Vergütung von Betriebsräten: Arbeitsrechtlich ist etwas geboten, was gleichzeitig strafrechtlich im Risiko stehen kann

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Extrem schwieriges Thema für die Arbeitgeber in Deutschland: Wie umgehen mit den Gehältern der Betriebsräte? - seit dem der Bundesgerichtshof mit Datum vom 10. Januar 2023, Az. 6 StR 133/22, bestätigt hat, dass der Tatbestand der Untreue nach § 266 StGB erfüllt sein kann, wenn Vorstände bzw. Geschäftsführer Betriebsräten unter Verstoß gegen das betriebsverfassungsrechtliche Begünstigungsverbot überhöhte Vergütungen gewähren.

Aktuelle Schlagzeilen wie im Handelsblatt vom 05.07.2023, „Erste Klagen gegen Kürzungen von Betriebsrat-Vergütungen bei VW erfolgreich“ bedeuten für den Arbeitgeber in seiner Entscheidungsfindung, ob er Gehälter von Betriebsräten zu kürzen hat, im buchstäblichen Sinne gar nichts. Das Handelsblatt nimmt Bezug auf Entscheidungen des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 05.07.2023, Aktenzeichen 3 Ca 132/23; 3 Ca 138/23.

Laut Pressemitteilung des Arbeitsgericht Braunschweig vom 06.07.2023 heißt es wie folgt: „Erfolgreiche Klagen auf Vergütungsdifferenzen freigestellter Betriebsratsmitglieder bei der Volkswagen AG nach Gehaltsrückstufungen - Urteile vom 05. Juli 2023 - Das Arbeitsgericht Braunschweig hat am 05. Juli 2023 zwei Klagen freigestellter Betriebsratsmitglieder in vollem Umfang stattgegeben.“

Generell jedoch bleibt die rechtliche Unsicherheit für Unternehmen bundesweit bestehen, ob Gehälter von Betriebsräten zu kürzen sind oder nicht

Arbeitsrecht für Arbeitgeber bedeutet vor allem folgendes: Der Einzelfall ist entscheidend. Deshalb gibt es auch keine absoluten Kündigungsgründe in Deutschland. „Äpfel mit Birnen vergleichen“ – geht nicht; jeder Fall vor dem Arbeitsgericht ist anders.

Schaut man sich die Rechtsstreitigkeiten vor dem Arbeitsgericht Braunschweig im Detail an, wird deutlich, dass diese für Betriebsräte positiven Entscheidungen gerade nicht im Widerspruch zum Urteil des Bundesgerichtshofs stehen.

Die Redaktion beck-aktuell, 6. Juli 2023, ergänzt durch Material der dpa, hat die Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 05.07.2023 wie folgt zusammengefasst:

„Im ersten Fall war der Kläger vom Standort Wolfsburg bei Übernahme des Betriebsratsamtes im Jahr 2002 in die Entgeltstufe 13 des auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifvertrag eingruppiert und erhielt zuletzt eine Vergütung nach der Entgeltstufe 20. Die Beklagte nahm auf der Grundlage einer Vergleichsgruppenbetrachtung mit Wirkung ab Oktober 2022 eine Rückstufung des Klägers in die Entgeltstufe 18 vor und kürzte die Vergütung um etwa 640 Euro monatlich. Der Kläger hat die Vergleichsgruppenbildung der Beklagten als nicht nachvollziehbar angegriffen und sich auf eine ihm im Jahr 2015 angebotene Stelle berufen, die eine Vergütungsentwicklung - unstreitig - bis zumindest in die Entgeltstufe 20 beinhaltet.

Berücksichtigung des Stellenangebotes unter Gesichtspunkt einer "hypothetischen Karriere"

Das ArbG hat der Klage unter Hinweis auf die dem Kläger im Jahr 2015 angebotene Stelle stattgegeben und die Berufung zugelassen. Die Entscheidung des BGH vom 10.01.2023 stehe der Berücksichtigung dieses Stellenangebotes unter dem Gesichtspunkt einer "hypothetischen Karriere" nicht entgegen. Es habe sich um eine tatsächlich zu besetzende Stelle gehandelt, für die sich der Kläger nicht aufgrund seiner Tätigkeit im Betriebsrat, sondern der zuvor übertragenen Aufgaben und den dort gezeigten Leistungen qualifiziert habe. Die Stelle habe der Kläger mit Rücksicht auf eine kurz zuvor im Betriebsrat übernommene Funktion abgelehnt.

Zweiter Fall: Zusatzaufgaben als Grundlage für die Höhergruppierung

Im zweiten Fall war ein Mitarbeiter vom Standort Salzgitter Ende 2016 vor der Übernahme des Betriebsratsamtes (Mai 2017) von der Entgeltstufe 12 in die Entgeltstufe 13 höhergruppiert worden. Die Beklagte nahm mit Wirkung ab dem Oktober 2022 eine Rückgruppierung in die Entgeltstufe 12 vor und kürzte das Gehalt des Klägers für die Monate Februar und März 2023 um etwa 280 Euro monatlich. Sie begründet die Rückgruppierung damit, dass die Höhergruppierung des Klägers Ende 2016 in die Entgeltstufe 13 im unmittelbaren Zusammenhang mit der Amtsübernahme ohne erkennbare Änderung seiner Tätigkeit erfolgt sei. Der Kläger macht geltend, die Höhergruppierung habe auf einer bereits im April 2016 vollzogenen Erweiterung seines Tätigkeitsbereichs beruht. Das ArbG hat der Klage unter Hinweis auf den Vortrag des Klägers zu übernommenen Zusatzaufgaben als Grundlage für die Höhergruppierung stattgegeben. Die Beklagte sei der Darstellung des Klägers nicht entgegengetreten.“

Empfehlung an Arbeitgeber bleibt: Gehälter von Betriebsräten sind in Bezug auf die Frage – Liegt eine strafbewehrte Betriebsratsbegünstigung vor? – zu prüfen

Vor diesem Hintergrund bleibt es bei der Empfehlung an die Arbeitgeber in Deutschland: Gehälter von Betriebsräten sind in Bezug auf ihre Höhe zu prüfen; mag im Betrieb selbst ein höheres Gehalt für das Betriebsratsmitglied aus der Sicht des Arbeitgebers geboten erscheinen, so kann doch der Straftatbestand der Begünstigung von Betriebsräten vorliegen.

Mehr als 20 Klagen allein in Braunschweig

Laut Redaktion beck-aktuell, 6. Juli 2023, gibt es „mehr als 20 Klagen allein in Braunschweig“. Beck-Aktuell schreibt: „Aus dem Konzernumfeld“ von VW heißt es, „dass eine höhere zweistellige Zahl von Betriebsratsmitgliedern von der engen Auslegung des BGH betroffen sei - und zwar über alle Gehaltsstufen hinweg. Um Änderungen komme man wohl nicht herum.“ „An weiteren Arbeitsgerichten, die für VW-Standorte zuständig sind, gibt es zahlreiche ähnliche Klagen…Aus diesen Verfahren erhoffen sich beide Seiten Herstellung von Rechtssicherheit, Planbarkeit und Verlässlichkeit. Auch Beobachter von außen haben in dem Zusammenhang die seit vielen Jahren geltenden rechtlichen Bestimmungen als zu schwammig kritisiert.“

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