Risiko einer fristlosen Kündigung bei Aufnahme einer Konkurrenztätigkeit während eines Kündigungsschutzverfahrens?

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Die oben genannte Fragestellung ergibt sich immer dann, wenn der Arbeitnehmer sich als Konkurrent des Arbeitgebers selbständig macht oder für einen Konkurrenten im Rahmen eines   Beschäftigungsverhältnisses während eines laufenden Kündigungsschutzverfahrens tätig wird. Die Fragestellung steht im Spannungsfeld zwischen der arbeitnehmerseitigen Verpflichtung, seine Arbeitskraft während eines Annahmeverzuges sachgerecht zu verwerten, und der Erwartung des Arbeitgebers, einen zwar nicht de facto, aber möglicherweise doch wieder in einem Arbeitsverhältnis nach ungünstigem Ausgang des Verfahrens stehenden Arbeitnehmer nicht bei der Konkurrenz zu erleben, weil so die Gefahr der Verletzung von berechtigten Arbeitgeberinteressen besteht. Da der Ausgang des Kündigungsschutzprozesses keineswegs immer sicher ist, ist eine sachgerechte Beratung nicht einfach. Zur Sachlage wie folgt:

1

Ein Verstoß gegen das allgemeine Wettbewerbsverbot kann als ein an sich zur außerordentlichen Kündigung geeigneter Umstand für eine weitere Kündigung in Betracht kommt (vgl. BAG, Urteil vom 06.08.1987 - 2 AZR 226/87 - AP Nr. 97 zu § 626 BGB; BAG, Urteil vom 16.08.1990 - 2 AZR 113/90 - EzA § 4 KSchG n.F. Nr. 38; APS/Dörner, 2. Aufl., § 626 BGB Rz. 290; KR-Fischermeier, 7. Aufl., § 626 BGB Rz. 460; Stahlhacke/Preis/Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 9. Aufl., Rz. 721 jeweils m. w. N. aus der Rechtsprechung).


2.

Stellt sich im Kündigungsschutzprozess heraus, dass der Arbeitgeber unberechtigt außerordentlich oder ordentlich gekündigt hat, bleibt der rechtliche Bestand des Arbeitsverhältnisses und damit das Wettbewerbsverbot hierfür unberührt (Bundesarbeitsgericht 23.10.2014, NZA 2015,429). Greift der Arbeitnehmer die Kündigung mittels Kündigungsschutzprozesses an, hängt die Bindung an das Wettbewerbsverbot von dem Ausgang des Prozesses ab.


3.

Geht man vom sichersten Weg aus, dann muss auch bei einem Wettbewerbsverstoß eines gekündigten Arbeitnehmers nach Ausspruch einer außerordentlichen bzw. nach Ablauf der Kündigungsfrist bei einer ordentlichen Kündigung von einem an sich zur Kündigung berechtigenden Sachverhalt ausgegangen werden, wenn der gekündigte Arbeitnehmer gleichzeitig die Unwirksamkeit der Kündigung gerichtlich geltend macht.

Allerdings kann die sodann auf der zweiten Prüfungsstufe vorzunehmende Berücksichtigung sämtlicher Einzelfallumstände dennoch zur Unwirksamkeit einer weiteren Kündigung aufgrund einer Wettbewerbstätigkeit führen. Gerade in der oben dargestellten besonderen Konfliktsituation der Wettbewerbsausübung nach Ausspruch einer arbeitgeberseitigen Kündigung kommt der Einzelfallsituation besondere Bedeutung zu (vgl. BAG, Urteil vom 25.04.1991, a. a. O.; BGH, Urteil vom 12.03.2003, a .a. O.).

