Probezeit nach der Ausbildung – Pflicht oder überflüssig?

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Nach bestandener Abschlussprüfung endlich ausgelernt – das ist für viele Auszubildende ein großer Meilenstein. Noch besser, wenn der bisherige Ausbildungsbetrieb direkt eine Übernahme anbietet. Doch oft taucht in diesem Moment eine überraschende Frage auf: Muss ich jetzt noch einmal in die Probezeit, obwohl ich das Unternehmen schon kenne?

Die Antwort lautet: Ja, das ist möglich. Entscheidend ist, wie die Beschäftigung nach der Ausbildung geregelt wird. Juristisch betrachtet hängt alles davon ab, ob ein neues Arbeitsverhältnis begründet wird – und welche Vereinbarungen im neuen Vertrag getroffen wurden.

Neues Arbeitsverhältnis nach der Ausbildung: neue Spielregeln

Wenn Ihr Ausbildungsbetrieb Sie nach dem erfolgreichen Abschluss übernimmt, ist das erst einmal ein gutes Zeichen. Doch: Sobald Sie nicht mehr Auszubildender, sondern Arbeitnehmer sind, gelten andere rechtliche Rahmenbedingungen. Die bisherigen Schutzregelungen des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) entfallen, an ihre Stelle tritt das allgemeine Arbeitsrecht.

Kommt es im Anschluss an die Ausbildung zu einem neuen Arbeitsvertrag, dann entsteht damit auch ein neues Arbeitsverhältnis – und mit ihm die Möglichkeit, eine (erneute) Probezeit zu vereinbaren.

Laut § 622 Abs. 3 BGB darf diese bis zu sechs Monate betragen. Innerhalb dieser Zeit kann das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden – ohne Angabe von Gründen.

Aber ich war doch schon drei Jahre im Betrieb – warum dann nochmal Probezeit?

Das erscheint auf den ersten Blick widersinnig. Schließlich haben Sie als Auszubildender bereits umfassende Einblicke in den Betrieb, die Abläufe, das Team und die Unternehmenskultur erhalten. Viele Betriebe setzen daher tatsächlich auf eine kürzere Probezeit – oder verzichten ganz darauf. Aber rechtlich zulässig ist sie trotzdem.

Denn: Mit der Übernahme ändert sich der Charakter der Beschäftigung grundlegend. Als Fachkraft übernehmen Sie mehr Verantwortung, arbeiten selbstständiger und unterliegen anderen Leistungsanforderungen. Der Arbeitgeber hat ein berechtigtes Interesse daran, zu prüfen, ob Sie diesen neuen Anforderungen auf Dauer gewachsen sind – auch wenn er Sie bereits kennt.

Kein neuer Vertrag = kein neues Arbeitsverhältnis? Vorsicht Falle!

Was passiert, wenn kein neuer Arbeitsvertrag unterschrieben wird, die Arbeit aber einfach am nächsten Tag weitergeht?

In diesem Fall entsteht ein sogenanntes konkludentes Arbeitsverhältnis. Es kommt also durch schlüssiges Verhalten zustande – Arbeitgeber und Arbeitnehmer verhalten sich so, als ob ein unbefristetes Arbeitsverhältnis bestünde. Das ist rechtlich zulässig, aber mit gewissen Unsicherheiten verbunden.

Denn: Ohne ausdrücklich vereinbarte Probezeit gilt auch keine. Eine spätere „nachgeschobene“ Probezeit ist nur mit Zustimmung beider Seiten möglich.

Darum ist es so wichtig, den Übergang vertraglich sauber zu regeln – und auch wirklich zu lesen, was man unterschreibt. Denn nicht jede Probezeit ist automatisch unwirksam oder überflüssig, nur weil man schon im Unternehmen gearbeitet hat.

Was gilt bei öffentlichem Dienst oder Tarifverträgen?

In bestimmten Branchen, insbesondere im öffentlichen Dienst oder in tarifgebundenen Betrieben, können besondere Regelungen gelten. Dort ist oft tarifvertraglich festgelegt, ob und in welchem Umfang eine erneute Probezeit bei Übernahme vorgesehen ist. Hier lohnt sich ein genauer Blick in den geltenden Tarifvertrag oder die jeweiligen Dienstvereinbarungen.

Was tun, wenn die Probezeit überraschend im Vertrag steht?

Viele (ehemalige) Azubis unterschreiben den neuen Vertrag in der Euphorie schnell – und stellen erst im Nachhinein fest, dass darin eine volle sechsmonatige Probezeit vorgesehen ist. Das ist grundsätzlich rechtens, solange sie klar und transparent vereinbart wurde.

Unzulässig kann die Regelung allerdings sein, wenn:

  • der Eindruck erweckt wird, es handele sich nicht um einen neuen Vertrag, obwohl ein neuer Arbeitsvertrag abgeschlossen wird,
  • die Probezeit unangemessen lang ist (über sechs Monate hinaus), oder

In solchen Fällen empfiehlt es sich, frühzeitig rechtlichen Rat einzuholen.

Rechtstipp: Augen auf beim Übergang – auch im vertrauten Betrieb

Auch wenn Sie Ihrem Ausbildungsbetrieb verbunden sind: Ein neuer Job bedeutet auch neue rechtliche Bedingungen. Lesen Sie den Arbeitsvertrag genau, insbesondere die Regelungen zur Probezeit, Kündigungsfrist, Vergütung und Arbeitszeit.

Wenn Sie unsicher sind, ob die Probezeit zulässig ist oder ob Sie bestimmte Klauseln akzeptieren müssen, gilt: Verhandeln ist erlaubt! Gerade bei guter Leistung während der Ausbildung sind viele Betriebe offen für Anpassungen.

Sie haben Fragen zu Ihrer Übernahme oder zum neuen Arbeitsvertrag?

Ein erfahrener Anwalt für Arbeitsrecht kann schnell klären, ob die Vereinbarungen in Ihrem Vertrag rechtlich in Ordnung sind – und ob sich eine Nachverhandlung lohnt. So stellen Sie sicher, dass Sie rechtssicher und mit gutem Gefühl ins Berufsleben starten.

Lassen Sie sich rechtzeitig beraten – bevor Sie unterschreiben.

Wie können wir helfen?

Die Kanzlei Mutschke ist in Deutschland als eine der führenden Kanzleien im Bereich des Arbeitsrecht tätig. Kontaktieren Sie uns, gerne helfen wir auch Ihnen!

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Foto(s): pixabay

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