Scheinselbstständigkeit – Haften GmbH-Geschäftsführer für Sozialversicherungsbeiträge persönlich?
- 3 Minuten Lesezeit
Sobald der Prüfdienst der Deutschen Sozialversicherungsbeiträge nachfordert und der Arbeitgeber diese nicht oder nicht in voller Höhe zahlen kann, kommt die persönliche Haftung des Geschäftsführers ins Spiel. Das Risiko ist erheblich, hängt aber von anderen Voraussetzungen ab, als die Haftung des Arbeitgebers.
Der Arbeitgeber als alleiniger Beitragsschuldner
Sozialversicherungsrechtlich haftet alleine der Arbeitgeber für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag (§ 28e SGB IV). Anders als im Steuerrecht (§ 69 der Abgabenordnung) haftet der GmbH-Geschäftsführer nicht unmittelbar persönlich gegenüber dem Versicherungsträger. Der Prüfdienst der Deutschen Rentenversicherung darf einen Bescheid über die Beitragshöhe somit nur gegen die GmbH als Arbeitgeberin erlassen.
Die Einzugsstellen als Gläubiger der Beitragsforderung
Gläubigerin der Beitragsforderung ist nicht die Rentenversicherung. Dies sind vielmehr die Einzugsstellen der Krankenkassen. Der Leistungs- bzw. Zahlungsbescheid der Rentenversicherung ist auch kein Vollstreckungstitel. Er hat nur den Charakter eines Grundlagenbescheides für die Erhebung der Beiträge durch die Einzugsstellen. Betriebsprüfungen der Rentenversicherungsträger haben nur eine Kontrollfunktion und dienen dem Zweck, den Einzugsstellen eine Berechnungsgrundlage zu verschaffen, damit diese die notwendigen Schritte zur Geltendmachung von Ansprüchen auf (rückständige) Beiträge unternehmen können. Ein im Rahmen einer Betriebsprüfung erlassener Leistungs- bzw. Zahlungsbescheid des Rentenversicherungsträgers regelt für die Einzugsstellen verbindlich die maximale Höhe der (rückständigen) Gesamtsozialversicherungsbeiträge als Ausgangsbasis für den Beitragseinzug. Der Beitragseinzug selbst ist dann Sache der Einzugsstellen als Gläubiger der Beitragsforderungen und von diesen gesondert vorzunehmen.
Vgl. Bundessozialgericht – Urteil vom 28.05.2015 – B 12 R 16/13 R
Haftung des Geschäftsführers: Schadensersatzansprüche der Einzugsstelle
Sofern der Arbeitgeber den geforderten Sozialversicherungsbeitrag nicht zahlt, kann die Einzugsstelle gegen den Geschäftsführer persönlich im Zivilrechtsweg eine Schadensersatzforderung geltend machen. Der Rechtsweg zu den Sozialgerichten ist hierfür ausgeschlossen.
LSG Baden-Württemberg – B.v. 30.08.2005 – L 9 SF 863/05 B
Anspruchsgrundlage § 823 Abs. 2 BGB
Als alleinige Anspruchsgrundlage für einen solchen Schadensersatzanspruch kommt nur § 823 Abs. 2 BGB in Betracht. Danach ist zum Schadensersatz verpflichtet, wer gegen ein den Schutz eines anderen bezweckenden Gesetzes verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein. Voraussetzung ist also ein Verstoß gegen ein Schutzgesetz. Dieses Schutzgesetz ist § 266a des Strafgesetzbuches. Danach wird bestraft, wer als Arbeitgeber der Einzugsstelle Arbeitnehmerbeiträge vorenthält (§ 266a Abs. 1 StGB). Ebenso wird bestraft, wer als Arbeitgeber durch Angabe unrichtiger oder unvollständiger sozialversicherungsrechtlich erheblicher Tatsachen oder durch Nichtangabe solcher Tatsachen Arbeitgeberbeiträge vorenthält (§ 266a Abs. 2). Anerkannt ist, dass Abs.1 dieser Bestimmung ein Schutzgesetz i. S. v. § 823 Abs. 2 BGB ist (Arbeitnehmerbeiträge). Ob dies auch für ein strafbares Vorenthalten des Arbeitgeberanteils nach § 266a Abs. 2 StGB gilt, wird unterschiedlich bewertet. Das Oberlandesgericht Saarbrücken hat diese Frage in einem Urteil vom 27.05.2015 (1 U 89/14) bejaht. Die Einzugsstellen beschränken sich in der Praxis mitunter allerdings auf die Forderung des Arbeitnehmeranteils.
§ 266a ist ein Vorsatzdelikt. Ausreichend ist sog. bedingter Vorsatz. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs handelt der wegen Nichtabführung der Sozialversicherungsbeiträge in Anspruch genommene Geschäftsführer mit bedingtem Vorsatz, wenn er eine für möglich gehaltene Beitragsvorenthaltung billigt und nicht auf die Erfüllung der Ansprüche der Sozialversicherungsträger hinwirkt.
BGH – 03.05.2016 – II ZR 311/14
Das Landgericht Bochum geht in einem Urteil vom 28.05.2014 wohl davon aus, dass der Geschäftsführer auch für die Nichtabführung des Arbeitgeberanteils haftet, verneint aber den Vorsatz im strafrechtlichen Sinne, solange der Bescheid über das Bestehen der Versicherungspflicht nicht bestandskräftig geworden ist.
Landgericht Bochum – Urteil vom 28.5.2014 – I-4 O 39/14
Wird der Prüfbescheid der Rentenversicherung also mit Rechtsmitteln angefochten und ist eine Entscheidung über das Rechtsmittel noch nicht rechtskräftig, scheidet nach dieser Auffassung eine persönliche Inanspruchnahme des Geschäftsführers zumindest vorläufig aus.
Keine Haftung für Säumniszuschläge
Zudem erstreckt sich die persönliche Haftung des Geschäftsführers nicht auf die Säumniszuschläge.
BGH – 16. Februar 2012 – IX ZR 218/10
Dieser Beitrag dient zur allgemeinen Information und entspricht dem Kenntnisstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung. Eine individuelle Beratung wird dadurch nicht ersetzt. Jeder einzelne Fall erfordert fachbezogenen Rat unter Berücksichtigung seiner konkreten Umstände. Ohne detaillierte Beratung kann keine Haftung für die Richtigkeit übernommen werden. Vervielfältigung und Verbreitung nur mit schriftlicher Genehmigung des Verfassers.
Artikel teilen: