OLG Frankfurt: Werbung mit langjähriger Firmentradition ist trotz Insolvenz zulässig

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Wir haben immer wieder mit Fällen zu tun, in denen sich die Frage stellt, ob die Werbung mit einer Firmentradition (z. B. „seit 1875“, „älteste Möbelfabrik Bayerns“, „Traditionshaus“) bzw. mit – angeblichen – Geschäftsjubiläen („75 Jahre“) zulässig ist. Über einen solchen Fall hatte vor kurzem das Oberlandesgericht Frankfurt zu entscheiden (Beschluss vom 7. September 2015, Aktenzeichen 6 U 69/15).

Sachverhalt

Ein sich in der Insolvenz befindendes Unternehmen warb auf seiner Internetpräsenz: „Mit unserer über 100-jährigen Firmentradition und der konsequenten Weiterentwicklung unseres Know-how verfügen wir über weitreichende Erfahrung und hohe Sachkompetenz, die wir gerne für Sie einsetzen“. Hierin sah ein abmahnender Mitbewerber einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht. Dieses begründete er unter anderem damit, dass aufgrund der Insolvenz eine Unterbrechung der Unternehmenskontinuität vorliege. Die Werbung sei somit irreführend.

Entscheidung

Entscheidend ist, wie der Verkehr die Werbeaussage des Beklagten versteht und welche Erwartungen er damit verbindet, so das OLG Frankfurt. Wird das gegenwärtige Unternehmen, trotz aller im Lauf der Zeit eingetretenen Änderungen, noch mit dem früheren Unternehmen als wesensgleich angesehen, kann wie hier geschehen mit einer langjährigen Tradition des Unternehmens geworben werden. Dabei ist es unschädlich, dass einzelne Geschäftsbereiche, die im Zuge dessen beworben werden, erst in den fünfziger Jahren aufgebaut wurden. Eine Insolvenz der Firma stellt keine Unterbrechung der Unternehmenskontinuität dar. Die angegriffene Werbung erweckt beim angesprochenen Verkehr keine irreführenden Vorstellungen über die geschäftlichen Verhältnisse der Beklagten gemäß § 5 UWG, so das OLG Frankfurt.

Die Entscheidung lässt sich auf folgenden Nenner bringen:

  1. Bei der Prüfung von der Zulässigkeit von Werbung kommt es darauf an, welche Vorstellungen der angesprochene Verkehr mit der Angabe einer langjährigen Firmentradition verbindet.
  2. Die Einleitung eines Insolvenzverfahrens kann – muss aber nicht – die berechtigten Erwartungen des Verkehrs erschüttern und die Berufung auf eine Unternehmenskontinuität hindern.
  3. Erweiterungen des Unternehmens im Laufe der Geschichte sind unschädlich, wenn diese sich noch dem Kernbereich des ursprünglichen Unternehmensgegenstands zurechnen lassen.

Ausblick:

Kann ein Unternehmen eine lange Firmengeschichte vorweisen, kann diese den Eindruck besonderer Qualität, Solidität und Erfahrung auf dem jeweiligen Tätigkeitsgebiet bei potentiellen Kunden auslösen. Dass eine langjährige Tradition werbewirksam eingesetzt wird, um sich von Mitbewerbern abzusetzen, liegt auf der Hand.

Nach unserer praktischen Erfahrung sind Gerichte bei der Prüfung der Zulässigkeit einer Werbung mit einer (angeblichen) Firmentradition in den vergangenen Jahren deutlich großzügiger geworden. Während in älteren Entscheidungen noch sehr viel höhere Anforderungen an die Zulässigkeit der Traditionswerbung gestellt wurden, ist dies zunehmend weniger der Fall. In diese Tendenz der Rechtsprechung reiht sich der Fall ein.

Es kann nicht generell für alle Arten von Unternehmen gesagt werden, unter welchen Fortsetzungen eine Traditionswerbung zulässig ist. Maßgeblich ist vielmehr, auf welche Aspekte die angesprochenen Verbraucher in der jeweiligen Branche vorrangig abstellen. Deshalb kann es z. B. bei Brauereien auf die Tradition der Braustätte und bei Dienstleistern auf die Erfahrung des Dienstleistungserbringers und nicht auf den Bestand des Unternehmens selbst ankommen.

Bei der Prüfung, ob eine Traditionswerbung zulässig ist, darf kein allzu enger Maßstab angewendet werden. Die angesprochenen Verbraucher gehen bei einer Traditionsangabe nicht mehr davon aus, dass das Unternehmen insgesamt und in all seinen Facetten seit dem genannten Datum besteht. Vielmehr sind Verbraucher es gewohnt, dass sich die behauptete Tradition nur aus einzelnen Anknüpfungspunkten ergibt. Dies vollzieht die wettbewerbsrechtliche Rechtsprechung nach.

Sollten Sie Fragen dazu haben, ob und – wenn ja – unter welchen Voraussetzungen Sie mit Ihrer Firmentradition werben dürfen, so stehen wir Ihnen gerne mit kompetentem Rat zur Seite.

C. Oestreich, lexTM Rechtsanwälte


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