Mit dem Anwalt zum Chef – geht das?

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Häufig hört man als anwaltlicher Berater folgenden Satz: „Als meinen Anwalt hätte ich Sie gerne bei dem nächsten Gespräch mit meinem Arbeitgeber dabei.“ Egal ob der Arbeitgeber nun zu einem Personalgespräch einlädt wegen angeblicher Leistungsdefizite, zu einer Anhörung im Vorfeld einer beabsichtigten Abmahnung von angeblichem Fehlverhalten des Arbeitnehmers, einer Anhörung im Vorfeld einer Kündigung, einem Gespräch im Rahmen eines Betrieblichen Eingliederungsmanagements oder einem Präventionsgespräch, einem Gespräch über eine geplante Trennung oder auch wegen einer Änderung des Arbeitsvertrags oder der Vergütung, der Mandant möchte verständlicherweise dem Arbeitgeber nicht alleine gegenübertreten, und die Anwesenheit eines anwaltlichen Beraters wäre sicher in vielen Situationen hilfreich.

Allerdings lässt sich dies nicht so einfach bewerkstelligen, wie es scheint.

Der Arbeitgeber bestellt mich zum Gespräch ein – muss ich kommen?

Der Arbeitgeber kann den Arbeitnehmer im Rahmen von dessen arbeitsvertraglichen Pflichten jederzeit zu einem Personalgespräch bitten. Die Teilnahme an einem solchen Gespräch ist somit Teil der arbeitsvertraglichen Leistungspflichten und steht nicht im Belieben des Arbeitnehmers. Ausnahmsweise soll der Arbeitnehmer nur dann nicht erscheinen müssen, wenn es um eine Verhandlung oder Abänderung des Arbeitsvertrags geht. Denn dieser Gesprächsgegenstand betreffe nicht das Weisungsrechts des Arbeitgebers.

Dem Arbeitnehmer ist zu empfehlen, einen Gesprächswunsch des Arbeitgebers nicht abzuschlagen. Zu seinem Verhalten im Gespräch sollte er bei Zweifelsfragen anwaltlichen Rat einholen. Manchmal kann es auch ratsam sein, in einem Gespräch keine Äußerungen abzugeben. Der Arbeitgeber kann zwar ein Gespräch herbeiführen, aber das Gesprächsverhalten des Arbeitnehmers kann er nicht steuern.

Muss der Arbeitgeber mir vor dem Gespräch offenlegen, um was es in dem Gespräch gehen soll?

Nach der hier vertretenen Auffassung muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer vor dem Gespräch nicht immer sagen, um was es in dem Gespräch gehen soll. Dies hängt von der Gesprächssituation und dem konkreten Anlass ab. Will der Arbeitgeber schlicht mit dem Arbeitnehmer eine Besprechung wegen eines bevorstehenden Termins beim Kunden, Projektfragen oder sonstiger Arbeitsinhalte durchführen, muss er die Themen nicht im Einzelnen benennen. Anders ist es bei Gesprächen über das Verhalten oder etwaige Leistungsdefizite des Arbeitnehmers oder seine berufliche Entwicklung. Der Arbeitnehmer muss sich auf Gespräche, in denen es um etwaige von ihm begangene Pflichtverletzungen geht, vorbereiten können.

Gibt es einen Betriebsrat im Unternehmen, kann der Arbeitnehmer bei Gesprächen, in denen es um die Berechnung und Zusammensetzung seines Entgelts oder die Beurteilung seiner Leistungen oder die Möglichkeiten seiner beruflichen Entwicklung geht, ein Mitglied des Betriebsrats hinzuziehen. Dasselbe gilt bei Beschwerden des Arbeitnehmers bei den zuständigen Stellen im Betrieb oder bei Änderungen der Arbeitsabläufe, die möglicherweise einen Fortbildungsbedarf auslösen. Um prüfen zu können, ob der Arbeitnehmer ein Recht auf Hinzuziehung eines Betriebsrats hat, muss er wissen, ob es in dem Gespräch um die o. g. Themen gehen soll.

Gleiches gilt übrigens für die Einsichtnahme in Personalakten. Der Arbeitnehmer kann die Personalakte einsehen und dazu ein Mitglied des Betriebsrats hinzuziehen.

