Unpünktlichkeit: Kündigung gerechtfertigt, wenn Arbeitnehmer drei Arbeitstage hintereinander erheblich zu spät kommt

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Das Landesarbeitgericht Schleswig-Holstein stellt mit Urteil vom 31.08.2021 - 1 Sa 70 öD/21 – folgendes klar: „Kommt ein Arbeitnehmer an drei von vier aufeinander folgenden Arbeitstagen erheblich zu spät oder gar nicht zur Arbeit, kann dies je nach den Umständen des Einzelfalls den Rückschluss auf ein hartnäckiges und uneinsichtiges Fehlverhalten zulassen, sodass er vor Ausspruch einer Kündigung keiner ausdrücklichen Abmahnung mehr bedarf. Eine ordentliche Kündigung ist sozial gerechtfertigt, wenn wegen der ersten Verspätung ausdrücklich eine mündliche Abmahnung erteilt wurde, auch wenn das Arbeitsverhältnis bereits mehr als 13 Jahre bestanden hat.“ Quelle: openJur 2021, 29462.

Was ist passiert?

LAG, a.a.O: „Die am ....1980 geborene, ledige und bei Zugang der Kündigung kinderlose Klägerin ist seit dem 01.01.2006 auf Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrags beim beklagten Land beschäftigt. Sie wird als Serviceangestellte beim Sozialgericht ... im Umfang von 60% der regelmäßigen Arbeitszeit einer Vollzeitkraft beschäftigt…Für die Angestellten des Gerichts gilt eine Gleitzeitregelung, die Kernarbeitszeit beginnt um 9.00 Uhr. Die Klägerin arbeitet montags, mittwochs und freitags jeweils 8 Stunden. Sie wird in der Poststelle des Sozialgerichts eingesetzt und ist an ihren Arbeitstagen dort die einzige Mitarbeiterin...“

Unpünktlichkeit: Arbeitnehmer meint, sie hat verschlafen

„Am Montag, dem 21.10.2019 erschien die Klägerin zunächst nicht zur Arbeit, sodass die Bearbeitung der eingegangenen Post entsprechend einer "Notfallliste" verteilt wurde. Gegen 10.30 Uhr rief die Klägerin beim Geschäftsleiter ... an und teilte mit, sie habe verschlafen…“

Unpünktlichkeit: Arbeitnehmer erklärt ein weiteres Mal, sie hat verschlafen

„Am Freitag, dem 25.10.2019 rief die Klägerin gegen 11.30 Uhr bei der Verwaltungsgeschäftsstelle des Sozialgerichts an und teilte mit, dass sie erneut verschlafen habe. Um 14.30 Uhr erschien sie zum Dienst und arbeitete bis 18.30 Uhr.

Unpünktlichkeit: Arbeitnehmer meint, wegen Einnahme von Baldrian zu spät zur Arbeit erschienen

Am Montag, dem 28.10.2019 erschien die Klägerin um 9.07 Uhr zur Arbeit. Im Laufe des Tages wurde sie zum Verhalten am 25.10.2019 angehört und teilte u.a. mit, sie habe am Vorabend des 21. und des 25.10. ein homöopathisches Mittel (Baldrian1200) eingenommen und jeweils den Wecker nicht gehört.“ Quelle: openJur 2021, 29462.“

Landesarbeitgericht Schleswig-Holstein stellt klar: Verhalten rechtfertigt ordentliche Kündigung

LAG: „Durch die verspätete Arbeitsaufnahme am 25.10.2019 um fünfeinhalb Stunden und am 28.10.2019 um 7 Minuten hat die Klägerin ihre Verpflichtung zum pünktlichen Arbeitsantritt verletzt. Die entsprechenden Sachverhalte sind zwischen den Parteien unstreitig. Die Klägerin kann ihre Verspätungen auch nicht mit "Arbeitsüberlastung" oder der "Ablehnung eines Urlaubsantrags" und einer daraus resultierenden Erschöpfung entschuldigen…Es ist nicht erkennbar, wieso eine Überlastung der Klägerin mit ihren täglichen Aufgaben ihr ein pünktliches Erscheinen am Arbeitsplatz nicht möglich macht. Der Arbeitsbeginn bis 9:00 Uhr ist nicht besonders früh und jedem Beschäftigten ohne weiteres möglich. Eine Arbeitsüberlastung ist von der Klägerin im Übrigen auch nicht substantiiert geltend gemacht.

Die ihr zugewiesenen Aufgaben sind für die Poststelle eines Gerichts absolut üblich. Und: Wie bereits ausgeführt, selbst wenn wegen hoher Eingänge die Klägerin in besonderem Maße belastet war und ihre Arbeit nicht schaffen sollte, begründet dies immer noch nicht, warum sie nicht bis 9:00 Uhr ihre Arbeit aufnehmen kann.“ Quelle: openJur 2021, 29462.

Schlafmangel: kein Rechtfertigungsgrund, unpünktlich die Arbeit aufzunehmen

„Soweit sie erstinstanzlich angegeben hat, sie habe unter Schlafmangel gelitten, ist dies den privaten Lebensumständen der Klägerin zuzurechnen und vermag das Bestehen einer Pflichtverletzung nicht zu beseitigen.“

Muss der Arbeitgeber vor Ausspruch der ordentlichen Kündigung eine Abmahnung aussprechen?

Antwort LAG: „Einer Abmahnung der Klägerin bedurfte es vor Ausspruch der ordentlichen Kündigung nicht. Allerdings ist grundsätzlich vor Ausspruch einer verhaltensbedingten ordentlichen Kündigung in aller Regel eine einschlägige Abmahnung erforderlich. Einer solchen bedarf es nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach einer Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist. Eine Abmahnung kann im Einzelfall dann entbehrlich sein, wenn besondere Umstände belegen, dass diese nicht erfolgversprechend gewesen wäre. Dies ist insbesondere anzunehmen, wenn erkennbar ist, dass der Arbeitnehmer gar nicht gewillt ist, sich vertragsgerecht zu verhalten. Nach diesen Maßstäben musste das beklagte Land die Klägerin vor Ausspruch der ordentlichen Kündigung nicht noch einmal gesondert abmahnen. Aus den Gesamtumständen des Einzelfalls einschließlich der Einlassungen der Klägerin im Berufungstermin steht für die Kammer fest, dass die Klägerin nicht ernsthaft gewillt war, sich vertragsgerecht zu verhalten.“

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