Prüfungsentscheidungen erfolgreich anfechten und Zwangsexmatrikulation vermeiden

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Durchgefallen – was nun?

Das (endgültige) Nichtbestehen einer Prüfung muss nicht das Aus bedeuten. In vielen Fällen können Prüfungsentscheidungen erfolgreich angefochten und so die drohende Zwangsexmatrikulation vermieden werden. Was kann ich überhaupt tun? Zunächst muss zwischen zwei rechtlichen Aspekten unterschieden werden: dem endgültigen Verlust des Prüfungsanspruchs auf der einen und der (drohenden) Exmatrikulation auf der anderen Seite. Wer eine Prüfung endgültig nicht bestanden hat, sollte erwägen, gegen diese Entscheidung innerhalb der hierfür geltenden Fristen (s. unten) vorzugehen. Gegen die Prüfungsentscheidung selbst ist der Widerspruch der statthafte Rechtsbehelf, gegen die Exmatrikulation muss hingegen Klage erhoben werden. Diese Unterscheidung ist wichtig und muss daher unbedingt beachtet werden. Widerspruch gegen die Prüfungsentscheidung: Die möglichen Fehler auf Seiten der Hochschule sind derart vielfältig, dass Prüfungsanfechtungen in vielen Fällen erfolgreich sind. Grundsätzlich werden zwei Arten von Fehlern unterschieden:

Verfahrensfehler:

Darunter versteht man Fehler im Prüfungsverfahren. Hierunter fallen beispielsweise ein unzulässiger Prüfungsstoff, ein unzulässiges Prüfungsverfahren (Multiple-Choice, Multiple-Select Verfahren, bonus – malus Punkteregelung), störende äußere Einflüsse (Baulärm, Hitze, Kälte, Störungen durch andere Prüflinge, etc.), eine mehrdeutige Aufgabenstellung, die Nichteinhaltung von Schreibzeiten (Über- oder Unterschreitung), einen unleserlichen Aufgabentext, die Nichteinhaltung von Ladungsfristen, eine unlösbare Aufgabe sowie die Nichteinhaltung des Zwei-Prüfer- Prinzips oder eine fehlerhafte Prüferbestellung. Da die Prüfung damit verfahrensfehlerhaft durchgeführt worden ist, fehlt es an einer tauglichen Bewertungsgrundlage. Die Folge: Die Prüfung ist zu wiederholen. Handelt es sich nur um einen Prüfungsteil, ist unter Umständen nur dieser zu wiederholen, damit der Prüfling die geringsten Nachteile erleidet.

Bewertungsfehler:

Unter Bewertungsfehlern sind Fehler der Korrektoren bei der Bewertung zu fassen. So darf beispielsweise eine richtige oder auch nur vertretbare Antwort (alternativer Lösungsweg, Übersetzung, etc.) nicht als falsch bewertet werden. In Bezug auf Bewertungsfehler steht den Prüfern allerdings ein sog. Beurteilungsspielraum zu, der gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar und in seinem Kernbereich unantastbar ist. Begrenzt wird dieser Beurteilungsspielraum durch allgemeine Bewertungsgrundsätze. Zu diesen allgemeinen Bewertungsgrundsätzen zählen beispielsweise eine auf durchschnittliche Anforderungen bezogene Einschätzung der Leistung, das Verbot, Leistungen ersichtlich untergeordneter Bedeutung in den Vordergrund zu stellen, die Überbewertung äußerer Formen, die Pflicht einer Abwägung der positiven mit den negativen Elementen der Arbeit und die Vornahme einer Gewichtung, um nur einige zu nennen. Liegen Bewertungsfehler vor, ist die Prüfungsleistung erneut zu bewerten, wobei die neue Bewertung grundsätzlich schlechter ausfallen darf als die vorherige. Eine derartige Verschlechterung lässt sich aber durch eine bestimmte Antragstellung vermeiden.

Fristen:

Wie lange kann ich gegen eine Prüfungsentscheidung vorgehen? Fristen spielen im Rahmen von Prüfungsanfechtungen eine ganz maßgebliche Rolle. Wer sie versäumt, ist u.U. mit der Geltendmachung seiner Einwände ausgeschlossen, eine Anfechtung der ist Prüfungsentscheidung damit unzulässig. Die Frist für die Einlegung des Widerspruchs beträgt einen Monat (nicht vier Wochen) nach Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses, sofern der Prüfling hierüber einen mit ordnungsgemäßer Rechtsbehelfsbelehrung versehenen (schriftlichen) Bescheid erhalten hat, ansonsten beträgt die Frist ein Jahr. Es reicht daher nicht aus, dass der Bescheid überhaupt mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen ist, diese muss ihrerseits auch ordnungsgemäß sein. Die neuere oberverwaltungsgerichtliche Rechtsprechung legt hier strenge Maßstäbe an. Gegen die Exmatrikulation beträgt die Klagefrist ebenfalls einen Monat nach Bekanntgabe des schriftlichen Bescheids, der wiederum eine ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung beinhalten muss, ansonsten beträgt die Klagefrist auch hier ein Jahr. Wichtig: Die Klagefrist gegen die Exmatrikulation läuft unabhängig von der Widerspruchsfrist – ggfs. laufen also zwei Fristen parallel! Da die Exmatrikulation aber den endgültigen Verlust des Prüfungsanspruchs voraussetzt, beginnt die Klagefrist erst nach dem Beginn oder gleichzeitig mit der Widerspruchsfrist. In beiden Fällen bezieht sich die Frist aber nicht auf die Begründung – diese kann später nachgereicht werden.