Bei manchen Gesprächen ist der Arbeitgeber gesetzlich verpflichtet, bestimmte Dinge anzukündigen.

  • So ist der Arbeitgeber bei einem Betrieblichen Eingliederungsmanagement verpflichtet, den Arbeitnehmer über dessen Ziele aufzuklären. Er muss den Arbeitnehmer darauf hinweisen, dass er das BEM auch ablehnen kann, also, dass es keinen Zwang zur Teilnahme gibt.
  • Bei einer Anhörung wegen des Verdachts einer Pflichtverletzung im Vorfeld einer beabsichtigen Kündigung (sogenannte „Verdachtskündigung“) muss der Gesprächsinhalt dem Arbeitnehmer vorher mitgeteilt werden.

Muss ich während einer bescheinigten Arbeitsunfähigkeit zum Gespräch erscheinen?

Während einer Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit ruht die Arbeitspflicht des Arbeitnehmers. Der Arbeitgeber ist zur Lohnfortzahlung verpflichtet, siehe § 3 des Entgeltfortzahlungsgesetzes. Der Arbeitnehmer hat aber nicht die Pflicht, zu einem Gespräch zu erscheinen, wenn er krank ist. Wenn es seine Gesundheit zulässt, kann er natürlich einem Wunsch des Arbeitgebers nach einem Gespräch nachkommen. Ob dies sinnvoll ist, sollte aber erst einmal mit dem anwaltlichen Berater abgeklärt werden.

Kann ich meinen Anwalt zum Gespräch mitbringen?

Fraglich ist, ob der Arbeitnehmer einen Anspruch hat, bei Personalgesprächen einen Rechtsanwalt hinzuziehen.

Das Recht, bei bestimmten Gesprächsinhalten einen Betriebsrat hinzuzuziehen, ergibt sich aus dem Betriebsverfassungsgesetz. Dort ist die Hinzuziehung eines anwaltlichen Beistands aber gerade nicht erwähnt, sondern das Recht auf Hinzuziehung eines Betriebsratsmitglieds. Die mehrheitliche Auffassung schließt daraus, dass der Gesetzgeber damit eine abschließende Regelung getroffen hat. Deshalb darf kein Rechtsanwalt hinzugezogen werden, es sei denn, der Arbeitgeber hat nichts dagegen. Für die Einsichtnahme in Personalakten siehe  

Bundesarbeitsgericht vom 12.07.2016 – 9 AZR 791/14

Die Teilnahme eines Rechtsanwalts an einem Gespräch im Rahmen eines Betrieblichen Eingliederungsmanagements kann der Arbeitgeber nach überwiegender Auffassung ablehnen.

Landesarbeitsgericht Hamm vom 13.11.2014 – 15 Sa 979/14

Dies wird damit begründet, dass die Regelung zum BEM in § 84 Absatz 2 des Sozialgesetzbuches Neuntes Buch den Teilnehmerkreis für das BEM abschließend regelt.

Die Berechtigung zur Teilnahme eines den Arbeitnehmer vertretenden Rechtsanwalts an einer sog. Verdachtsanhörung wird teilweise vertreten. Auch das Bundesarbeitsgericht hat diese Auffassung bereits vertreten, allerdings betraf die Entscheidung andere Rechtsfragen und ist deshalb nicht verbindlich.

Bundesarbeitsgericht vom 13.03.2008 – 2 AZR 961/06

Der Arbeitnehmer sollte bei einer Einladung zu einer Verdachtsanhörung anwaltlichen Beistand suchen. Mit dem Anwalt sollte dann entschieden werden, ob dieser seine Teilnahme verlangen soll.

Wenn der Arbeitgeber selbst einen Rechtsanwalt zu einem Gespräch mitbringt, den er zur Wahrnehmung seiner eigenen Interessen beauftragt hat, dann kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer unter dem Gesichtspunkt der „Waffengleichheit“ die Teilnahme eines von ihm beauftragten Rechtsanwalts nach der hier vertretenen Auffassung nicht verwehren.

Dr. Bert Howald

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Arbeitsrecht

Anwaltskanzlei Gaßmann & Seidel, Stuttgart


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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