Insoweit ist als erstes der Grad der Vorwerfbarkeit zu ermitteln, den die vermeintliche Konkurrenztätigkeit des Arbeitnehmers begründet. Dabei ist zunächst grundlegend zwischen der Aufnahme einer eigenen selbstständigen Tätigkeit am Markt und einer Tätigkeit als Arbeitnehmer für ein bestehendes Konkurrenzunternehmen zu differenzieren. Letzteres ist deutlich geringer zu gewichten, da es dem Arbeitnehmer, der am gekündigten Arbeitsverhältnis festhalten will, wie seine Kündigungsschutzklage deutlich macht, ersichtlich nur um eine Übergangslösung geht, um den Zeitraum der Ungewissheit bis zum Vorliegen einer gerichtlichen Entscheidung zu überbrücken (vgl. BAG, Urteil vom 25.04.1991, a. a. O.).

Auch die zeitliche Komponente kann für eine geringere Vorwerfbarkeit sprechen. Das gilt neben dem geringen Umfang der behaupteten Konkurrenztätigkeit auch für den Zeitpunkt ihres Beginns. Nimmt ein Arbeitnehmer mehr oder weniger nahtlos nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses eine Konkurrenztätigkeit auf, so fällt dies regelmäßig schwerer ins Gewicht als ein möglicher Wettbewerbsverstoß nach einer längeren Unterbrechung.

Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz geht zu Gunsten des Arbeitnehmers in der Entscheidung vom 26.01.2015 noch weiter. Es führt aus: Die aus § 615 Satz 2 BGB herzuleitenden Interessen des Arbeitnehmers an der anderweitigen Verwendung seiner Arbeitskraft sind für die Beurteilung erheblich, ob und mit welchem Gewicht ihm die Tätigkeit für ein Konkurrenzunternehmen vorwerfbar ist. Wenn der Arbeitnehmer am gekündigten Arbeitsverhältnis festhalten will, geht es ihm mit der Aufnahme einer anderweitigen Tätigkeit für ein Konkurrenzunternehmen zur Verwertung seiner Arbeitskraft ersichtlich nur um eine Übergangslösung, die der Rückkehr zum bisherigen Arbeitgeber nicht entgegensteht und für diesen keine anhaltende Konkurrenz bedeutet (BAG 25. April 1991 - 2 AZR 624/90 - Rn. 65, NZA 1992, 212).

Des Weiteren ist bei Aufnahme einer Konkurrenztätigkeit immer zu fragen, welche negativen Auswirkungen der behaupteten Konkurrenztätigkeit auf den Geschäftsbetrieb des Arbeitgebers entstehen.

4.

Zusammenfassend lässt sich festhalten: Die Tätigkeit beim direkten Konkurrenten in gehobener Position (Geschäftsführer und Prokurist) bzw. Außendienstmitarbeiter mit einem erkennbaren Auftritt im konkurrierenden Markt als Anbieter und Ansprechpartner für Kunden bleibt mit Blick auf ein Risiko einer weiteren fristlosen Kündigung während eines Kündigungsschutzverfahrens sehr risikobehaftet und kann aus anwaltlicher Sicht mit der Verpflichtung zur Beratung des sichersten Weges meistens nie nicht empfohlen werden. 

Vom Wettbewerbsverbot nicht erfasst sind demgegenüber aber sonstige Dienstleistungen zu Gunsten eines Konkurrenzbetriebs, denen die unternehmerische Komponente fehlt (z.B. Buchführungs-, Schreib- oder Verpackungsarbeiten). Jeder Einzelfall ist einer gesonderten Einzelfallbetrachtung zu unterziehen. Bekanntlich verlangt die Rechtsprechung mittlerweile auch, dass Arbeitnehmer während des Kündigungsschutzprozesses spätestens nach Ablauf der Kündigungsfrist vor allem in Bezug auf Ansprüche auf Annahmeverzugslohn gegenüber dem Arbeitgeber ein eigenes Tätigwerden werden belegen müssen, um sich nicht dem Einwand des böswilligen Unterlassens von Zwischenverdienst durch den Arbeitgeber aussetzen zu müssen.


Gerne helfe ich Ihnen bei einer Einschätzung hierzu weiter.


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