Dr. Attila Fodor, Berlin.

Einer Redakteurin der Auslandsrundfunks der Bundesrepublik, der Deutschen Welle, wurde wegen vergangener antisemitischer Äußerungen gekündigt. Dagegen hat sie vor dem Arbeitsgericht Berlin geklagt. Das Gericht hat die Kündigung nun in erster Instanz kassiert. Das berichtet die Süddeutsche Zeitung in einem online-Beitrag vom 04.11.2022.

Unter welchen Voraussetzungen ist eine Kündigung wegen antisemitischer Äußerungen wirksam, wenn die Äußerungen, wie hier, nicht am Arbeitsplatz erfolgt sind und zeitlich vor Beginn des Arbeitsverhältnisses stattfanden? Und: Woran ist diese Kündigung gescheitert? Dazu der Kündigungsschutzexperte Anwalt Bredereck:

Das Gericht hat deutlich gemacht, dass antisemitische und antiisraelische Äußerungen eines Arbeitnehmers selbstverständlich eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen können, erst recht, wenn der Arbeitnehmer bei einem Medienhaus arbeitet und deshalb beruflich von weiten Teilen der Öffentlichkeit wahrgenommen wird.

Grundsätzlich kommt in diesen Fällen die fristlose Kündigung in Frage, in jedem Fall aber die verhaltensbedingte ordentliche Kündigung.

Nur sind die Äußerungen gefallen, als noch kein Arbeitsvertragsverhältnis zwischen der Redakteurin und der Deutschen Welle bestand. Daher konnte die Arbeitnehmerin nach Auffassung des Gerichts mit ihren damaligen Äußerungen nicht gegen ihre Pflichten aus dem, später eingegangenen, Arbeitsverhältnis, namentlich eine Rücksichtnahmepflicht gegenüber ihrem Arbeitgeber, verstoßen.

Die Entscheidung beruht auf dem Gedanken, dass Menschen wegen einer einmal getätigten Äußerung keinen „Stempel“ abbekommen sollten, der ihnen bestimmte Berufswege für immer verwehrt. Man sollte gemäß dem Grundrecht auf freie Berufswahl grundsätzlich die Chance haben, Vergangenes zu bereuen und sich davon zu distanzieren, und sich und seine Auffassungen zu überdenken und zu ändern.

Dementsprechend prüft das Gericht bei vergangenen antisemitischen Äußerungen die Umstände des Einzelfalls und berücksichtigt, ob sich der Arbeitnehmer von seinen Äußerungen distanziert, sie bereut und sich öffentlich entschuldigt hat.

Von einem Fernseh- und Radiosender kann man nicht erwarten, einen Antisemiten als Arbeitnehmer zu beschäftigen, mithin jemanden, der sich antisemitisch geäußert hat. Handelt es sich aber um einen ehemaligen Antisemiten, der öffentlich Abbitte geleistet hat, der seine Äußerungen bereut und heute eine andere Meinung hat, muss der Arbeitgeber das bei seiner Kündigung grundsätzlich berücksichtigen. Ob das reicht, hängt davon ab, wie stark die Verfehlungen waren und wie glaubhaft die Entschuldigung des Arbeitnehmers ist.

Dabei kann es für die Wirksamkeit der Kündigung entscheidend sein, dass die Entschuldigung vor Ausspruch der Kündigung erfolgt ist. Je spontaner und früher man sich für eine Verfehlung entschuldigt, desto mehr Gewicht wird dem regelmäßig durch das Arbeitsgericht beigemessen. Das gilt für arbeitsvertragliche Pflichtverletzungen ebenso, wie für vergangene Äußerungen, die den Werten und Leitlinien des Arbeitgebers widersprechen.

Wegen der Bedeutung des Arbeitgebers und seinem Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit als Auslandssender der Bundesrepublik hätte das Gericht meiner Meinung nach aber ebenso anders entscheiden können und die Kündigung für wirksam halten können.

Fachanwaltstipp für Arbeitnehmer: Werden Vorwürfe wegen vergangener Äußerungen gegen Sie beim Arbeitgeber spürbar, rate ich dazu, umgehend Rechtsrat einzuholen. Gehen Sie am besten zu einem erfahrenen und auf Kündigungsschutz spezialisierten Anwalt oder Fachanwalt für Arbeitsrecht und besprechen Sie mit ihm die beste Vorgehensweise. Gegebenenfalls kann eine sofortige, öffentliche Entschuldigung Ihr Arbeitsverhältnis retten oder zumindest Ihre Aussichten auf eine Abfindung verbessern.

Mit dem Experten sollten Sie am besten vor der Anhörung gesprochen haben, oder vor dem Personalgespräch, wo Ihnen die Kündigung oder ein Aufhebungsvertrag vorgelegt wird.

Als Arbeitnehmer muss man davon ausgehen, dass der Arbeitgeber im Fall von vergangenen oder aktuellen antisemitischen Äußerungen im Zweifel immer kündigen wird und die Entscheidung darüber, ob die Umstände des Einzelfalls vielleicht doch für eine Unwirksamkeit der Kündigung sprechen könnten, dem Arbeitsgericht überlässt.

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