Mietminderung, Kündigung & Co.: Das sollten Gewerbemieter in der Corona-Krise wissen

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Mitte März 2020 wurde in Abstimmung von Bund und Ländern per Erlass der jeweiligen Bundesländer geregelt, dass u. a. Einzelhandelsgeschäfte für eine bestimmte Frist geschlossen bleiben müssen. Für viele Gewerbemieter ist das eine finanzielle Katastrophe: Die Einnahmen haben sich oft auf null oder nahe null reduziert – gleichzeitig laufen die Kosten für Mietzahlungen weiter. 

Stellt sich die Frage: Haben behördliche Verfügungen Auswirkungen auf den Mietvertrag? Ist die Miete weiter zu bezahlen, auch wenn man vollständig schließen muss (z. B. Frisöre) bzw. nur noch über Onlineshops und Lieferungen (z. B. Blumen, Bücher etc.) Einnahmen erzielen kann?

Was passiert mit dem Mietvertrag? 

Auch in Zeiten, in denen ein Ladengeschäft wegen der Corona-Krise wegen behördlicher Verfügungen geschlossen bleiben muss, besteht der Gewerbemietvertrag unverändert weiter: Er ist eine privatrechtliche Vereinbarung, auf deren Bestehen behördliche Verfügungen keine Auswirkung haben. Mieter und Vermieter können die Corona-Krise aber zum Anlass nehmen, um den Mietvertrag einvernehmlich und freiwillig (temporär) anzupassen, also z. B. eine reduzierte Miete oder ein Aussetzen der Miete zu vereinbaren.

Tipp! Ein Blick in den Mietvertrag hilft herauszufinden, welche Möglichkeiten Mieter derzeit ggf. aus dem Mietvertrag haben. Vielleicht gibt es Regelungen, die die aktuelle Situation erfassen und z. B. zu einer Mietreduzierung berechtigen oder die Mietzahlungspflicht automatisch reduzieren (z. B. bei Umsatzmiete). 

Kann man wegen behördlichen Verfügungen Miete mindern?

Grundsätzlich ist eine Mietminderung wegen behördlicher Beschränkungen im Gewerbemietrecht nicht möglich. Der Grund dafür: Nur wenn ein „Mietmangel“ aus dem Verantwortungsbereich des Vermieters stammt, ist eine Mietminderung möglich. Das ist bei behördlichen Verfügungen nicht der Fall. Das Risiko behördlicher Beschränkungen trifft deswegen grundsätzlich den Mieter. Eine Mietminderung scheidet deswegen grundsätzlich aus. 

Das gilt auch für Geschäfte, die von den behördlichen Verfügungen selbst nicht betroffen sind (Apotheken, Supermärkte), geöffnet bleiben dürfen, aber z. B. in einem Einkaufszentrum / einer Shoppingmall liegen: Haben Kunden weiterhin normal Zugang zum Ladengeschäft, ist eine Mietminderung nicht möglich. Gibt es Zugangsbeschränkungen oder wird das Einkaufszentrum / die Shoppingmall komplett geschlossen, ist im ersten Fall eine teilweise Mietminderung denkbar, im zweiten Fall sogar eine Minderung um 100 %.

§ 313 BGB: Anspruch auf Anpassung der Miete wegen Corona-Krise? 

Ist eine Nutzung der Gewerbefläche wegen behördlicher Verfügung aufgrund der Corona-Krise gar nicht mehr möglich, z. B. im Einzelhandel außer Lebensmittel oder Apotheken, könnte § 313 BGB ein Lösungsansatz sein, die Miete zu reduzieren, im Extremfall um 100 %. § 313 BGB besagt:

„Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.“

Selbst wenn man diese Vorschrift anwenden kann, bedeutet das jedoch nur, dass man als Mieter einen Anspruch auf Anpassung des Vertrages hat. § 313 BGB berechtigt nicht dazu, die Miete nicht oder weniger Miete zu bezahlen. Außerdem wird es hier stark auf den Einzelfall ankommen: Konnte man trotz fehlendem Publikumsverkehr die Fläche dennoch nutzen, um z. B. Bestellungen entgegenzunehmen und zu bearbeiten oder fiel das gesamte Geschäft weg, wie z. B. bei Frisören oder Physiotherapie-Praxen?