Konsequenzen & Strategie:

Wichtig ist zunächst natürlich, dass Widerspruchs- und Klagefrist noch eingehalten werden können. Darüber hinaus ergibt sich aus dem vorgenannten Erfordernis eines mit ordnungsgemäßer Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Bescheides gegebenenfalls eine weitere Anfechtungsmöglichkeit: häufig erlassen die Hochschulen nur beim nichtbestandenen letzten Prüfungsversuch einen solchen Bescheid. Wenn nun aber der erste (und/ oder zweite) erfolglose frühere Prüfungsversuch bzw. die Bekanntgabe von dessen Ergebnis noch nicht länger als ein Jahr zurückliegt, kann der Widerspruch ggfs. auch noch zusätzlich gegen diese(n) Prüfungsversuch(e) eingelegt werden. Dies bietet sich natürlich insbesondere dann an, wenn das Nichtbestehen damals knapper ausfiel oder die Hochschule seinerzeit ein anderes (und vielleicht inzwischen für unzulässig erklärtes) Prüfungsverfahren angewendet hat. Hier lohnt es sich also ganz genau hinzusehen. Beachte: Leider passiert es immer wieder, dass Professoren den Studierenden raten, einen Härtefallantrag zu stellen (und ggfs. mit dem Widerspruch bzw. der Klage zu warten). Hiervon ist dringend abzuraten! Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, dass es „allgemeine Härtefallregelungen“ geben würde. Vielmehr müssen solche Regelungen ausdrücklich in der Prüfungsordnung vorhanden sein. Dabei sehen nur die wenigsten Prüfungsordnungen derartige Härtefallregelungen vor. Die Folge: entsprechende Anträge werden nicht einmal zur Entscheidung angenommen. Im schlimmsten Fall erfährt der Prüfling davon zu einem Zeitpunkt, zu dem die Widerspruchsfrist schon abgelaufen ist – und der Prüfling steht mit nichts da, wird exmatrikuliert und kann in diesem Studiengang auch anderswo nicht mehr studieren – obwohl die Prüfungsanfechtung womöglich gute Aussicht auf Erfolg gehabt hätte. Ähnliches gilt für Krankheiten: Wer krank ist bzw. sich nicht prüfungsfähig fühlt, muss dies grundsätzlich vor bzw. während der Prüfung geltend machen. Es ist vor dem Hintergrund des im Prüfungsrecht geltenden Grundsatzes der Chancengleichheit grundsätzlich unzulässig, in Kenntnis der Krankheit bzw. Prüfungsunfähigkeit zunächst an der Prüfung teilzunehmen, das Ergebnis abzuwarten und sich anschließend auf Krankheit oder Prüfungsunfähigkeit zu berufen, da hierdurch ein zusätzlicher Prüfungsversuch eingeräumt werden würde, der den anderen Prüflingen nicht zur Verfügung stand.

Vorgehen

Zunächst kann es sich anbieten, selbst Einsicht in die Prüfungsunterlagen zu nehmen. Dies muss dem Prüfling jedenfalls innerhalb der Widerspruchsfrist gestattet werden. Dieses Recht bezieht sich jedoch nur auf die Einsichtnahme, nicht auf die Anfertigung von Kopien oder Notizen. Da Prüflinge in aller Regel nicht über das notwendige prüfungsrechtliche Fachwissen verfügen, um beurteilen zu können, ob eventuell ein Verfahrens- oder Bewertungsfehler vorliegt, sollte ein auf diesem Gebiet fachkundiger Rechtsanwalt hingezogen werden, zumal dieser umfassende Einsicht in alle Prüfungsunterlagen erhält. Vielfach hat der AStA vor Ort entsprechende Kooperationsvereinbarungen getroffen, so dass zumindest die sogenannte und grundsätzlich kostenpflichtige Erstberatung durch den Anwalt kostenlos ist. Oft können bereits im Rahmen dieser Erstberatung grundsätzliche Fragen beantwortet und die Erfolgsaussichten dargestellt werden.


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