Neuerungen im Ehe- und Kindschaftsrecht ab August 2022

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Im Sommer diesen Jahres wird es eine wesentliche, aber eher verfahrensrechtliche Änderung für bestimmte familiengerichtliche Verfahren mit Auslands/EU-Bezug geben. Ab August 2022 wird nämlich die bisher für alle EU-Staaten außer Dänemark gültige Brüssel-IIa-Verordnung (VO 2201/2003 vom 27.11.2003) durch die Brüssel-IIb-VO (VO 2019/1111 vom 25.6.2019) ersetzt werden. 

Wesentliche Ziele der neuen Verordnung sind:

- die Abschaffung des bisherigen Vollstreckbarerklärungsverfahren (Wegfall des sog. Exequaturverfahrens)

- die Stärkung der Kinderrechte durch Gewährleistung einer Kindesanhörung in allen Mitgliedstaaten

- die effizientere Durchführung und Vollstreckung von Kindesrückführungverfahren nach einer sogenannten internationalen Kindesentführung

- die klarere Gestaltung von Verfahren zur grenzüberschreitenden Unterbringung von Kindern

- eine Vereinfachung des Rechtsverkehrs von Entscheidungen, Urkunden und Vereinbarungen innerhalb der EU

- die Stärkung der Zusammenarbeit der Behörden der Mitgliedstaaten und deren Informationsaustausch

Die überarbeitete Verordnung wird ab dem 1.8.2022 anwendbar sein und betrifft weiterhin die Ehescheidungen, die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes und die Ungültigkeitserklärung einer Ehe sowie die Zuweisung, die Ausübung, die Übertragung und die vollständige oder teilweise Entziehung der elterlichen Sorge. Nicht anwendbar ist die Verordnung weiterhin auf Feststellung und Anfechtung von Eltern-Kind-Verhältnissen, Adoptionsverfahren, namensrechtliche Verfahren, Volljährigkeitserklärungen, Unterhaltspflichten, Erbschaften und Maßnahmen infolge von Straftaten, die von Kindern begangen wurden.

Geregelt sind in der Verordnung wie bisher auch die internationale Zuständigkeiten für Scheidungsverfahren, Trennungsverfahren und Kindschaftsverfahren wegen Sorgerecht, Umgang oder Herausgabe des Kindes innerhalb der Mitgliedstaaten der Verordnung. Weiterhin behandelt die Verordnung das Ausstellen von Bescheinigungen über Entscheidungen in einem Mitgliedstaat zur Anerkennung und Vollstreckung in einem anderen Mitgliedstaat. 

Neu ist die Abschaffung des Erfordernisses einer Vollstreckbarerklärung für alle Entscheidungen über die elterliche Verantwortung, welche nunmehr in einem anderen Mitgliedstaat unmittelbar vollstreckt werden können. Nur in Ausnahmefällen kann die Ablehnung der Anerkennung beantragt werden, nämlich wenn die Entscheidung gegen das sogenannte ordre public verstößt oder eine Kindesanhörung unterblieben ist.  Für Umgangsentscheidungen und Herausgabeentscheidungen nach Kindesentführungen galt dies bereits nach altem Recht. Diese sogenannten privilegierten Entscheidungen können nur im sogenannten Ursprungsstaat angefochten werden.

Problematisch ist weiterhin, ob sogenannte Privatscheidungen, also Scheidungen ohne Beteiligung eines Gerichts, unter die neue Verordnung fallen. Es gibt zahlreiche Länder auch innerhalb der EU in welchen eine Privatscheidungen zum Beispiel unter Beteiligung von Notaren (siehe Frankreich) möglich ist. Die Anerkennung derartiger Ehescheidungen nach altem Recht ohne Anerkennungsverfahren waren im Rahmen der nun überarbeiteten Verordnungen bisher strittig.

Foto(s): @buemlein


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