Ob und wie die Gerichte die Anwendung des § 313 BGB in der aktuellen Situation beurteilen werden, ist unklar, eine vergleichbare Situation gab es bisher schlichtweg nicht in Deutschland. Es ist aber denkbar, dass Gewerbemieter eine Anpassung des Mietvertrages verlangen können, und zwar für den Zeitraum, in dem die Gewerbeflächen nicht (komplett) wie vertraglich vereinbart nutzbar ist. Dieser Anspruch dürfte dann dazu führen, dass der Mietvertrag für den Zeitraum der Beeinträchtigung im Hinblick auf den Mietzins angepasst wird, der Mieter also in dieser Zeit weniger Miete zahlen muss.

Droht Kündigung, wenn man einfach weniger Miete bezahlt?

Entscheidungen der Gerichte über solche Fälle abzuwarten, ist bei akuter Geldnot aber keine realistische Lösung. Darf man also einfach weniger oder keine Miete bezahlen, wenn das Geld knapp wird? Generell ist es nicht sinnvoll, den vereinbarten Mietzins nicht zu bezahlen oder weniger zu bezahlen. Denn das kann den Vermieter im Gewerbemietrecht zur Kündigung berechtigen. 

Aber: Für diese Situation wurde nun sehr kurzfristig gesetzlich Abhilfe geschaffen. Das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie regelt, dass ganz oder teilweise ausbleibende Mietzahlungen für den Zeitraum 01.04.2020–30.06.2020 Vermieter nicht zur Kündigung berechtigen (Kündigungsausschluss). Allerdings wird die nicht bezahlte Miete für diesen Zeitraum nur gestundet und nicht erlassen: Nicht oder nicht vollständig bezahlte Mietzahlungen müssen bis spätestens zum 30.06.2022 geleistet werden (sog. Moratorium). Das muss man bei der Finanzplanung „nach Corona“ unbedingt bedenken und sollte Mietzahlungen für April bis Juni 2020 nicht vorschnell einbehalten. 

Tipp! Reduziert sich die Miete für die Zeit der behördlichen Maßnahmen (einvernehmlich oder Anspruch aus §313 BGB), muss auch nur der reduzierte Betrag bis Ende Juni 2022 zurückbezahlt werden, wenn man nicht „pünktlich“ (alles) zahlt. Insofern kann man ggf. reduzieren, abwarten wie sich die Rechtsprechung entwickelt und dann den „richtigen“ Betrag bis 30.06.2022 nachzahlen. Das sollte aber nicht ohne Prüfung des Gewerbemietvertrages im Einzelfall geschehen!

Sonderkündigungsrecht für Mieter nach § 314 BGB? 

Steht wegen der Corona-Krise das Geschäft „vor dem Aus“, kann es für Mieter notwendig werden, den Mietvertrag möglichst schnell „loszuwerden“, um das Anhäufen von Mietschulden zu vermeiden. Dieses Risiko besteht v. a. bei befristeten Gewerbemietverträgen, die normalerweise während der Laufzeit unkündbar sind.

Hier kann in der derzeitigen Situation § 314 BGB eine Lösung sein. Er ermöglicht auch dem Gewerbemieter eine „Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses aus wichtigem Grund“ und besagt:

„Dauerschuldverhältnisse kann jeder Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.“

Führen die aktuellen behördlichen Verfügungen und die damit verbundenen Schließungen über Wochen dazu, dass das Gewerbe nicht mehr zu halten ist, ist die Anwendung dieser Norm durchaus vorstellbar. Das wird vor allem gelten, wenn behördliche Maßnahmen ggf. immer wieder verlängert werden und damit nicht absehbar ist, wann die Geschäftsfläche wieder (vollumfänglich) genutzt werden kann.

Mein Fazit für Gewerbemieter

Die Bundesregierung hat mit dem „Gesetz zur Bekämpfung der Folgen der Pandemie“ Regelungen geschaffen, die zwischen April und Juni 2020 finanziell Luft verschaffen können. 

Von dieser Möglichkeit der „risikolosen“ Reduzierung der Mietzahlungen sollte man allerdings wirklich nur Gebrauch machen, wenn man finanziell dringend darauf angewiesen ist. Denn derzeit ist noch vollkommen offen, ob Gewerbemieter z. B. einen Anspruch auf Anpassung der Mietzahlung nach § 313 BGB haben und: Ausbleibende bzw. reduzierte Mieten aus dieser Phase MÜSSEN bis Ende Juni 2022 in jedem Fall bezahlt werden. Denn für diese Mietzahlungen gilt derzeit „nur“: aufgeschoben ist hier nicht aufgehoben – ob reduzierte Miete oder nicht reduzierte Miete.

Kostenlose Erstberatung

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Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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