Rücktritt vom Vertrag – in der Regel nur mit vorheriger Setzung einer Frist zur Nacherfüllung

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Zur Darlegung der Problemstellung eine Anekdote aus der Rubrik „Vor Gericht, unverhofft kommt oft.“

In einem hier über die Kanzlei betreuten Fall stritt ein Auftraggeber mit dem Mandanten, einem Werkunternehmer, über die Rückabwicklung eines Vertrags. Die Leistung sei in keinerlei Hinsicht vertragsgemäß erbracht worden, sodass ein Rücktrittsgrund bestehe. Das sah der Mandant naturgemäß anders, sodass es nun lang und breit in vorbereitenden Schriftsätzen von Anwalt zu Anwalt sowie im Rahmen des Klageverfahrens um die Bestimmung des Vertragsinhalts und der ordnungsgemäßen Vertragsdurchführung ging. Also darum: lag überhaupt ein Rücktrittsgrund vor? Ja oder nein?

Soweit so gut. Oder eben auch nicht. Der Tag der mündlichen Verhandlung verlief vor allem für den Kläger eher „unverhofft“. Unmittelbar zur Verhandlungseröffnung gab es für den Klägervertreter eine verbale Schelte, die zumindest in der Form überraschte. Ziemlich laut und verärgert wandte sich die Richterin an den Klägervertreter sinngemäß mit den Worten „Sie sind heut schon der dritte Anwalt, der irgendeinen Rücktritt geltend macht, ohne dass vorher eine Frist gesetzt wurde. Ist dies jetzt allgemein üblich?“

Das jedenfalls war deutlich, das Verfahren damit beendet. Der Gegner hatte dem Mandanten schlicht weg und ergreifend keine angemessene Nachfrist zur ordnungsgemäßen Leistungserbringung vor seiner Rücktrittserklärung gesetzt. Auf all die Fragen, was denn nun vertraglich vereinbart war oder worauf er seinen Rücktrittsgrundes stützen möchte, bedurfte es keinerlei Antwort mehr. Die Klage wurde aufgrund fehlender Setzung einer angemessenen Nachfrist zur Vertragserfüllung abgewiesen. Ob ein Rücktrittsgrund vorlag, spielte damit keine Rolle mehr.

Zugegeben, man hätte auch selbst eher draufkommen und genau diesen Punkt vertiefen können. Allerdings sind es oft gerade solche scheinbaren Banalitäten, welche am Ende zur Hürde werden. Eben wie hier, ob und inwiefern eine Frist zur Nacherfüllung gesetzt wurde.


Aber was hat es jetzt mit dem Setzen einer angemessenen Frist vor dem Rücktritt auf sich?

Grundsätzlich gilt: läuft in einem eines gegenseitigen Vertrags, sei etwa in einem Kaufvertrag oder einem Werkvertrag, irgendetwas schief, muss der jeweils Verpflichtete zur ordnungsgemäßen Durchführung seiner Leistung unter Setzung einer angemessenen Frist aufgefordert werden. Erst wenn dies erfolgt ist und die Leistung trotzdem nicht oder aber nicht ordnungsgemäß innerhalb dieser „Nachfrist“ erbracht wird, besteht die Option des Rücktritts oder des Schadensersatzes. Ein ähnliches Konstrukt ist die Mahnung, um einen Schuldner beispielswiese bei ausbleibender Zahlung in Verzug zu setzen.

Daher also: es muss eine fehlerhafte Vertragsleistung vorliegen (Rücktrittsgrund) und der zur jeweiligen Leistung Verpflichtete muss zur ordnungsgemäßen Leistung unter Setzung einer angemessenen Frist aufgefordert werden (angemessene Nachfrist). Was nun angemessen ist, soll an dieser Stelle unberücksichtigt bleiben, muss jedoch auch mit Blick auf den jeweiligen Vertrag geprüft werden. Liegt aber einer der beiden Punkte nicht vor, besteht kein Anspruch auf Rücktritt vom Vertrag.

Wichtig dabei ist, dass im Rahmen eines gegenseitigen Vertrags die Nachfrist auch denn erforderlich ist, wenn die Leistung zwar "irgendwie erbracht" wurde, allerdings eben nicht ordnungsgemäß. Genau hier liegen oft die Probleme, wenn es am Ende um die Diskussion geht, ob eine Frist gesetzt wurde oder nicht.


Bsp. 1: Verkäufer V liefert eine Sache an Käufer K nicht. Entsprechend setzt Käufer K dem V eine angemessene Frist, um die Sache zu liefern. Geschieht wieder nichts, kann K vom Vertrag zurücktreten. Soweit die gängige Variante.


Bsp. 2: Verkäufer V liefert eine Sache an Käufer K, allerdings nicht ordnungsgemäß (unvollständig, defekt usw.). Auch hier muss K den V unter Setzung einer angemessenen Frist zur ordnungsgemäßen Lieferung auffordern. Allein eine umfassende Diskussion rund um die fehlerhafte Lieferung ohne Fristsetzung ist nicht ausreichend, um wirksam vom Vertrag zurückzutreten.

Vor allem diese scheinbare Ungenauigkeit in Bsp. 2 führt letztlich dazu, dass die Voraussetzungen eines Rücktritts gerade nicht erfüllt sind. Natürlich muss auch in Bsp. 2 der Verkäufer ordnungsgemäß liefern, keine Frage. Durch den bestehenden Vertrag sind beide Vertragsparteien anhaltend verpflichtet, ihre jeweils geschuldete Leistung zu erbringen. Damit also auch der Verkäufer bezogen auf die ordnungsgemäße Lieferung der Sache. Allerdings besteht ohne die Setzung einer angemessenen Nachfrist für den Käufer nicht die Option, sich vom Vertrag zu lösen.

