Vom Blitzer erwischt auf der BAB 3 bei Heiligenroth, Km 88,070, Richtung Köln? Wir helfen!

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Es hat einen triftigen Grund, warum auf der BAB 3 bei Heiligenroth in Fahrtrichtung Köln mit einem sogenannten semi-stationären Gerät vom Typ Poliscan FM1 Enforcement Trailer Geschwindigkeitsmessungen durchgeführt werden: Der Blitzer, der in einem unauffälligen Anhänger verbaut ist, hat dort nämlich allerhand zu tun und ist für die öffentliche Hand ein wahrer Gold-Esel.

Beispielsweise ergibt sich aus der amtlichen Akte eines von uns geführten Falls, dass binnen einer Woche vom 02.04.2020 bis zum 09.04.2020 dort 105.846 Fahrzeuge gemessen und dabei 8.202 Verstöße festgestellt wurden. Auf ein Jahr hochgerechnet entspricht dies etwa 426.500 Fällen, in denen mehr oder weniger hohe Bußgeldbeträge erwartet werden und nachdem bei dem anzunehmenden Geschwindigkeitsniveau auf Autobahnen der Durchschnittsbetrag sicherlich bei deutlich mehr als 100 € liegen dürfte, geht es um einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag.

So nachvollziehbar es auch sein mag, dass zu Zeiten leerer Haushaltskassen das Begehren nach dem Erzielen von bereits verplanten Geldern erfüllt wird, so verständlich ist es umgekehrt, dass Verkehrsteilnehmer nur für etwas geradestehen wollen, was ihnen auch tatsächlich anzulasten ist. Und eben das kann an besagter Messstelle nach unseren Erfahrungen nicht ohne weiteres als beweisbar angesehen werden, weshalb Geblitzte die Tatvorwürfe und oftmals ganz erheblichen Rechtsfolgen nicht ungeprüft hinnehmen sollten.

Die dem Polizeipräsidium Rheinpfalz zugehörige Zentrale Bußgeldstelle in Speyer versendet an Betroffene Anhörungsbögen und Bußgeldbescheide, die regelmäßig folgenden Inhalt haben:

„Ihnen wird vorgeworfen, am ... um ... Uhr in Heiligenroth, BAB 3, Km 88.070, Gem. Heiligenroth, FR Köln als Führer des ..., amtliches Kennzeichen ... folgende Ordnungswidrigkeit(en) nach § 24/§ 24a/§ 24c StVG begangen zu haben:

Sie überschritten die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um ... km/h.

Zulässige Geschwindigkeit: 100 km/h. (bzw. 80 km/h für Lkw)

Festgestellte Geschwindigkeit (nach Toleranzabzug): ... km/h

Berücksichtigte Toleranz: ... km/h

...

Beweismittel: Messung mit Lasergerät und Foto“

Doch auch wenn diese Vorwürfe (natürlich!) auf den juristischen Laien zunächst einmal stets unumstößlich wirken, konnten in unserer Kanzlei schon Ungereimtheiten festgestellt werden, die zum Teil zu Verfahrenseinstellungen führten:

Wiederholt fiel in unseren Prüfungen etwa auf, dass bei dieser Messstelle die nach unserer Auffassung nach dem Mess- und Eichgesetz gebotenen Nachweise über messrelevante Wartungen, Reparaturen oder sonstige Eingriffe am Messgerät nicht ausreichend erscheinen.

Gleichermaßen ist regelmäßig ein Streit darüber auszutragen, welche Belege nach der Gerätezulassung und der Gebrauchsanweisung des Herstellers von der Verwaltungsbehörde vorzulegen sind.

Nicht selten ließen die vom Messgerät angefertigten und verwaschen erscheinenden Lichtbilder keine eindeutige Identifizierung des Fahrers zu, was auch beim zuständig werdenden Amtsgericht Montabaur schon zu Einstellungen führte.

Aus einer sogenannten XML-Datei können sich Hinweise dafür ergeben, dass eine Messung außerhalb des vorgegebenen Entfernungsbereichs von 50 bis 20 m vor dem Anhänger durchgeführt wurde, was dann nicht mehr (ohne weiteres) von der Zulassung des Geräts gedeckt wäre.

