Überwachung von Arbeitnehmern durch Detektive – was ist zulässig?

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Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Bert Howald berichtet im Folgenden über eine wichtige neue Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zur Zulässigkeit von Überwachungsmaßnahmen im Arbeitsverhältnis.

1. Was war passiert?

Im Unternehmen des Arbeitgebers S werden Stanzwerkzeuge und Stanzformen hergestellt. Der Arbeitnehmer A ist seit 1978 gewerblicher Mitarbeiter und wird beim Arbeitgeber im Bereich Stanzformenbau eingesetzt. Im Jahr 2014 meldet sich Arbeitnehmer A häufiger arbeitsunfähig, ab 20.01.2015 dann durchgehend. Der S bekommt nun Hinweise darauf, dass ein anderes Unternehmen, welches von den Söhnen des A betrieben wird, eine seiner Kundinnen angeschrieben und Stanzformen günstig angepriesen habe. In der E-Mail ist auch die Rede davon, dass der A schon seit 38 Jahren Stanzformen montiere, es sei erstaunlich, was er alles hinbekomme.

Daraufhin gibt der Arbeitgeber S dem Arbeitnehmer A Gelegenheit zur Stellungnahme wegen des Verdachts wettbewerbswidriger Konkurrenztätigkeit und des Vortäuschens einer Erkrankung. A äußert sich daraufhin nicht.

Der Arbeitgeber S kündigt das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise ordentlich.

Der Arbeitgeber S hatte zur Abklärung des Verdachts unter anderem einen Detektiv beauftragt, welcher sich als Fahrer eines Kundenunternehmens ausgegeben und den A am 03.06.2015 bei der Firma seiner Söhne gesehen habe, wie er dort gearbeitet habe. S verlangt von A Schadensersatz für die Detektivkosten in Höhe von 746,55 EUR wegen dieses Einsatzes im Juni 2015.

Der A klagt gegen die Kündigungen. Er gibt an, dass er nicht für das Unternehmen seiner Söhne gearbeitet, habe, er sei arbeitsunfähig krank gewesen.

2. Wie entscheidet das Bundesarbeitsgericht den Fall?

Das Bundesarbeitsgericht hält die Kündigung für wirksam.

Eine verdeckte Überwachung durch einen Detektiv zur Aufklärung eines auf Tatsachen gegründeten konkreten Verdachts einer schwerwiegenden Pflichtverletzung des Arbeitnehmers könne gemäß § 32 Absatz 1 Satz 1 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) zulässig sein, selbst wenn es nicht um die Aufdeckung einer Straftat im Sinne von § 32 Absatz 1 Satz 2 BDSG gehe.

Das Sammeln von Informationen bei einer Überwachung durch einen Detektiv sei eine „Datenerhebung“ im Arbeitsverhältnis. Erfolge die „Datenerhebung“ nicht zur Aufdeckung einer im Beschäftigungsverhältnis begangenen Straftat im Sinne von § 32 Absatz 1 Satz 2 BDSG, komme eine Zulässigkeit der Maßnahme nach § 32 Absatz 1 Satz 1 BDSG in Betracht. Diene die Datenerhebung weder der Aufdeckung von Straftaten noch sonstigen Zwecken des Beschäftigungsverhältnisses, könne sie überdies „zur Wahrung berechtigter Interessen“ im Sinne von § 28 Absatz 1 S. 1 Nr. 2 BDSG zulässig sein.

Nach § 32 Abs. 1 S. 1 BDSG dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses unter anderem dann erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für dessen Durchführung oder Beendigung erforderlich ist. Der Wortlaut des § 32 Abs. 1 S. 1 BDSG enthalte keine Einschränkung, dass der Verdacht einer im Beschäftigungsverhältnis verübten Straftat bestehen müsse. Sofern nach § 32 Abs. 1 S. 1 oder S. 2 BDSG zulässig erhobene Daten den Verdacht einer Pflichtverletzung begründen, dürfen sie für die Zwecke und unter den Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 S. 1 BDSG auch verarbeitet und genutzt werden. § 32 Abs. 1 S. 2 BDSG erlaubt die Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung in den Fällen, in denen Anhaltspunkte für den Verdacht einer im Beschäftigungsverhältnis begangenen Straftat bestehen. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass Maßnahmen zur Aufdeckung einer Straftat in der Regel besonders intensiv in das allgemeine Persönlichkeitsrecht eingreifen. Dies ist insbesondere bei einer zu diesem Zweck erfolgenden (verdeckten) Überwachung von Beschäftigten der Fall, weshalb die – von der Gesetzesbegründung in Bezug genommenen – restriktiven Grundsätze der hierzu ergangenen Rechtsprechung in § 32 Abs. 1 S. 2 BDSG gesondert kodifiziert wurden.

