Vorgetäuschte Arbeitsunfähigkeit: Zehn Stunden Zug fahren trotz Krankschreibung; Beweiswert „AU“ erschüttert?

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Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern stellt mit Urteil vom 13.07.2023 – 5 Sa 1/23 folgendes klar: „Eine zu Beginn der Erkrankung angetretene rund 10-stündige Bahnfahrt eines als Chefarzt beschäftigten Arbeitnehmers zum Familienwohnsitz, um dort die Hausärztin aufzusuchen, lässt ohne Hinzutreten weiterer Umstände die attestierte Arbeitsunfähigkeit nicht fragwürdig erscheinen.“ Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist auch dann nicht erschüttert, wenn die Krankschreibung exakt innerhalb der Kündigungsfrist bis zum Ablauf der Beendigung des Arbeitsverhältnisses liegt. LAG: „Der Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist nicht allein deshalb erschüttert, weil diese einen Zeitraum innerhalb der Kündigungsfrist, insbesondere gegen Ende der Kündigungsfrist betrifft.“ Quelle: Beck-online.de

Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist erschüttert, wenn…

„nach Maßgabe eines verständigen Arbeitgebers belastbare Tatsachen vorhanden sind, die erhebliche Zweifel an der tatsächlichen Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers belegen (LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 8. Februar 2023 – 3 Sa 135/22 – Rn. 24, juris = AE 2023, 93). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Arbeitgeber die Krankheitsdiagnosen regelmäßig nicht kennt, es sei denn, das Krankheitsbild tritt nach außen offen zu Tage (z. B. im Falle äußerer Wunden). Bekannt ist dem Arbeitgeber jedoch die jeweils geschuldete Arbeitsleistung, nach der sich bestimmt, ob ein Arbeitnehmer arbeitsunfähig ist oder nicht. Die zu erbringenden Arbeitsaufgaben bilden den Maßstab dafür, ob bestimmte Aktivitäten des Arbeitnehmers Zweifel an der Richtigkeit der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wecken, also darauf hindeuten, dass er tatsächlich arbeitsfähig ist. Erbringen Arbeitnehmer anderweitig Arbeitsleistungen, die sie ebenso gut bei dem eigenen Arbeitgeber ausführen könnten, kann sich daraus ein Anzeichen für eine tatsächlich vorhandene Leistungsfähigkeit ergeben. Sportliche Aktivitäten können je nach Arbeitsaufgabe ebenfalls eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung infrage stellen.“ so Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 13.07.2023, Az. 5 Sa 1/23; Quelle: Beck-online.de

Krankschreibung innerhalb der Kündigungsfrist reicht nicht für Zweifel an der AU

Der Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist jedoch nicht allein deshalb erschüttert, weil diese einen Zeitraum innerhalb der Kündigungsfrist, insbesondere gegen Ende der Kündigungsfrist betrifft. Krankheiten können auch in einem gekündigten oder einem aus anderen Gründen endenden Arbeitsverhältnis auftreten. In der Ablösungsphase mag zwar die Motivation eines Arbeitnehmers nachlassen. Daraus ist aber keinesfalls zu schließen, dass jede Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in diesem Zeitraum makelbehaftet ist und die Arbeitsunfähigkeit vom Arbeitnehmer durch Offenlegung seiner Erkrankung, der gesundheitlichen Einschränkungen und der ärztlich verordneten Behandlung zu belegen ist.“ so das LAG feststellend.

Zehnstündige Bahnreise ruft keine Zweifel an der Richtigkeit der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung hervor

LAG: „Die rund 10-stündige Bahnreise des Klägers weckt unter Berücksichtigung der arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitsleistung keine Zweifel an der Richtigkeit der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Die Belastung durch die Bahnreise ist nicht annähernd mit derjenigen einer Chefarzttätigkeit vergleichbar. Eine Bahnreise erfordert weder Konzentration noch körperliche Anstrengungen. Im Zug besteht die Möglichkeit, eine entspannte Körperhaltung einzunehmen und sich bei Bedarf etwas zu bewegen. Als Chefarzt war der Kläger hingegen während des gesamten Arbeitstages durch seine Leitungstätigkeit, durch Mitarbeiter, Patienten, medizinische und wirtschaftliche Fachfragen etc. gefordert. Die Tätigkeit bedingt ein hohes Maß an Konzentration und Reaktionsvermögen sowie Flexibilität.“ Quelle: Beck-online.de

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