Schadensersatz bei unterbliebener Zielvereinbarung

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Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein (LAG) mit Urteil vom 11.07.2023 (Az. 2 Sa 150/22

Vereinbaren die Parteien einen Stichtag für den Abschluss einer Zielvereinbarung, ist dieser Termin zwingend einzuhalten, da er ausschlaggebend für die Anreizfunktion der Zielvereinbarung ist. Eine Zielvereinbarung, die bei Zielerreichung einen Anspruch auf einen Bonus begründet, kann entsprechend dem Leistungs- und Motivationsgedanken ihre Anreizfunktion nur erfüllen, wenn der Arbeitnehmer bereits bei der Ausübung seiner Tätigkeit die von ihm zu verfolgenden Ziele kennt und weiß, auf das Erreichen welcher persönlicher und/oder unternehmensbezogener Ziele der Arbeitgeber in dem jeweiligen Zeitraum besonderen Wert legt. (amtl. Leitsatz)


Sachverhalt

Der Kläger macht gegenüber der Beklagten 63.000 EUR als weitere Tantieme für das Kalenderjahr 2021 im Wege des Schadenersatzanspruchs wegen unterbliebener Zielvereinbarung geltend. Der Arbeitsvertrag der Parteien enthält u. a. folgende Regelungen:


„Der Arzt erhält ferner eine erfolgsabhängige, nicht zusatzversorgungspflichtige Tantieme gem. der als Anlage 1 beigefügten Tantiemevereinbarung.“

Die Tantiemevereinbarung enthält folgende Regelung:

„Die Kriterien für die Tantieme werden von den Parteien spätestens bis zum 01.03. eines Kalenderjahres für das Kalenderjahr … neu vereinbart. Wird eine Vereinbarung nach Satz 1 nicht oder nicht fristgerecht erzielt, werden die Kriterien durch den Arbeitgeber im Rahmen billigen Ermessens bestimmt.“


Am 19.3.2021 erhielt der Kläger zusammen mit der Abrechnung der Tantieme für das Jahr 2020 einen Vorschlag der Beklagten für die Tantiemevereinbarung 2021, den er ablehnte. Der Kläger unterbreitete mit Schreiben vom 22.4.2021 einen Gegenvorschlag. Hierauf reagierte die Beklagte nicht mehr inhaltlich. Sie zahlte für das Jahr 2021 einen Bonus von 7.000 EUR. Der Kläger macht den Differenzbetrag zum Zielwert von 70.000 EUR geltend. Das ArbG hat der Klage stattgegeben.


Entscheidung

Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg. Dem Kläger stehe ein Schadenersatzanspruch zu. Nach der Rspr. des BAG könne ein Arbeitgeber bei einer schuldhaft nicht abgeschlossenen Zielvereinbarung verpflichtet sein, dem Arbeitnehmer Schadensersatz zu leisten. Die Festlegung von Zielen werde jedenfalls mit Ablauf der Zielperiode unmöglich. Eine Zielvereinbarung, die bei Zielerreichung einen Anspruch des Arbeitnehmers auf einen Bonus begründe, könne entsprechend dem Leistungs- -und Motivationsgedanke ihre Anreizfunktion nur erfüllen, wenn der Arbeitnehmer bereits bei der Ausübung seiner Tätigkeit die von ihm zu verfolgenden Ziele kenne.

Die Beklagte war gegenüber dem Kläger bis zum 1.3.2021 zum Abschluss einer Zielvereinbarung verpflichtet. Die Beklagte habe dem Kläger jedoch erst am 19.3.2021 ein Angebot zukommen lassen. Dies war verspätet. Der Abschluss einer fristgerecht ausgehandelten Tantiemevereinbarung war bereits unmöglich.

Die Beklagte könne sich auch nicht auf ihr einseitiges Festsetzungsrecht berufen. Ein einseitiges Festsetzungsrecht bestehe nach der Tantiemevereinbarung nur, wenn eine Vereinbarung nicht oder nicht fristgerecht erzielt werde. Vereinbarungen setzen jedoch Gespräche, den Ausstauch von unterschiedlichen Standpunkten oder Annäherungen voraus. Diese Verhandlungsparameter habe die Beklagte nicht ansatzweise eingehalten.

Aus diesem Grund könne der Kläger Schadenersatz verlangen. Es sei grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Arbeitnehmer vereinbarte Ziele erreicht hätte, wenn nicht besondere Umstände diese Annahme ausschließen. Solche Umstände sind nicht dargetan.


Praxishinweis

In der Praxis kommt es häufig vor, dass der Arbeitgeber keinen Vorschlag für eine Zielvereinbarung unterbreitet oder diesen erst nach einem vereinbarten Stichtag übersendet. Dies führt dann nicht selten dazu, dass überhaupt keine Zielvereinbarung abgeschlossen wird und einige Arbeitgeber das Thema versuchen auszusitzen. Dies ist jedoch für den Arbeitgeber risikobehaftet, da – wie vorliegend – der Arbeitnehmer in diesen Fällen gute Argumente hat, um den vollen Zielbonus zu erhalten.

Die Festlegung von Zielen wird spätestens mit Ablauf der Zielperiode unmöglich im Sinne von § 275 Abs. 1 BGB, so dass der Arbeitnehmer nach § 280 Abs. 1, Abs. 3 BGB i.V.m. § 283 Satz 1 BGB statt der Festlegung von Zielen Schadensersatz verlangen kann (BAG, Urt. vom 17.12.2020 – 8 AZR 149/20 – Rn. 46, juris).

Arbeitgeber müssen möglichst frühzeitig den Zielvereinbarungsprozess starten, etwaig vereinbarte Stichtage einhalten und die eigenen Bemühungen um eine Zielvereinbarung entsprechend dokumentieren.

Tut er das nicht oder kommen Zielvereinbarungen nicht wirksam zustande, wird es für den Arbeitgeber schwierig. Dann haben Arbeitnehmer in der Regel Anspruch auf Zahlung der 100% Tantieme bzw. des 100% Bonus.


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