Unzulässige Abschaltvorrichtung verbaut? Landgericht Traunstein: VW muss alle Gutachterkosten tragen

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Software-Update – Wundermittel oder Rohrkrepierer?

Die illegale Abschaltvorrichtung, die VW und andere Autobauer serienmäßig in bestimmte Dieselfahrzeuge verbauten und die mit einer Betrugssoftware Abgaswerte manipuliert, ist ein Thema ohne Ende. Im Lauf der Zeit kamen immer neue unschöne Details ans Tageslicht, und die Hersteller gerieten in Erklärungsnot. Dies betrifft auch das Software-Update, dem seitens VW die Bedeutung eines therapeutischen Wundermittels zugeschrieben wird. Wirkungsgrad, Funktionsweise und Spätfolgen der Software sind indes umstritten. Tatsache ist: Der nicht technikaffine Laie ist mit der Materie überfordert und muss, wenn er sich nicht streiten möchte, die bittere Pille (Teilnahme an Rückrufaktion) schlucken. Was soll Otto Normalverbraucher auch machen? Ein modernes Auto ist heutzutage ein rollender Hochleistungsrechner, und niemand weiß, wie genau das Innenleben aussieht. Man kann nicht einfach die Motorhaube öffnen und in den Maschinenraum schauen. Was die Sache noch ärgerlicher macht: Die nette Bezeichnung "Software-Update" (Glückwunsch an die VW-Marketingabteilung!) gaukelt den betroffenen Kunden vor, dass die manipulierten Geräte nicht mehr auf dem neuesten Stand seien – und bagatellisiert damit den Schwindel. Der Betrug wird sozusagen zu einem kleinen Programmfehler heruntergespielt, den man mit der richtigen Software überspielen und problemlos korrigieren kann. 

Das skandalöse Verhalten von VW wird durch eine weitere Unverschämtheit noch vergrößert: Zuweilen behaupten die VW-Anwälte vor Gericht, dass das EA189-Betrugsauto gar nicht mit einer unzulässigen Abschaltvorrichtung ausgestattet gewesen sei. Ein solches prozessuales Verhalten setzt dem Ganzen die Krone auf. VW begibt sich mit dieser Abwehrreaktion freilich auf dünnes Eis. Zum einen wäre ein Gerichtsgutachten, das dem Sachvortrag der VW-Anwälte widerspricht, ein Desaster für VW (auch in medialer Hinsicht). Zum anderen muss VW die Sachverständigenkosten vorfinanzieren. Dies haben jüngst die Richter in Bayern erneut klargestellt:

Das Landgericht Traunstein hat am 13.11.2018 folgenden Beweisbeschluss erlassen:

  • Es ist Beweis zu erheben über die Behauptung der beklagten Partei, dass das streitgegenständliche Fahrzeug bei Übergabe an den Käufer entgegen des genannten Bescheids des Kraftfahrbundesamts nicht mit einer unzulässigen Um-/Abschaltvorrichtung ausgestattet war, durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens.
  • Zum Sachverständigen wird bestimmt: Dipl.-Ing. (FH) xxx, München
  • Aus dem Verfahren mit dem Az. xxx ist dem Gericht bekannt, dass der Sachverständige zur Beantwortung der Beweisfrage die im konkreten Fahrzeug ursprünglich verbaute Software und den Quelltext bzw. den Quellcode benötigt. Zudem ist er auf Unterlagen angewiesen, dass die Abschalteinrichtung möglicherweise für den Motorenschutz notwendig ist, d. h. sich durch die Konzeption oder Werkstoffwahl nicht vermeiden lässt. Nach § 142 Abs. 1 ZPO wird angeordnet, dass die Beklagtenseite entsprechende Unterlagen binnen 4 Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses vorlegt.
  • Der Sachverständige wird nach § 404a Abs. 1 ZPO angewiesen, die Beweisfrage anhand der vorgelegten und öffentlich zugänglichen Unterlagen zu beantworten. Dabei ist nur hinsichtlich der bei Übergabe des Fahrzeugs verbauten Software Stellung zu nehmen. Der Sachverständige möge – sofern erforderlich – das streitgegenständliche Fahrzeug technisch begutachten, wobei dabei gem. § 357 ZPO den Parteien zu gestatten ist, der Beweisaufnahme beizuwohnen.
  • Die Beklagtenpartei hat einen Auslagenvorschuss von 8.000,00 € einzuzahlen. Die Versendung der Akten zum Sachverständigen wird davon abhängig gemacht, dass binnen 4 Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses die Einzahlung des Auslagenvorschusses dem Gericht nachgewiesen wird.

Interessant sind außerdem folgende richterliche Hinweise in der Verfügung vom 13.11.2018: 

  • Das LG Traunstein geht derzeit davon aus, dass eine unzulässige Abschalteinrichtung bzw. Umschaltvorrichtung einen Mangel des verkauften Fahrzeugs darstellt (so auch OLG München, Beschluss vom 23.03.2017 sowie Hinweis vom 20.06.2017).
  • Das Gericht erholt vor dem Hintergrund, dass beklagtenseits vorgetragen wurde, dass keine unzulässige Abschaltvorrichtung vorliegt (BI. 133/134 d. A.), gegenbeweislich ein Sachverständigengutachten. Die Beweislast liegt diesbezüglich bei der Beklagtenseite, weil das Kraftfahrbundesamt bestandskräftig festgestellt hat, dass die Ab-/Umschaltsoftware nicht den Vorgaben der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 entspricht.
  • Das Gericht hat die Beweiserhebung vor allem in Hinblick auf das Beweisthema und der Auswahl des Sachverständigen ausführlich überdacht, sodass davon abgesehen werden möge, im Rahmen einer Gegenvorstellung dagegen vorzugehen.

Die (unveröffentlichte) Entscheidung aus Traunstein ist sehr zu begrüßen. Das Landgericht ist nicht mehr willens, sämtliche Prozesskosten den geschädigten VW-Kunden aufzuerlegen. Gerade für Klägerinnen und Kläger, die über keine Rechtsschutzversicherung verfügen, ist der Beweisbeschluss ein wichtiges Kriterium für die Beantwortung der Frage, welche finanziellen Risiken mit der Erhebung einer Einzelklage verbunden sind.



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