Testament nicht auffindbar – und was nun?

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Auch Testamente können verloren gehen. Gerichtliche Streitigkeiten um die Folgen eines solchen Verlustes sind daher nicht selten. 

So hat das Kammergericht Berlin mit Beschluss vom 03.08.2018 (Az. 6 W 52/18) beispielsweise entschieden, dass die Wirksamkeit eines Testaments nicht dadurch berührt wird, dass die Testamentsurkunde ohne Willen und ohne Zutun des Erblassers vernichtet worden, verloren gegangen oder auch sonst nicht auffindbar ist.

Voraussetzung ist allerdings, dass die Errichtung und der Inhalt eines Testaments in diesen Fällen unter Zuhilfenahme anderer Beweismittel belegt werden können. An diesen Nachweis sind strenge Anforderungen zu stellen.

Hintergrund des Verfahrens war ein Streit zwischen den Söhnen des Verstorbenen aus seinen ersten beiden Ehen und der Tochter der vorverstorbenen dritten Ehefrau des Erblassers, der Stieftochter des Verstorbenen.

Ein Sohn hatte einen Erbschein beantragt, mit welchem er und sein Bruder als gesetzliche Erben zu je ein halb ausgewiesen werden. Die Tochter hatte eine Kopie eines Testaments eingereicht, welches ihre Erbeinsetzung als Alleinerbin enthielt.

Es wurde unter anderem darüber gestritten, ob das von der Tochter in Kopie vorgelegte Testament tatsächlich eigenhändig geschrieben und unterschrieben worden sei. Des Weiteren wurde dargelegt, dass selbst in diesem Fall der Verstorbene das Testament jedenfalls in Widerrufsabsicht vernichtet habe. Dies sei bereits dadurch nachgewiesen, dass die Tochter das Original des Testaments in den Sachen des Erblassers nicht hatte finden können. Des Weiteren hätte der Erblasser auch mehrfach geäußert, dass die gesetzliche Erbfolge eintreten solle und er kein Testament benötigen würde. 

Die Tochter war dem Erbscheinantrag entgegengetreten und hatte ausgeführt, dass der Verstorbene nach anwaltlicher Beratung das Testament eigenhändig geschrieben und unterschrieben habe. Dieses habe er lediglich nicht hinterlegen wollen. Zu Beweiszwecken habe sie sich eine Kopie gezogen und die Originalurkunde sei beim Erblasser verblieben. Noch wenige Monate vor seinem Tod habe der Erblasser im Beisein ihres Ehemannes bestätigt, dass sich das Originaltestament bei seinen Akten und Unterlagen befinden würde.

Entscheidend war, dass für das Kammergericht Berlin feststand, dass die Errichtung des Testaments und der Inhalt des Testaments mithilfe anderer Beweismittel vorgetragen und bewiesen werden konnten. Zwar sind auch nach Auffassung des Kammergerichts an den Nachweis strenge Anforderungen zu stellen, allerdings sei dieser Beweis gelungen.

Grundsätzlich ist derjenige beweispflichtig, der aus einem Testament Rechte herleiten will. Dabei ist nicht nur zu beweisen, dass der Verstorbene ein formgültiges, rechtswirksames Testament mit dem behaupteten Inhalt errichtet hat, sondern auch, dass es sich bei der Kopie beispielsweise nicht um einen bloßen Entwurf gehandelt hat. 

Grundlage dieser hohen Beweisanforderungen sind die Formerfordernisse für ein wirksames Testament. Mit den Formvorschriften verfolgt der Gesetzgeber: Die Formvorschriften sollen den Erblasser veranlassen, sich selbst darüber klar zu werden, welchen Inhalt und seine testamentarischen Regelungen haben sollen. Sein Wille soll möglichst deutlich zum Ausdruck gebracht werden. Des Weiteren sollen die Formerfordernisse auch dazu dienen, Vorüberlegungen und Entwürfe von der entscheidenden Testierung im Original abzugrenzen. Die Eigenhändigkeit der Testierung soll zudem eine erhöhte Sicherheit vor Verfälschungen des Erblasserwillens bieten.

Nach einer Beweisaufnahme stand für das Kammergericht Berlin fest, dass das als Kopie vorgelegte Testament wirksam von dem Erblasser errichtet worden ist. So hatte der Sachverständige überzeugend dargelegt, dass der Erblasser den Text der Urkunde eigenhändig geschrieben hat. Dies hatte der Sachverständige im Rahmen einer Schrift vergleichenden Expertise festgestellt. Eine Testierunfähigkeit lag ebenfalls nicht vor.

Darüber hinaus gab es ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass der Erblasser das Testament auch bis zu seinem Tod 2017 nicht durch Vernichtung widerrufen hatte. Genau diese Vernichtung hätten wiederum die Söhne vortragen müssen, da die Söhne ihrerseits Rechte aus der gesetzlichen Erbfolge herleiten wollten. Die gesetzliche Erbfolge wäre aber nur dann eingetreten, wenn festgestellt worden wäre, dass der Erblasser das formwirksam errichtete Testament wirksam widerrufen hat. Eine solche Feststellung konnte das Kammergericht Berlin nicht treffen. § 2255 BGB setzt eine bewusste Vernichtung des Testaments durch den Erblasser in der Absicht voraus, dass Testament damit widerrufen zu wollen. Ein unfreiwilliger Verlust des Testaments ist nicht ausreichend. Für einen Urkundenverlust können viele Gründe bestehen. Allein die Tatsache, dass das Originaltestament nicht mehr auffindbar war, konnte daher keine Vermutung dafür begründen, dass der Erblasser mit Widerrufsabsicht dieses zuvor bestehende Testament widerrufen hatte.

Aus diesem Grund konnte der Erbschein zu Gunsten der Söhne nicht erteilt werden. Trotz des fehlenden Originals des Testaments konnte die Tochter somit belegen, dass sie Alleinerbin geworden ist.

Damit wurde durch das Kammergericht Berlin bestätigt, dass in engen Ausnahmefällen unter Umständen ein Recht aus einem verloren gegangenen Testament hergeleitet werden können.

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- Schwede -

Rechtsanwalt


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