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Verwertung von Videoaufnahmen am Arbeitsplatz zulässig?

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Das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschied im Rahmen eines Kündigungsschutzverfahrens mit Urteil vom 22.09.2016 (2 AZR 848/15), dass die Verwertung eines „Zufallsfundes“ aus einer gerechtfertigten verdeckten Videoüberwachung nach § 32 Abs. 1 BDSG zulässig sein kann.

Das BAG hatte sich in der Entscheidung insbesondere mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die Klägerin durch die Verwertung der Videoaufnahmen in ihrem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt wurde und ob deshalb ein Beweisverwertungsverbot vorlag.

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde

Die Klägerin arbeitete seit 16 Jahren bei der Beklagten, einem Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels. Zuletzt war sie dort als stellvertretende Filialleiterin und Kassiererin beschäftigt. Nachdem aufgrund regelmäßiger Inventuren der Beklagten der Verdacht aufkam, dass Mitarbeiter in den Warengruppen „Tabak/Zigaretten“ und „Nonfood“ Diebstähle begangen haben könnten und dieser Verdacht auch nicht durch Taschenkontrollen und andere Aufklärungsmaßnahmen ausgeräumt werden konnte, entschloss sich die Beklagte mit Zustimmung des Betriebsrats zu einer verdeckten Videoüberwachung zweier bestimmter Mitarbeiterinnen – zu denen die Klägerin nicht zählte – im Kassenbereich über einen Zeitraum von zwei Wochen. Diese Überwachung sollte der Aufklärung von Straftaten zu Lasten der Beklagten dienen.

In einer der Videosequenzen war schließlich zu sehen, wie die Klägerin eine „Musterpfandflasche“ über den Scanner zog, den entsprechenden Geldbetrag aus der Kasse entnahm und später einsteckte. Der so erstellte Kassenbon wies eine Pfandbarauszahlung von insgesamt 3,25 € für 13 Pfandflaschen aus.

Nach erfolgter Anhörung stimmte der Betriebsrat der von der Beklagten beabsichtigten außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung der Klägerin zu. Daraufhin wurde diese noch am gleichen Tag entsprechend gekündigt. Dagegen erhob die Klägerin Kündigungsschutzklage, weil aus ihrer Sicht keine Gründe für eine außerordentliche oder ordentliche Kündigung vorgelegen hätten. Sie meint zudem, dass sie durch die Veranlassung, Verarbeitung und Nutzung der Videoaufnahmen durch die Beklage sowie deren Verwertung im späteren Kündigungsschutzverfahren durch das Gericht in ihrem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt worden ist.

Zur Entscheidung des BAG

Das BAG stellte in seiner Entscheidung klar, dass die Manipulation eines Kassenvorgangs zum Zwecke der persönlichen Bereicherung „an sich“ geeignet ist, einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB darzustellen. Die Klägerin habe ihre Pflicht zur Rücksichtnahme verletzt und unabhängig von der Höhe des ihrem Arbeitsgebers entstandenen Schadens einen schweren Vertrauensbruch begangen. Dieser könne auch nicht im Wege der Interessenabwägung durch die langjährige unbeanstandete Beschäftigung aufgewogen werden. Gerade in ihrer Position als stellvertretende Filialleiterin und Kassiererin müsse eine uneingeschränkte Vertrauenswürdigkeit gewährleistet sein.

Zwar habe die verdeckte Videoüberwachung laut des Gerichts in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin eingegriffen. Der Eingriff sei aber aufgrund überwiegender Interessen auf Seiten der Beklagten gerechtfertigt gewesen. Durch die Auswertung und Verwendung des gewonnenen Videomaterials zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses habe die Beklagte hingegen nicht das Allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin verletzt. Verdeckte Videoaufnahmen seien zulässig, wenn der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung zu Lasten des Arbeitgebers bestehe, weniger einschneidende Aufklärungsmaßnahmen ausgeschöpft wurden und ergebnislos geblieben sind und somit die Videoüberwachung praktisch das einzige verbleibende Mittel zur Aufklärung darstellt. Die Maßnahme dürfe dabei insgesamt nicht unverhältnismäßig sein und müsse sich gegen einen zumindest räumlich und funktional abgrenzbaren Kreis von Arbeitnehmern richten. Dass die Klägerin nicht zu dem Kreis der anfangs verdächtigen Mitarbeiterinnen zählte, ändere daran nichts. Es müsse nicht sichergestellt werden, dass von der Videoüberwachungsmaßnahme nur Personen erfasst werden, bezüglich derer bereits ein konkretisierter Verdacht besteht.

Das BAG sah in der Videoüberwachungsmaßnahme auch keinen Verstoß gegen § 32 Abs. 1 BDSG. Danach dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für die Entscheidung über die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich ist. Im vorliegenden Fall begründete die Videoaufzeichnung den Verdacht einer Unterschlagung durch die Klägerin zu Lasten der Beklagten, was grundsätzlich einen Kündigungsgrund darstellt. Da diese Erkenntnisse im Rahmen einer zulässigen Videoüberwachung gewonnen wurden, standen der Verwertung der Aufnahmen auch keine überwiegenden Interessen der Klägerin entgegen.

Das BAG führte ergänzend aus, dass ein Verwertungsverbot auch dann nicht bestanden hätte, wenn der Betriebsrat bei der Auswertung der Videosequenzen nicht gemäß §§ 87 Abs. 1 Nr. 6, 77 BetrVG beteiligt gewesen wäre. Sei eine Beweisverwertung nach allgemeinen Grundsätzen zulässig, bestehe grundsätzlich auch kein darüber hinausgehendes Verwertungsverbot bei Missachtung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats oder bei der Nichteinhaltung eines betriebsverfassungsrechtlichen Verfahrens.

Die Kündigung durch die Beklagte hatte Bestand, die Revision der Klägerin wurde zurückgewiesen.

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