Vorsicht bei baulichen Änderungen - Erlöschen des Bestandsschutzes möglich!

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Bauliche Änderungen an Bestandsgebäuden sind nicht unüblich...

Je älter ein Gebäude ist, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass es nicht mehr ursprünglich genehmigten Originalzustand vorhanden ist. Gleich ob notwendige Sanierungsmaßnahmen aufgrund altersbedingt mangelhafter Bausubstanz oder geänderten Wohnbedürfnisse und -wünsche der Eigentümer ursächlich waren: Nicht selten werden bauliche Änderungen an einem Bestandsgebäude durchgeführt. Das Spektrum reicht hier von der Errichtung oder dem Austausch einzelner untergeordneter Bauteile bis hin zur Errichtung von Anbauten oder Dachgauben, die zu einer Erhöhung der nutzbaren Wohnfläche führen.

Nicht selten haben Sanierungs- oder Baumaßnahmen am Eigenheim unerwartete Beanstandungen durch die zuständige Bauaufsichtsbehörde zur Folge. Gerügt wird dann häufig, dass das Bauvorhaben im sanierten bzw. umgebauten Zustand gegen das geltende Baurecht verstößt. Verbunden ist dies häufig der Aufforderung, Genehmigungslage für das Gebäude nachzuweisen.

Meistens wird in diesem Zusammenhang für den Fall, dass das Gebäude nicht genehmigt sein sollte, wegen der hieraus resultierenden sogenannten formellen Illegalität bzw. Baurechtswidrigkeit eine Nutzungsuntersagung angedroht. Ist die Bauaufsichtsbehörde sogar der Meinung, dass sich das Gebäude mit den baulichen Änderungen auf Grundlage des aktuellen öffentlichen Baurechts nicht genehmigen lassen können wird, so droht sogar eine Abrissverfügung.

Regelmäßig berufen sich findige Eigentümer dann auf den Bestandsschutz der Immobilie. Entweder leiten sie diesen aus einer vormals erteilten Baugenehmigung ab oder aus dem langen Zeitraum, den das Gebäude bereits existiert.

Hierbei wird jedoch verkannt, dass eine Baugenehmigung und der hieraus resultierende Bestandschutz erlöschen können und allein eine langandauernde Existenz eines Gebäudes alleine keinen Bestandsschutz begründen kann.

Der Bestandsschutz einer baulichen Anlage ist ein sehr fragiles juristisches Konstrukt. Bereits ungenehmigte Nutzungsänderungen können zu dessen Erlöschen führen. Das gilt somit erst recht auch für bauliche Änderungen.

...aber risikoreich für deren Bestandsschutz

Dies kann erhebliche Folgen für den Bestand des Gebäudes haben. Ist der Bestandsschutz durch bauliche Maßnahmen nämlich erloschen und kann es auf Grundlage des aktuellen Baurechts nicht durch eine neu zu beantragende Baugenehmigung legalisiert werden, dann droht im schlimmsten Fall eine Abrissverfügung.

In dem Zusammenhang stellt sich die Frage, in welchem Umfang bauliche Änderungen unproblematisch sind und ab welcher quantitativen oder qualitativen Schwelle sie zu einem erlöschen des Bestandsschutzes führen können.

Selbst dann, wenn lediglich ein Teil des Hauses saniert wird, beispielsweise das Dach, kann dies ab einem bestimmten Umfang der Maßnahme unangenehme Folgen haben.

Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Bayern entschied mit Beschluss vom 28.06.2021, Az.: 1 ZB 19.2067, dass eine Maßnahme ab einem bestimmten Umfang nicht mehr als Sanierung, sondern als eine erhebliche bauliche Veränderung bewertet werden muss. Diese habt den Bestandsschutz auf.

Eine Änderung einer baulichen Anlage liegt laut dem VGH Bayern demnach vor, wenn das Bauwerk seiner ursprünglichen Identität beraubt wird. Ein solcher Identitätsverlust tritt ein, wenn der Eingriff in den vorhandenen Bestand so intensiv ist, dass er die Standfestigkeit des gesamten Bauwerks berührt und eine statische Nachberechnung erforderlich macht.

Dasselbe gilt nach Auffassung des Gerichts, wenn die für die Instandsetzung notwendigen Arbeiten den Aufwand für einen Neubau erreichen oder gar übersteigen, die Bausubstanz ausgetauscht, das Bauvolumen wesentlich erweitert wird oder die Baumaßnahmen sonst praktisch einer Neuerrichtung gleichkommen.

Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) führte in seinem Beschluss vom 28.06.2016, Az. 7 A 1371/13, aus, dass solche Eingriffe in die Bausubstanz zu einem erlöschen der Baugenehmigung und des Bestandsschutzes führen würden, die eine bauliche Anlage so erheblich verändern, dass sie nicht mehr mit dem alten, ursprünglich bestandsgeschützten Anlage identisch ist.

Wie an diesen gerichtlichen Ausführungen ersichtlich wird, ist eine klare Grenzziehung zwischen unproblematischen und riskanten Bau- und Sanierungsmaßnahmen nur schwer möglich und eigentlich immer von einer Einzelfallbetrachtung abhängig. 

Vor allem der baurechtliche Laie wird kaum erkennen können, ob die geplanten Maßnahmen möglicherweise den Bestandschutz und damit die Genehmigungslage seines Hauses gefährden könnten.

Vor diesem Hintergrund ist dringend anzuraten, im Zweifelsfall sachkundigen Rat einzuholen.



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