Eine „Sperrwirkung“ des § 32 Abs. 1 S. 2 BDSG gegenüber der Erlaubnisnorm in S. 1 der Bestimmung in Fällen, in denen der Arbeitgeber „nur“ einen – auf Tatsachen gestützten und ausreichend konkreten – Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung des Arbeitnehmers hat, nicht aber den einer im Beschäftigungsverhältnis begangenen Straftat, lasse sich weder aus dem Wortlaut von § 32 Abs. 1 BDSG, noch seiner Systematik oder seinem Sinn und Zweck bzw. der Gesetzeshistorie ableiten. Die Gesetzesbegründung mache vielmehr deutlich, dass eine solche Sperrwirkung weder gewollt gewesen sei noch mit den kollidierenden Interessen des Arbeitgebers im Einklang stünde.

Nach den in § 32 BDSG zusammengefassten Rechtsprechungsgrundsätzen seien – sofern

  • weniger einschneidende Mittel zur Aufklärung des Verdachts ergebnislos ausgeschöpft sind,
  • die verdeckte Überwachung damit das praktisch einzig verbleibende Mittel darstellt und
  • sie insgesamt nicht unverhältnismäßig ist –

Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer durch bspw. eine verdeckte (Video-)Überwachung nicht nur dann zulässig, wenn der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung bestehe, sondern ebenso bei einem entsprechenden Verdacht einer anderen schweren Verfehlung zulasten des Arbeitgebers. Dabei müsse sich der Verdacht in Bezug auf die konkrete strafbare Handlung oder andere schwere Verfehlung zulasten des Arbeitgebers gegen einen zumindest räumlich und funktional abgrenzbaren Kreis von Arbeitnehmern richten.

Nach den bisherigen Feststellungen der Instanzgerichte sei nicht ausgeschlossen, dass die von dem Arbeitgeber, der Beklagten, veranlasste Überwachungsmaßnahme zur Aufklärung des Verdachts auch im Übrigen verhältnismäßig gewesen sei. Das wäre der Fall gewesen, wenn die Schwere des Eingriffs bei einer Gesamtabwägung nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe stand. Dies müsse das Landesarbeitsgericht aber noch weiter aufklären. Das Bundesarbeitsgericht verweist den Rechtsstreit zur weiteren Sachaufklärung deshalb zurück an das Landesarbeitsgericht.

Bundesarbeitsgericht v. 29.06.2017 – Aktenzeichen: 2 AZR 597/16

3. Welche Bedeutung haben diese Ausführungen für andere Fälle?

Man führe sich nochmals vor Augen: Dem Arbeitgeber ging es nicht um den Verdacht einer Straftat, sondern „nur“ den Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung im Arbeitsverhältnis. Das Bundesdatenschutzgesetz enthält aber in § 32 Abs. 1 S. 2 BDSG – und zwar auch nach seiner Novellierung im Zuge der Europäischen Datenschutz-Grundverordnung! – nur einen Verweis auf den Verdacht von Straftaten. Das Bundesarbeitsgericht stört dies nicht: Es sieht eine Parallele und wendet die Vorschrift in gleicher Weise auf die Fälle an, in denen zwar kein Straftatverdacht, aber der Verdacht eines vertraglichen Pflichtverstoßes in Rede steht.

Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg sah sich noch an einer solchen Auslegung gehindert. Sie ging den Richterinnen und Richtern dort wohl zu weit, weil nach allgemeinen Grundsätzen eine Spezialregelung einer allgemeinen Regelung vorgeht, aber für seinen Bereich dann eben auch abschließend ist. Die Hilfsüberlegung, dass der Gesetzgeber eine „Sperrwirkung“ nicht gewollt habe, überzeugt nicht vollständig.

Es bleibt dann aber die Schlussfolgerung für andere, vergleichbare Fälle, dass eine (natürlich verdeckte) Überwachung durch einen Detektiv bei einem konkreten Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung nach den Voraussetzungen der Verhältnismäßigkeit, wie sie die Rechtsprechung aufgestellt hat, durchaus in Frage kommt und auch nicht zu einem Beweisverwertungsverbot im Kündigungsschutzprozess führen wird.

Damit sind Detektivbüros nach wie vor für Arbeitgeber interessante „Geschäftspartner“, wenn es um die Aufklärung von Pflichtverletzungen zur Vorbereitung einer fristlosen oder ordentlichen Kündigung geht.

Die Betroffenen müssen dann im Übrigen auch die Detektivkosten dem Arbeitgeber erstatten. Hierzu soll noch einmal das Bundesarbeitsgericht zu Wort kommen:

„Ein Arbeitnehmer hat wegen der Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten gemäß § 280 Abs. 1 BGB dem Arbeitgeber die durch das Tätigwerden eines Detektivs entstandenen notwendigen Kosten zu ersetzen, wenn der Arbeitgeber aufgrund eines konkreten Tatverdachtes gegen den Arbeitnehmer einem Detektiv die Überwachung des Arbeitnehmers überträgt und der Arbeitnehmer einer vorsätzlichen Vertragspflichtverletzung überführt wird.“

Bundesarbeitsgericht vom 28.10.2010 – gerichtliches Aktenzeichen: 8 AZR 547/09

Dr. Bert Howald

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Arbeitsrecht

Anwaltskanzlei Gaßmann & Seidel, Stuttgart


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