Schlupfloch bzw. Schleichweg in die Rente

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Ende letzter Woche habe ich an einer Fortbildungsveranstaltung im Arbeitsrecht in Berlin teilgenommen. Thematisiert wurde dort u.a. auch, wer mit 63 in Rente gehen kann. Maßgeblich dafür ist die neue Regelung in § 236b SGB VI. Danach soll ab dem 01.07.2014 derjenige Altersrente abschlagsfrei beziehen können, der 63 Jahre oder älter ist, bislang noch keine Altersrente bezieht und 45 Beitragsjahre nachweisen kann. Zeiten, in denen Arbeitslosengeld I bezogen wurde, werden grundsätzlich angerechnet, es sei denn, sie liegen in den letzten zwei Jahren vor dem Renteneintritt.

Diese „Sperrzeit“ soll verhindern, dass Beschäftigte bereits mit dem 61. Lebensjahr ihren Arbeitsplatz „räumen“. Darauf hatte sich die große Koalition nach wochenlangem Streit im Mai auf Druck der Union geeinigt.

In diesem Zusammenhang haben wir in Berlin über die Naivität des Bundesarbeitsministeriums diskutiert. Denn das Ministerium musste auf Anfrage der Grünen einräumen, dass es etwas anderes sei es, wenn die Arbeitnehmer in dieser Zeit einen versicherungspflichtigen Minijob ausüben; die dabei fälligen Abgaben seien „Pflichtbeiträge und zählen bei der Wartezeit von 45 Jahren mit“. In der Praxis könnte also ein Arbeitnehmer mit 61 Jahren aus dem Job ausscheiden, zwei Jahre Arbeitslosengeld beziehen, in dieser Zeit einen Minijob ausüben (z. B. wöchentlich vier Stunden als Verkäufer oder Fahrer arbeiten), sich nicht beitragsfrei stellen und damit den Anspruch auf die abschlagsfreie Rente mit 63 erwerben.

Im Hinblick auf dieses „Schlupfloch“ sieht das Arbeitsministerium gleichwohl keinen Änderungsbedarf mit der Begründung: „Dass diese Gestaltung in der Lebenswirklichkeit tatsächlich in nennenswertem Umfang angewendet wird, erscheint wenig wahrscheinlich“.

Diese „Lebenswirklichkeit“ des Ministeriums sieht nun allerdings so aus, dass ein internes Info-Blatt der Rechtsabteilung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) den Minijob ab 61 ausdrücklich als eine „Lösungsoption“ empfiehlt, um die Beitragszeit zu erreichen. Es wird darauf hingewiesen, dass das in einer solch geringfügigen Beschäftigung erzielte Entgelt gar nicht hoch sein müsse; entscheidend sei nur, dass der Rentenbeitrag gezahlt werde, eine Anrechnung von Netto-Einkünften bis 165 Euro im Monat auf das Arbeitslosengeld erfolge nicht.

Insoweit erwarte nicht nur ich eine Frühverrentungswelle mit den entsprechenden finanziellen Auswirkungen.

Rechtsanwalt Volker Weinreich

Fachanwalt für Arbeitsrecht


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