Zu beklagen ist ferner eine aus unserer Sicht systematische Vernichtung von Beweismitteln, nachdem wesentliche Messdaten unwiederbringlich und ohne rechtfertigenden Grund gelöscht werden. Der Saarländische Verfassungsgerichtshof hat eben diese geübte Praxis entsprechend unserer Auffassung Anfang Juli 2019 als verfassungswidrig eingestuft. Leider hat die Entscheidung eines Landesverfassungsgerichts aber nur bindende Wirkung für die Behörden und Gerichte eben dieses Bundeslandes. Der für die hier besprochene Messstelle maßgebliche Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz hatte zwar Ende Januar 2020 ebenfalls in gleichem Zusammenhang eine Entscheidung zu treffen, umging dabei aber vorerst aus hier nicht näher zu erläuternden Gründen eine Auseinandersetzung mit dem Datenlöschungs-Problem. Aktuell gibt es hierzu also noch keine förmliche verfassungsgerichtliche Entscheidung und es muss abgewartet werden, wann es dazu kommen wird und wie diese Entscheidung dann ausfallen wird.

Wir haben bereits zahlreiche Messungen an dieser Stelle überprüft. Dies umfasst in der Regel folgende Schritte:

  • Überprüfung der amtlichen Akte auf Vollständigkeit
  • Nachforderung fehlender Bestandteile der Akte zu Zwecken der ergänzenden Prüfung
  • Erforschen technischer Fehler bei der Einrichtung der semi-stationären Messstelle und/oder bei der Auswertung der Messung
  • Einholung eines Sachverständigen-Gutachtens mit Auswertung der digitalen Messdaten
  • Prüfung von rechtlichen Verteidigungsaspekte wie etwa der Verfolgungsverjährung
  • Prüfung der Identifizierbarkeit der Betroffenen als Fahrer
  • Bewirken einer Einstellung des Verfahrens oder Reduzierung der Geldbuße auf eine Geldbuße in Höhe von nur 55 € ohne Punktefolge in Flensburg bzw. Abwehr eines drohenden Fahrverbots durch Reduzierung des Geschwindigkeitswerts im Falle eines Messfehlers

Nach unseren Erfahrungen geht die Zentrale Bußgeldstelle in Speyer konsequent davon aus, dass ein Verkehrsteilnehmer die ihm vorgeworfene Geschwindigkeitsüberschreitung vorsätzlich begangen habe, sobald die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um mindestens 40 % überschritten wurde. Wer also nach Abzug der erforderlichen Toleranzwerte am Blitzer mit 140 km/h oder mehr vorbeigefahren sein soll, hat selbst als Ersttäter neben einem Fahrverbot bereits eine (verdoppelte) Geldbuße von mindestens 480 € sowie zwei Punkte in Flensburg mit fünfjähriger Tilgungsdauer zu erwarten.

Diese Situation hat sich seit dem 28.04.2020 noch weiter verschärft, nachdem durch die Reform der Straßenverkehrsordnung und den geänderten Bußgeldkatalog bis auf weiteres schon eine Überschreitung um 26 km/h zur Androhung eines Fahrverbots bei einem bislang unbescholtenen Verkehrsteilnehmer führt. Auch in dieser Hinsicht gibt es aber zahlreiche Ansatzpunkt für eine möglicherweise erfolgreiche Verteidigung, auf die hier aus Platzgründen nicht näher einzugehen ist. Stattdessen mag der Verweis auf meinen gesonderten Rechts-Tipp „Fahrverbote für Mini-Raser ab Ende April 2020 – auf keinen Fall akzeptieren. Gute Chancen!“ genügen.

Es ist daher anzuraten, entsprechende Tatvorwürfe durch einen spezialisierten Fachanwalt für Verkehrsrecht überprüfen zu lassen.

Dr. Sven Hufnagel
Fachanwalt für Verkehrsrecht

Dr. jur. Sven Hufnagel ist auf die Verteidigung in Bußgeldverfahren wegen Geschwindigkeitsüberschreitungen spezialisiert und greift bei 17-jähriger anwaltlicher Tätigkeit auf die Erfahrung aus mehreren tausend geführten Bußgeldverfahren zurück.

In den Jahren 2015 bis 2019 wurde er fünfmal hintereinander in der „FOCUS-Anwaltsliste“ als „Top-Anwalt für Verkehrsrecht“ aufgeführt.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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