Wann ist sexuelle Belästigung als solche zu ahnden – schwierige Frage für Arbeitgeber

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Ein schlechter Witz, eine komische Handbewegung oder ein anzüglicher Blick – ist das schon sexuelle Belästigung? Das AGG gibt dazu eine Definition, die als erster Anhaltspunkt dienen kann. Gem. § 3 Abs. 4 gilt:

"...Eine sexuelle Belästigung ist eine Benachteiligung ......, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird...."

Es kommt also immer darauf an, wie man miteinander umgeht. Egal, ob am Arbeitsplatz oder anderswo. Hier wollen wir uns auf das Umfeld am Arbeitsplatz konzentrieren.

Arbeitsplätze sind ein beliebter Tummelplatz für manchmal seltsame Verhaltensweisen. Die Kolleginnen und Kollegen sind acht Stunden täglich zusammen, darunter kann das gute Benehmen schon mal leiden. Schwer für Führungskräfte einzuschätzen, ob eingegriffen werden muss oder ob das die alltäglichen Verhaltensweisen untereinander sind, oder ob jemand sich "mimosenhaft" verhält und darüber hinweggesehen kann. Auf der sicheren Seite ist man, wenn innerhalb des Teams auf Distanz und den „guten Ton“ in jeder Beziehung geachtet wird. Aber – wo gibt es das schon? In vielen Betrieben herrscht ein flapsiger Umgangston. Die Kolleginnen und Kollegen necken sich, schäkern, flirten usw. Auch Umarmungen oder derbe Witze bzw. derbe und durchaus sexuell bestimmte Aufforderungen können ein Arbeitsumfeld prägen.

Um die Grenzen zur sexuellen Belästigung etwas transparenter zu machen, hilft das Gesetz schon. Es verwendet z.B. den Begriff „unerwünscht“. Doch was versteht der Einzelne unter unerwünscht. Ein Mensch lacht über eine anzügliche Bemerkung und steckt die „Anmache“ weg, ein anderer fühlt sich schon durch ein nett gemeintes Kompliment belästigt.

Maßstab ist hier eine objektive dritte Person. Diese dritte Person würde möglicherweise auf das Umfeld des Geschehens verweisen. Der Bankkaufmann hat möglicherweise andere Umgangsformen im Job als der Bauarbeiter. (Hier soll niemandem wehgetan werden, doch nicht selten wird man auf den "rauen" Umgangston in bestimmten Branchen geradezu hingewiesen.)

Der objektive Dritte würde raten, zunächst das Umfeld und die dort zur Anwendung kommenden „Benimm“-Regeln zu analysieren. Wie gehen „Täter“ und „Opfer“ normalerweise miteinander um? Ist man eher distanziert oder kumpelhaft?

Diese Analyse ist erstes Indiz zur Klärung der Frage, was als unerwünscht anzusehen ist. Als nächster Punkt wäre zu prüfen, wie ist die Konstellation zwischen „Täter“ und „Opfer“? Die Hierarchieebene auf der sich beide begegnen ist dabei genauso unter die Lupe zu nehmen, wie der bisher übliche Umgangston und die Art der Berührungen. Hier reicht die Bandbreite von gar nicht anfassen bis Küsschen auf die Wange. Nicht unerheblich ist auch die bisherige schriftlich dokumentierte Kommunikation.

Wenn die flapsigen Bemerkungen und Witze unterhalb der Gürtellinie nur so hin und her fliegen, dann kann nicht plötzlich eine ebensolche Bemerkung als unerwünscht erkennbar sein. Will ein Kollege, eine Kollegin aus dem flapsigen Umgang miteinander aussteigen, sollte sie oder er ein klares und deutliches Signal setzen. War jedoch die bisherige Kommunikation nicht zweideutig oder sexuell "angehaucht" und kommt dann ein eindeutig sexuell bestimmtes "geiles Hinterteil, Süße!", dann ist das durchaus als unerwünscht zu werten.

Sie sehen also: Das Thema ist differenziert zu betrachten. Am besten, Sie achten auf korrekte Umgangsformen innerhalb Ihrer Teams. Dazu muss man kein Lineal verschlucken aber jeder sollte seine Finger da behalten, wo sie hingehören und bei der Wortwahl den Kopf vor dem Mund zum Einsatz bringen.

Sexuelle Belästigung - die wirkliche sexuelle Belästigung - ist ein großes Übel und gehört geahndet. Wie genau der Arbeitgeber hier verfährt, bleibt ihm überlassen. Er muss nur dafür sorgen, dass "es" aufhört. Er kann dazu aus allen arbeitsrechtlich möglichen Maßnahmen schöpfen und aus seiner Sicht Geeignetste auswählen.

Aber – wie immer im Leben – gibt es auch die Kehrseite der Medaille. Es sind meistens Männer – auch Führungskräfte – die weiblichen Intrigen zum Opfer fallen. Wenn Frauen einem Mann den Ruf ruinieren wollen, hat Er oft schlechte Karten. Auch diese Möglichkeit muss ein ergebnisoffen ermittelnder Arbeitgeber immer im Blick haben. Wird eine sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz angezeigt, ist der Arbeitgeber oder die Führungskraft in der Pflicht, in alle Richtungen zu ermitteln. Betroffene sind zu befragen und entlastende Beweise zu prüfen. Hier ist kluges Vorgehen und das Hinzuziehen eines erfahrenen Anwalts angezeigt. Schnell wird ein Unschuldiger durch taktisch unkluges Verhalten von Vorgesetzten zur Zielscheibe von Spott und Ausgrenzung innerhalb der Firma. Hat sich aber jemand tatsächlich sexuell unkorrekt verhalten, sind zunächst Maßnahmen zu ergreifen, die eine Wiederholung ausschließen. Im weiteren Verlauf bietet das Arbeitsrecht genügend Möglichkeiten zu reagieren.

 


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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