Prüfung und Corona: Was Prüflinge aktuell tun können – (Prüfungs-) Rücktritt, Rüge etc.

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Aufgrund der derzeitigen Pandemie werden gegenwärtig vielfach Prüfungstermine aufgehoben oder verschoben. Das ist aber nicht überall so, sondern viele Hochschulen halten den Prüfungsbetrieb in verschiedenen Forman aufrecht. Zudem sollen schulische Abschlussprüfungen stattfinden (Abitur, Reifezeugnisse, Kammerprüfungen etc.).

Leider ist die Lage unübersichtlich, weil das Bildungs- und damit das Prüfungsrecht eine Angelegenheit der Bundesländer ist. Daher und wegen der verschiedenen Sommerferienzeiten kann bereits die Handhabung der schulischen Abschlussprüfungen nicht überall gleich sein. Bei Hochschulprüfungen kommt hinzu, dass die Bundesländer vielfach den Prüfungsbetrieb den Hochschulen übertragen haben und in den jeweiligen Hochschulen oft die Fakultäten dafür verantwortlich sind.

Falls Sie zu einer Prüfung geladen oder angemeldet sind und keine Mitteilung des entsprechenden Prüfungsamtes oder Prüfungsausschusses erhalten, dass Ihre Prüfung abgesagt ist, müssen Sie davon ausgehen, dass sie stattfindet. Bitte informieren Sie sich.

Wenn die Prüfung stattfindet, stellt sich die Frage, ob sie rechtmäßig durchgeführt werden kann. Bei Online-Prüfungen beispielsweise setzt dies voraus, dass die Prüfungsordnungen eine solche Prüfungsform vorsehen. Der Grundsatz der prüfungsrechtlichen Chancengleichheit, einer der zentralen Rechtssätze, die im Rahmen von Prüfungen zu berücksichtigen sind, verlangt darüber hinaus, dass für vergleichbare Prüfungen so weit wie möglich auch vergleichbare Bedingungen gelten. 

Wer aber heute in öffentliche Bibliotheken oder die Universitätsbibliothek gehen will, um sich dort und mit der dortigen Literatur auf die Prüfung vorzubereiten, wird diese häufig verschlossen finden. Gleiches gilt beispielsweise für die Nutzung von Praxisräumen oder Präparatensammlungen. 

Überdies haben wir den Eindruck, dass die Versorgung von Schülerinnen und Schülern mit Lernangeboten und Bildungsmaterialien, Probeklausuren und individuellen Förderungen höchst unterschiedlich erfolgte, und zwar von absolut vorbildlich und engagiert bis zu kenntnis- und antriebslos. 

Das kann die Möglichkeit der Vorbereitung zur Prüfung und damit die Chancengleichheit verletzen. Aber auch die Sorge darum, ob man am Tage der Prüfung überhaupt aus dem Haus darf, ob das in den Blick genommene Verkehrsmittel genutzt werden darf, um zum Prüfungsort zu gelangen und dergleichen mehr sind Fragen, die sich diejenigen, die vor der Pandemie geprüft wurden, nicht stellen brauchten, aber heute zusätzlich zur ohnehin vorhandenen Prüfungsangst belastend wirken können, zumal auch heute noch das, was eben noch galt, gleich schon wieder anders sein kann. 

Dies alles kann dazu führen, dass derzeitige Prüfungen unter anderen Bedingungen und Voraussetzungen stattfinden als diejenigen, die im letzten Jahr abgehalten wurden. Das kann dazu führen, dass Sie heute nicht dieselben Chancen haben, Ihre Bestleistungen in Prüfungen zu erbringen wie diejenigen, die im letzten Jahr geprüft wurden.

Ein weiterer Gesichtspunkt ist möglicherweise die Sorge, mit mehreren Personen über einige Stunden im selben Raum sein zu müssen und damit einer erhöhten Gefahr einer Ansteckung ausgesetzt zu werden. 

