Werkmängel / Verstoß gegen die allgemein anerkannten Regeln der Technik (nicht: „Stand der Technik“)

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Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs führt allein die Nichteinhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik („aaRT“) durch den Werkunternehmer (z.B. Bauunternehmer) zu einer Mangelhaftigkeit des Werks (z.B. Bauwerks). Vielfach wird fälschlicherweise der Begriff „Stand der Technik“ verwendet. Dieser Begriff ist jedoch wesentlich enger und gilt grundsätzlich nicht im Werkvertragsrecht (und Bauvertragsrecht); er wird z.B. im Bundes-Immissionsschutzgesetz verwendet.

Die aaRT gelten im Rahmen eines Werkvertrages regelmäßig als stillschweigend vereinbart, sofern die Parteien nichts Abweichendes vereinbart haben. Handelt es sich um einen Vertrag hinsichtlich Bauleistungen und wurde die Geltung der Allgemeinen Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen (VOB/B) vereinbart, regelt dies § 13 I VOB/B ausdrücklich.

Besonders wichtig ist hierbei die Tatsache, dass nach allgemeiner Meinung eine Mangelhaftigkeit des Werks bei Nichteinhaltung der aaRT unabhängig davon vorliegt, ob die Leistung ansonsten fehlerfrei ist, die vereinbarte Beschaffenheit aufweist, für den vertraglich vorausgesetzten Gebrauch geeignet ist oder wirtschaftlich oder technisch vorteilhaft ist und/oder ob Schäden vorliegen.

Was ist daher unter der Einhaltung der aaRT zu verstehen?

Nach Ansicht der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist eine Regel dann allgemein anerkannt, wenn sie die ganz vorherrschende Ansicht der (technischen) Fachleute darstellt. 

Das setzt voraus, dass sie sich in der Wissenschaft als (theoretisch) richtig durchgesetzt hat (1. Voraussetzung: Anforderung: allgemeine wissenschaftliche Anerkennung). 

Dabei genügt es aber nicht, dass eine Regel im Fachschrifttum vertreten oder an Universitäten gelehrt wird. Sie muss des Weiteren auch Eingang in die Praxis gefunden und sich dort überwiegend bewährt haben (2. Voraussetzung: Praktische Bewährung).

DIN-Normen sowie vergleichbare Regelungen können, aber müssen nicht die aaRT wiedergeben. Vielmehr können die aaRT im Einzelfall über die Festlegungen der DIN-Normen hinausgehen. Hat der bautechnische Fortschritt z.B. die DIN-Normen überholt, kann die Werkleistung mangelhaft sein, obwohl sie der einschlägigen DIN-Vorschrift entspricht. Eine DIN-Vorschrift kann aber auch zu aktuell sein, zumal sich eine Regel nicht nur in der Wissenschaft, sondern auch in der Praxis bewährt haben muss.

In Gerichtsverfahren wird das Gericht regelmäßig einen Sachverständigen beauftragen, der zu untersuchen hat, welche aaRT im konkreten Fall gelten und ob diese verletzt wurden. In außergerichtlichen Streitigkeiten bietet es sich an, dass die Streitparteien sich auf einen Sachverständigen einigen, der z.B. im Wege eines Schiedsgutachtens die geltenden aaRT und ggf. den Verstoß gegen dieselben prüfen soll.

In diesem Zusammenhang ist es sehr wichtig, dass dem Sachverständigen die Rechtsgrundsätze zu den aaRT genau klar gemacht werden. In der Praxis zeigt sich oft, dass den Sachverständigen die oben erwähnten zwei Voraussetzungen der aaRT nicht geläufig sind und diese daher vorschnell und irrig von einer Verletzung bzw. einer Einhaltung der aaRT ausgehen. Der im konkreten Fall tätige Rechtsanwalt kann solchen Fehlvorstellungen vorbeugen, in dem das Beweisthema genauer ausformuliert wird und die zwei Voraussetzungen der aaRT explizit genannt und erläutert werden.

Unsicherheiten bestehen auch, wenn der Werkunternehmer neue Ausführungsarten oder Baustoffe verwendet. In solchen Fällen wird oft vom (Bau-) Unternehmer gegen einen Verstoß gegen die aaRT und daher einer Mangelhaftigkeit des Werks eingewendet, dass dies zulässig sein muss, denn sonst würde es niemals neue Entwicklungen geben. Diese Argumentation ist falsch.

Zwar darf der Unternehmer grundsätzlich Innovationen verwenden. Er muss den Besteller jedoch über das damit verbundene Risiko aufklären. Tut er dies nicht, stehen dem Besteller Mängelansprüche zu. Eine Mängelhaftung kann der Werkunternehmer in solchen Fällen nur dadurch entgegen, wenn er die neuartige Ausführungsart bzw. neuartige Material umfangreich testet, um eine Tauglichkeit zu gewährleisten.



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