Lange Freistellungszeiträume nicht immer risikolos!

  • 2 Minuten Lesezeit

Sachverhalt: 

Das Arbeitsverhältnis des Klägers endete mit Wirkung zum 30.06.2015. Zuvor war er seit dem 11.08.2014 unwiderruflich freigestellt. In dieser Zeit hatte er Anspruch auf ein Arbeitsentgelt i.H.v. 5.950 bzw. 6.050 Euro brutto monatlich. Im Jahr 2013 konnte er 5.800 Euro monatlich beanspruchen. Die Bundesagentur für Arbeit ließ als Beklagte die Zeit der Freistellung unberücksichtigt und erweiterte in Konsequenz dessen den Bemessungsrahmen auf zwei Jahre. Der Kläger habe in der Zeit vom 01.07.2013 bis zum 30.06.2015 an 396 Tagen beitragspflichtiges Arbeitsentgelt erzielt, aus dem sich das Leistungsentgelt berechne.

Das LSG München hat diese Entscheidung bestätigt.

Die Zeit der unwiderruflichen Freistellung zähle nicht zum Bemessungszeitraum. Denn der Kläger sei mit Beginn der Freistellung zum 11.08.2014 aus der Beschäftigung ausgeschieden. Maßgeblich sei, ob ein Beschäftigungsverhältnis im leistungsrechtlichen Sinne bestehe. Hierfür wiederum sei entscheidend, ob ein Versicherter tatsächlich beschäftigt werde. Dass auch während der Freistellung Beiträge gezahlt würden, sei insoweit ohne Bedeutung. Äquivalent der Beiträge sei „der Zustand des Versichertseins“, nicht aber eine konkrete Leistung. Die Fortzahlung der Bezüge während der Freistellung habe den Charakter einer Abfindungszahlung. Dass der Kläger bis zum 30.06.2015 in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden habe, sei lediglich für die Bestimmung des Bemessungsrahmens von Bedeutung.

(Brackelmann, jurisPR-SozR 7/2018 Anm. 1; LSG München 10. Senat, Urteil vom 19.09.2017 – L 10 AL 67/17)

Was für ein Arbeitnehmer auf den ersten Blick ein „süßes Bonbon“ bei der Beendigungsvereinbarung mit dem Arbeitgeber darstellt, kann zur „bitteren Pille“ werden, wenn im Anschluss an einen langen (unwiderruflichen) Freistellungszeitraum die Arbeitslosigkeit anschließt und Leistungen der Agentur für Arbeit in Form von ALG I bezogen werden soll. 

Ist nämlich im erweiterten Bemessungsrahmen kein ausreichender Bemessungszeitraum (150 Tage sozialversicherungspflichtiges Arbeitsentgelt), nehmen die Arbeitsagentur eine Einstufung gemäß § 152 Abs.2 SGB III vor.

So kann es passieren, dass jemand der im Arbeitsverhältnis eine Vergütung erhalten hat, bei der ein Anspruch auf ALG I bis hin zur Höchstgrenze zu zahlen wäre, letztlich auf einen deutlich geringeren ALG I Betrag „fällt“. § 152 SGB III orientiert sich nämlich nicht an der zuletzt (in der unwiderruflichen Freistellung) bezogenen Vergütung, sondern gruppiert nach dem Ausbildungsstand ein. So kann ein z. B. angelernter Arbeiter, der es geschafft hat, ohne Ausbildung aber aufgrund langjähriger Berufserfahrung einen überdurchschnittlichen Verdienst zu erzielen, auf einen sehr niedrigen ALG-Anspruch kommen. 

Hier gilt es achtsam zu sein und bei jeglicher Beendigungsvereinbarung mit dem Arbeitgeber hierauf ein Augenmerk zu legen. 

Aber auch, wenn ein entsprechender Bescheid der Arbeitsagentur vorliegt, lohnt sich oftmals der Widerspruch.

Ihr 

Oliver Stemmer

Fachanwalt für Arbeitsrecht

Fachanwalt für Sozialrecht


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Oliver Stemmer

Beiträge zum Thema