Das Tragen von Atemschutzmasken während einer Prüfung wäre keine Lösung, weil insoweit erneut eine Verletzung der Chancengleichheit gegeben wäre. Diejenigen, die selbst oder deren Angehörige zu einer Risikogruppe gehören, werden dann möglicherweise aus berechtigter Angst vor den gesundheitlichen Risiken daran gehindert sein, die Bestleistung in einer Prüfung zu erbringen. 

Insoweit kommt aber in Betracht, Schutzmaßnahmen zu beantragen, beispielsweise dahingehend, die Prüfung in einem eigenen Raum ablegen zu dürfen. Zudem besteht die Möglichkeit, dass Sie einen Antrag auf Rücktritt vom Prüfungsversuch aus wichtigem Grund stellen. Dieser ist selbst dann möglich, wenn er nicht ausdrücklich in der Prüfungsordnung oder den gesetzlichen Bestimmungen vorgesehen ist. 

Er muss aber unbedingt vor der Prüfung gestellt werden und sollte mit einem Nachweis dafür versehen sein, warum man selber oder ein Angehöriger zu einer Risikogruppe gehört und eine Ansteckung schwerwiegende Folgen haben kann. 

Viele Hochschulen haben für einen solchen Antrag Formulare vorgesehen, die Sie in den Prüfungsordnungen finden. Verlässliche Informationen über COVID-19 finden Sie auf der Homepage des Robert Koch Institutes unter Infektionskrankheiten A-Z, COVID-19 (Coronavirus SARS-CoV-2).

Wir raten dringend davon ab, erst im Nachhinein, nach der Prüfung, Umstände, durch die die Chancengleichheit verletzt sein könnten, zu rügen oder Anträge auf Schutzmaßnahmen oder die Genehmigung zum Rücktritt vom Prüfungsversuch zu stellen. Die Gerichte verlangen nämlich in allen Fällen ein „unverzügliches“ Tätigwerden.

Daher können Eilrechtsschutzverfahren oder spätere Widerspruchs- und Gerichtsverfahren gegen die Prüfungsergebnisse überhaupt nur dann mit Erfolg geführt werden, wenn Sie Rügen vor oder während der Prüfung erhoben oder vor der Prüfung die Genehmigung zum Prüfungsrücktritt oder Schutzmaßnahmen beantragt haben.

Formulierungshilfen

Auf unserer Homepage haben wir Formulierungshilfen für drei Fallkonstellationen (Teilnahme an Prüfung, sofern bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind/Teilnahme unter Vorbehalt/Rücktritt von der Prüfung) kostenlos bereitgestellt.

Teipel & Partner Rechtsanwälte ist eine bundesweit tätige Rechtsanwaltskanzlei mit Sitz in Köln und weiteren Kontaktstellen in Frankfurt a. M., in Hamburg und in München. Jährlich führt die Kanzlei mehr als dreitausend vorgerichtliche und gerichtliche Verfahren im Bildungsrecht (Hochschulrecht, Prüfungsrecht, Hochschulzulassungsrecht) in allen Instanzen bis zum Bundesverwaltungsgericht, wo sie bereits mehrfach Revisionsnichtzulassungsbeschwerdeverfahren und Revisionsverfahren wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache erfolgreich geführt hat.

Bitte beachten Sie, dass diese Formulierungshilfen eine Orientierung darstellen, eine qualifizierte anwaltliche Beratung aber nicht vollständig ersetzen. Sofern Sie eine solche (dann kostenpflichtige) anwaltliche Erstberatung in Anspruch nehmen möchten, können Sie diese komfortabel direkt über die Homepage buchen.

Kontaktaufnahmen werden ausschließlich über unsere Homepage erbeten. Angesichts der Vielzahl der täglich an uns gerichteten Anfragen können wir über das Portal eingehende Anfragen nicht beantworten.


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