Die Folgen können durchaus erheblich sein. Wenn Käufer K nach umfassender Diskussion mit Verkäufer V sich die Sache bei einem anderen Anbieter nochmals bestellt und im Anschluss daran ohne Setzung einer Nachfrist zurücktreten möchte, dann wird er damit nicht weit kommen und am Ende auf beiden Artikeln sitzen bleiben. Zwar könnte der K anschließend nochmals eine Nachfrist setzen. Allerdings läuft er dann ebenso der Gefahr, dass der V plötzlich doch noch ordnungsgemäß liefert. Auch dann bleibt der K auf beiden Artikeln sitzen.


Gibt es Ausnahmen von einer Fristsetzung?

Wie so oft, gibt es aber auch für die Notwendigkeit der Setzung einer angemessenen Nachfrist Ausnahmen. In erster Linie gilt dies dann, wenn der Vertragspartner die Vertragserfüllung ernsthaft verweigert, vgl. § 323 Abs. 2 BGB. Auch im eingangs dargestellten Ausgangsfall war das zumindest am Rande Thema. An eine solche endgültige Verweigerung, welche eine Fristsetzung nach Maßgabe des § 323 Abs. 2 BGB entbehrlich werden lässt, sind aber strenge Anforderungen zu stellen, vgl. BGH VIII ZR 202/10, auch BGH VIII ZR 215/10. So ist davon auszugehen, dass allein auch das wiederholte Bestreiten eines behaupteten Mangels gerade nicht ausreichend ist, um die Fristsetzung als entbehrlich anzusehen, vgl. BGH a.a.O. Ebenso ist es nicht ausreichend, wenn der zur Leistung Verpflichtete weitergehende Arbeiten mit der Begründung zurückweist, die geschuldete Leistung sei bereits vollständig und ordnungsgemäß erbracht, vgl. BGH VIII ZR 249/84.


Bsp. 3: wie oben in Bsp. 2, die Parteien diskutieren hin und her über einen Mangel, der Verkäufer bestreitet das Vorliegen des Mangels kategorisch. Allein dieser Umstand des Bestreitens durch V genügt nicht, dass auf eine Fristsetzung verzichtet werden kann und durch K sofort auf dem gerichtlichen Weg ein Rücktritt geltend gemacht werden könnte. Die Setzung der Nachfrist soll dem jeweils anderen Vertragspartner nochmals verdeutlichen, dass er handeln muss oder aber, dass weitere Konsequenzen drohen.   

Es ist einhellige Rechtsprechung, dass für die Entbehrlichkeit der Fristsetzung aufgrund der vermeintlichen Verweigerung der Nacherfüllung weitere klare und eindeutige Umstände hinzutreten müssen, welche die endgültige Erfüllungsverweigerung belegen. Das ist insoweit auch verständlich, denn wäre dies anders zu beurteilen, dann würde jedwedes Bestreiten eines Mangels oder einer Schlechtleistung per se unmittelbar das Rücktrittsrecht auslösen. Das ist weder Intention des Gewährleistungsrechts noch den gesetzlichen Rücktrittsvoraussetzungen als solches zu entnehmen. Ob und wann solche zusätzlichen Umstände relevant sind, muss stets im Einzelfall geprüft werden.


Praxistipp:

Ganz klar und wie so oft: auf Fristen achten! Dabei auch im Rahmen etwaiger unsäglich gelaufener Verträge. Es mag sicherlich bei verschiedenen Konstellationen nach bloßer Förmelei aussehen, aber die Setzung einer angemessenen Frist zur ordnungsgemäßen Leistungserbringung ist nun einmal wesentliche Voraussetzung für die Wirksamkeit des anschließend möglichen Rücktritts vom Vertrag.

Wenn ein Rücktritt im Raum steht – seien wir ehrlich – dann sind die Positionen meist verhärtet und es gab bereits längere Diskussionen im Vorfeld. Anders gesagt: auf den Zeitlauf einer angemessenen Frist kommt es vermutlich im Regelfall nun auch nicht mehr an. Das Rücktrittsrecht ist ein wesentliches Gestaltungsrecht im Falle schiefgelaufener Verträge. Schneiden Sie sich also dahingehende Rechte nicht deshalb ab, weil Ihrer Einschätzung nach, eine nochmalige und verbindliche Fristsetzung nicht notwendig erscheint oder Ihnen das alles „zu lästig“ ist. Anderenfalls besteht die Gefahr, dass am Ende doppelt gezahlt wird.

Auf der anderen Seite sollten entsprechend Verpflichtete genau prüfen, ob Ihnen eine angemessene Frist gesetzt wurde. Nicht jede Aufforderung zur ordnungsgemäßen Leistung ist gleichsam das Setzen einer angemessenen Nachfrist. Das muss vor allem dann sorgsam geprüft werden, wenn die geschuldete Leistung noch problemlos bewirkt werden könnte oder aber, wenn ein gerichtliches Verfahren bereits im Raum steht.

Sollten Sie Rückfragen zu diesem oder einem anderen Sachverhalt haben, können Sie mich gern kontaktieren. Sie erreichen mich über das Kontaktformular oder per Email.

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