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Vorsorgevollmacht – Anforderungen bei Entscheidung über Leben und Tod

  • 4 Minuten Lesezeit
Christian Günther anwalt.de-Redaktion

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Wer darf über die medizinische Behandlung und damit sogar über den Tod entscheiden, wenn man es selbst nicht mehr kann? Mit einer Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung lässt sich das regeln. Allerdings müssen diese einige Anforderungen einhalten. Sonst sind Vollmacht bzw. Patientenverfügung nicht bindend, selbst wenn sie notariell beurkundet waren. Das machte der Bundesgerichtshof (BGH) in einer nun veröffentlichten Entscheidung deutlich.

Streit um Abbruch der künstlichen Ernährung

Die Situation war so, wie sie sich häufig ereignet. Eine Frau, Jahrgang 1941, hatte 2011 einen Hirnschlag erlitten und wurde seitdem künstlich ernährt. Nach Aufnahme in ein Pflegeheim verschlechterte sich ihr Zustand weiter. 2013 konnte sie dann nicht mehr mit ihren Mitmenschen kommunizieren. Im selben Jahr verstarb ihr Ehemann. Ihre drei Töchter gerieten darüber in Streit, wie es mit der Mutter weitergehen sollte.

Eine der Töchter war dabei nach dem Tod des Vaters – ausweislich einer 2003 notariell beurkundeten Generalvollmacht – an dessen Stelle als Bevollmächtigte für die Mutter getreten. Die Vollmacht befugte sie unter anderem auch zur Entscheidung über den Abbruch lebensverlängernder Maßnahmen. Außerdem war sie laut einer Patientenverfügung der Mutter aus dem Jahr 2003 bevollmächtigt, mit dem behandelnden Arzt alle erforderlichen Entscheidungen abzusprechen und ihren Willen im Sinne der Patientenverfügung einzubringen. Die beiden anderen Töchter verlangten daher von ihrer Schwester die künstliche Ernährung ihrer Mutter abzubrechen. Das verweigerte sie jedoch in gemeinsamer Absprache mit der Hausärztin ihrer Mutter. Daraufhin beantragten ihre Geschwister beim Betreuungsgericht ihr das Betreuungsrecht zu entziehen. Diesen Antrag legte das Gericht als Anordnung einer Kontrollbetreuung aus, wobei sie in zweiter Instanz damit Erfolg hatten. Die bevollmächtigte Tochter legte daraufhin Rechtsbeschwerde ein, worüber der BGH entschied.

Vollmacht muss auf Gefahren deutlich hinweisen

Im Rahmen dieser Entscheidung nannte der BGH Anforderungen an eine zur Entscheidung über Leben oder Tod berechtigende Vollmacht. Außerdem stellte er erneut klar, dass die Ablehnung lebenserhaltender Maßnahmen in einer Patientenverfügung nicht genügt, um dieser Folge zu leisten zu müssen.

Eine Vollmacht muss demnach schriftlich vorliegen. Schriftlich meint dabei, dass der Bevollmächtigende die Vollmacht entweder eigenhändig unterschrieben hat oder sie notariell beurkundet wurde. Letzteres war hier gegeben.

Darüber hinaus muss die Vollmacht klar und deutlich umschreiben, dass die bevollmächtigte Person auch über solche ärztliche Maßnahmen entscheiden darf, die die Gefahr des Todes oder schwerer und länger dauernder gesundheitlicher Schäden mit sich bringen können. Ein Verweis in der Vollmacht auf den § 1904 BGB, der dies verlangt, kann das nicht ersetzen. Vielmehr muss jeder, der eine entsprechende Vollmacht erteilt, aus der Vollmacht selbst ersehen, dass er sein Schicksal in ganz entscheidenden Gefahrenlagen einem anderen Menschen anvertraut.

Aus Sicht des BGH machte die vorliegende Vollmacht das ausreichend deutlich. Grundsätzlich wäre die Tochter befugt gewesen, über den Abbruch von lebensverlängernden Maßnahmen zu entscheiden. Mehrere Umstände sprachen aber aus Sicht des BGH dagegen.

Zum einen schränkte die Vollmacht die Entscheidung auf die Situation einer zum Tode führenden Erkrankung ein. Eine solche lag dem BGH zufolge nicht vor, auch wenn sich die Mutter in einem Zustand massiver Beeinträchtigung der Hirnfunktion befand und unfähig zur Kommunikation mit der Umwelt war. Außerdem hatte sie 2011, als sie noch dazu fähig war, der PEG-Sonde zur künstlichen Ernährung nicht widersprochen.

An Patientenverfügung gebunden

Zum anderen konnte sich die bevollmächtigte Tochter hier nicht über den in der Patientenverfügung niedergelegten Willen der Mutter hinwegsetzen. An diesen war die Tochter hier aufgrund einer weiteren Vorgabe gebunden. Demnach war sie nur zur Mitsprache in den in der Patientenverfügung genannten Fallgestaltungen berechtigt. Dass die Patientenverfügung dabei die Pflichten von Bevollmächtigten näher regelt ist ohne Weiteres möglich.

Im vorliegenden Fall ließ sich der Patientenverfügung jedoch keine Entscheidung entnehmen, die die Tochter zum Abbruch der künstlichen Ernährung berechtigt hätte. Dafür war diese nicht präzise genug gefasst – zum einen mit Blick auf die gewünschten Maßnahmen, zum anderen mit Blick auf die darin genannte Behandlungssituation.1 Im Zweifel hat der Schutz des Lebens dann Vorrang. Ein Arzt muss und kann sie dann gegebenenfalls nicht befolgen.2

Zur Klärung, ob die Mutter über den Inhalt der Patientenverfügung hinaus, einen mutmaßlichen Willen über ihre Behandlung geäußert hatte, verwies der BGH den Fall jedoch zurück an die Vorinstanz. Deren Entscheidung auf Anordnung einer Kontrollbetreuung lehnte der BGH im Übrigen ab. Denn dafür dass die bevollmächtigte Tochter sich nicht mehr an die Vereinbarung hielt und entgegen dem Interesse ihrer Mutter handelte, gab es aus Sicht des BGH keine konkreten Anhaltspunkte.

Fazit: Bei der Patientenverfügung kommt es auf eine genaue Formulierung der Behandlungssituation und der dann gewünschten bzw. nicht gewünschten medizinischen Behandlung an. Pauschale Aussagen, wie etwa der Wunsch in Würde sterben zu wollen, entfalten keine Wirkung. Sollen andere über Leben und Tod entscheiden, muss aus der dazu notwendigen Vollmacht deutlich hervorgehen, dass man sein Schicksal in ganz entscheidenden Gefahrenlagen einem anderen Menschen anvertraut.

(BGH, Beschluss v. 06.07.2016, Az.: XII ZB 61/16)

(GUE)

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