Vorgetäuschte Arbeitsunfähigkeit rechtfertigt fristlose Kündigung

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Grundsätzlich ist der Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor dem Arbeitsgericht nur äußerst schwer für einen Arbeitgeber zu erschüttern. Wenn aber der Arbeitnehmer trotz Krankschreibung auf einer Party privat feiert, und der Arbeitgeber erfährt davon, dann muss er mit einer fristlosen Kündigung rechnen. So geschehen in einem Fall vor dem Arbeitsgericht Solingen vom 1.12.2022, 5 Ca 1200/22.

Das Arbeitsgericht Solingen stellt in seinem Urteil folgendes klar:

„Meldet sich eine Arbeitnehmerin bei ihrem Arbeitgeber für zwei Tage krank und nimmt an einer „White Night Ibiza Party“ teil, ist von einer vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit auszugehen. Eine dies stützende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist unglaubhaft und ohne Beweiswert.“

Was war passiert? – dazu das Arbeitsgericht Solingen wie folgt:

„Die Parteien stritten unter anderem um die Frage der Wirksamkeit der außerordentlichen fristlosen Kündigung vom 19.7.2022. Die Klägerin war bei der Beklagten als Gesundheits- und Krankenpflegeassistentin beschäftigt, nachdem sie dort die Ausbildung absolviert hatte….Auf Instagram tauschten sich die Parteien bereits vor der…Kündigung aus. Die Klägerin war für Samstag, den 2.7.2022, und Sonntag, den 3.7.2022, zum Spätdienst eingeteilt. Für die Dienste meldete sie sich bei der Beklagten krank. In der Nacht vom 2.7.2022 auf den 3.7.2022 fand eine sogenannte „White Night Ibiza Party“ statt, auf der Fotos der Klägerin entstanden, die aus dem WhatsApp-Status der Klägerin und von der Homepage des Partyveranstalters stammen. Zu der Party wurde die Klägerin von Arbeitskolleginnen mitgenommen. Am 4.7.2022, einem Tag, an dem die Klägerin arbeitsfähig war, übergab sie an die Beklagte eine auf den 4.7.2022 datierende Arbeitsunfähigkeit für die Tage des 2.7. und 3.7.2022.“

Teilnahme an einer privaten Party, trotz Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, erschüttert den Beweiswert der Krankschreibung

Arbeitsgericht Solingen: „Dies ergibt sich daraus, dass die Klägerin auf den abgebildeten Fotos am Tage ihrer angeblich bestehenden Arbeitsunfähigkeit bester Laune und wie ersichtlich bei bester Gesundheit an der „White Night Ibiza Party“ teilgenommen hat, während sie sich für die Dienste am 2.7. und 3.7.2022 gegenüber der Beklagten arbeitsunfähig meldete.  Bereits aus diesem Umstand und zusätzlich aus der Tatsache, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erst am 4.7.2022 ausgestellt wurde, ist der Beweiswert der vorgelegten Arbeitsunfähigkeit erschüttert.“

Gelogen ist gelogen – so das Arbeitsgericht Solingen

„Auf den Grund für die Lüge kommt es nicht an, gelogen ist gelogen. Deshalb entspricht auch die weitere Einlassung der Klägerin, wonach sie sich in einer innerbetrieblichen Mobbingsituation befunden haben soll, nicht der Wahrheit. Dass die Klägerin sich mit, zumindest einem Teil ihrer Kolleginnen, bestens versteht, ergibt sich daraus, dass sie mit selbigen trotz der angeblich bestehenden Arbeitsunfähigkeit aufgrund einer psychischen Zweitageserkrankung auf der „White Night Ibiza Party“ feiern ging, anstatt ihre Krankheit auszukurieren.“

Das Urteil des Arbeitsgerichts Solingen entspricht der ständigen Rechtsprechung in Deutschland 

Bereits im Jahr 2006 sagt das Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 02.03.2006 – 2 AZR 53/05:

„Ein arbeitsunfähig erkrankter Arbeitnehmer muss sich so verhalten, dass er bald wieder gesund wird und an seinen Arbeitsplatz zurückkehren kann. Er hat alles zu unterlassen, was seine Genesung verzögern könnte. Der erkrankte Arbeitnehmer hat insoweit auf die schützenswerten Interessen des Arbeitgebers, die sich ua. aus der Verpflichtung zur Entgeltfortzahlung ergeben, Rücksicht zu nehmen. Eine schwerwiegende Verletzung dieser Rücksichtnahmepflicht kann nach der Rechtsprechung des BAG eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund an sich rechtfertigen.“

Wer seine Arbeitsunfähigkeit vortäuscht, muss mit fristloser Kündigung rechnen, unabhängig davon, ob er über einen Sonderkündigungsschutz verfügt und beispielsweise Mitglied des Betriebsrats ist

Arbeitsrecht für Arbeitgeber heißt unter anderem auch Ungleichbehandlungen im Betrieb zu vermeiden. Sofern also ein Arbeitnehmer seine Arbeitsunfähigkeit vortäuscht, ist es rechtlich ohne Bedeutung, ob er beispielsweise über einen besonderen Sonderkündigungsschutz verfügt. Das gilt auch für Mitglieder des Betriebsrats. Täuscht also ein Mitglied des Betriebsrats die Arbeitsunfähigkeit vor, so muss auch dieser Arbeitnehmer trotz Sonderkündigungsschutz mit dem Ausspruch einer fristlosen Kündigung rechnen.  

Vorgetäuschte Arbeitsunfähigkeit bedeutet darüber hinaus auch einen Betrug zum Nachteil des Arbeitgebers, weil der Arbeitnehmer auf diese Weise eine ungerechtfertigte Lohnfortzahlung erschleichen will

Grundsätzlich ist auch eine vorherige Abmahnung entbehrlich. Hintergrund: Wer seine Arbeitsunfähigkeit vortäuscht, um sich auf diese Weise seine ungerechtfertigte Lohnfortzahlung zu erschleichen, begeht darüber hinaus auch einen Betrug zum Nachteil seines Arbeitgebers. Das wiederum ist eine Straftat, die eine vorherige Abmahnung entbehrlich macht.

Rechtsanwalt Helmut Naujoks ist seit 25 Jahren als Anwalt für Arbeitgeber im Arbeitsrecht tätig. Bei Fragen zu diesem Thema können Sie mich jederzeit gerne zur Beratung kontaktieren.


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